Werbung mit Verstand
Das rechte Wort zur rechten Zeit am rechten Ort. Wie Werbung wirklich wirkt - Teil 4
Teil 3: Die Vermessung der Werbewelt
Jahrzehntelang haben sich die Werbefritzen verbal die Köpfe darüber eingeschlagen, ob man in der Werbung nun Kleckern oder Klotzen solle. Ein endgültiges Ergebnis gab es nie. Es schwankte zwischen den beiden Extremen und zahlreichen Zwischenlösungen ständig hin und her. Mal war die eine Variante beliebter, mal die andere. So ähnlich wie beim Schweinezyklus in der Landwirtschaft.
In den Neunziger Jahren geriet dann die amerikanische Werbebranche in eine tiefe Krise. Die Werbungtreibenden liefen ihr in Scharen davon. Mitte der Neunzigerjahre flossen über 60 Prozent aller Investitionen in Verkaufsförderung (Vkf). Die Unternehmen sagten sich nämlich: "Da wissen wir, was wir in der Hand haben. Wir stecken da ein bisschen Geld ‘rein. Und ein paar Wochen später klingelt’s in den Kassen. Das ist doch viel besser als Werbung, bei der es Jahre und Jahrzehnte dauert, bis der Markenwert endlich aufgebaut ist."
Da klagten die Werbemenschen laut und vernehmlich und sagten sich: "Wir brauchen dringend Forschung! Die muss nachweisen, dass Werbung mindestens genauso gut verkauft wie Verkaufsförderung, sonst gehen wir hoffnungslos den Bach herunter."
Das Klagen der armen Werbemenschen ward erhört. Die Forscher waren also gefordert herauszufinden, dass Werbung mindestens genauso gut Verkäufe fördert wie die Verkaufsförderung. Und da Forscher nur allzu oft genau das herausfinden, was sie herausfinden sollen - dafür werden sie ja bezahlt -, gelang dieser Nachweis im Handumdrehen.
Jedenfalls kamen auf diesem - nicht unbedingt sehr ehrenwerten - Wege neue Erkenntnisse über Werbewirkung in die Welt. Pflichtgemäss fanden die Forscher heraus, dass Werbung ein wahrer Tausendsassa ist: Sie baut langfristig Markenimages auf und baut kurzfristig Absatzmengen auf, dass selbst hartgesottenen Verkaufsförderern nur so die Ohren schlackern. Soweit der vielleicht nicht ganz so ernst zu nehmende Hintergrund der neueren Forschungen aus den USA und auch aus Europa...
Ernster ist daran zu nehmen, dass damals ein neues Nachdenken über Werbewirkung begann und dass neuere Methoden zu ihrer Erforschung eingesetzt wurden, die tatsächlich auch zu neuen Erkenntnissen und zu ganz neuen Daten geführt haben. Und die kann man getrost sehr ernst nehmen.
Seit Mitte der Neunziger Jahre setzt man in der internationalen Markt- und Mediaforschung Single-Source-Panels ein. Das Verfahren der Datengewinnung aus einer einzigen Quelle gab es zwar schon lange vorher. Aber es bedient sich heute ganz und gar neuer Methoden. Die heutigen Single-Source-Panels untersuchen das konkrete Kaufverhalten von repräsentativ ausgewählten Personen und Haushalten mit Hilfe von Scannern und zugleich auch das Mediennutzungsverhalten.
Dadurch lässt sich verfolgen, ob jemand der ein bestimmtes Produkt kauft, vorher auch Kontakt zur Werbung für dieses Produkt gehabt hat. Das geht in jeder Richtung. Man kann auch überprüfen, ob diejenigen Leute, die Werbung für ein Produkt gesehen haben, eher dazu neigen, dieses Produkt zu kaufen. Und man kann schliesslich sogar feststellen, ob Leute, die eine Woche vor dem Kauf Werbekontakt hatten, in größerer oder kleinerer Zahl ein Produkt kaufen. Damit wurde ein Maß an Transparenz in dem Prozess der persuasiven Kommunikation hineingetragen, den man früher gar nicht kannte.
Man kann jetzt eindeutige Aussagen treffen: Von denjenigen, die eine bestimmte Seife kaufen, haben soundso viele Prozente vorher Werbung für diese Seife gesehen. Soundso viele Prozent haben das nicht getan. Durch den vorherigen Kontakt wurde also soundso viele Seife mehr verkauft.
Man kann auch angeben: Ein Werbekontakt fünf Wochen vor dem Kauf hat soundso viele Verkäufe ausgelöst. Ein Kontakt einen Tag vor dem Kauf hat soundso viele Verkäufe generiert. Und man kann folglich verlässlich angeben: Ist ein Kontakt ganz lange vorher wirksamer oder ein Kontakt ganz kurz vor dem Kaufakt?
Es kommt auf den Kontakt vor der Werbung an, und ein einziger Kontakt reicht
In den Forschungen, die seit Mitte der Neunzigerjahre durchgeführt wurden, ergab sich eindeutig: Von denjenigen, die ein beliebiges Produkt tatsächlich kauften, hatten die meisten ganz kurz vorher Werbekontakt gehabt. Die Verkäufe bei denjenigen, die kurz vorher Werbekontakt gehabt hatten, lagen um 21,3 Prozent höher als bei denjenigen, die keinen oder einen sehr viel länger zurückliegenden Kontakt gehabt hatten. Zwei Schlussfolgerungen aus diesen Daten waren zwingend:
- Es kommt auf die zeitliche Nähe des Werbekontakts zum Kaufakt an.
- Es ist ziemlich unwichtig, wie viele Kontakte jemand vor dem Kaufakt hat. Durch mehr Kontakte wird der werbliche Einfluss nicht besser. Und jetzt kommt der entscheidende Satz, den alle Kritiker seither falsch deuten: "One exposure ist enough." Ein einziger Kontakt reicht völlig aus.
Diese Schlussfolgerungen laden nun allerdings zu intensivem Nachdenken ein. Und deshalb lohnt es sich, ihre Hintergründe näher auszuleuchten.
Durchgeführt wurden die Studien, die zu diesen Befunden und Schlussfolgerungen führten, vorwiegend von dem aus Wales stammenden britischen Professor John Philip Jones, der jahrelang an der Syracuse University in New York lehrte. Er machte ein klassisches kontrolliertes Experiment, bei dem er aus den Teilnehmern an einem Single-Source-Panel zwei Gruppen bildete: Die Mitglieder der einen Gruppe hatten nachweislich einen bestimmten Werbespot gesehen. Die Mitglieder der anderen hatten das nicht. Dabei ergab sich: Die Leute mit Werbekontakt kauften um rund 25 Prozent mehr als diejenigen ohne Kontakt. Und vor allem: Je kürzer die zeitliche Distanz zwischen Werbekontakt und Kaufakt, desto höher die Zahl der Käufe.
Kein einziges Werbeforschungsprojekt hat je so viel Aufsehen erregt wie jene, die zur "STAS-Formel" von John Philip Jones führte. Immer wieder streiten Werbepraktiker darüber, ob klassische Werbung oder Verkaufsförderung sinnvoller ist. Der allgemeine Konsens lautet: Klassische Werbung wirkt langfristig und dauert. Verkaufsförderung dagegen wirkt sofort und fördert rasch den Absatz. Unter dem Einfluss dieses Paradigmas sind in den USA und in Europa erhebliche Geldsummen von der klassischen Werbung in die Verkaufsförderung umdirigiert worden.
Um die kurzfristige Umsatzwirkung der klassischen Werbung zu messen, führte Jones das neue Messinstrument STAS ein. Die Abkürzung STAS steht für Short-Term Advertising Strength - kurzfristige Werbestärke.
Wie das STAS-Differential berechnet wird
- Baseline STAS: Zunächst wird innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen erfasst, wie Verbraucher einkaufen, die eine Fernsehwerbung für ein bestimmtes Produkt nicht gesehen haben. Der so ermittelte Wert heißt Baseline STAS. Er bezeichnet gewissermaßen die Ausgangs-Werbestärke. Die Bezeichnung ist irreführend. Denn Baseline STAS hat ja mit Werbewirkung gar nichts zu tun. Er bezeichnet vielmehr die von jeder Werbewirkung absolut freie Verkaufsstärke eines Produkts.
- Stimulated STAS: Diese Daten werden mit dem Einkaufsverhalten von Personen verglichen, die während derselben Zeit Kontakt mit der Fernsehwerbung für das Produkt hatten. Der so ermittelte Wert heißt Stimulated STAS - das ist die durch Fernsehwerbung erzeugte höhere Verkaufsstärke eines Produkts.
- STAS-Differential: Der Unterschied zwischen beiden Werten oder ein daraus errechneter Indexwert, das STAS-Differential, stellt nach Jones ein einfaches und direktes Maß für kurzfristige Werbewirkung dar. Indexwerte über 100 bezeichnen eine positive Wirkung, Werte unter 100 eine negative Entwicklung. Das STAS-Differential für eine Marke sollte also möglichst weit über 100 liegen. Marken mit einem negativen STAS-Differential gelingt es nicht, sich gegen den Werbedruck der Konkurrenz durchzusetzen.
Die Ergebnisse der Jones-Studie basieren auf Daten aus einem nationalen Panel des amerikanischen Marktforschungskonzerns A. C. Nielsen. Die Messung erfolgte in 2000 Haushalten auf wöchentlicher Basis. In zwölf Konsumgüterkategorien hatten die Nielsenforscher insgesamt 142 Marken über einen Zeitraum von einem Jahr beobachtet. Für 80 dieser Marken wurde im Fernsehen geworben, 62 Marken wurden ohne jede Werbung verkauft. Dabei ergab sich: 70 Prozent der untersuchten Kampagnen erzielten kurzfristige Verkaufserfolge. 46 Prozent erzielten auch Langzeiterfolge. In Einzelfällen konnten kurzfristige Zuwächse von 60 Prozent erzielt werden. Mehr noch: 93 Prozent der kurzfristigen Verkaufserfolge (innerhalb einer Woche nach Ausstrahlung) wurden durch einen einzigen Werbekontakt erzielt.
Es handelt sich bei "STAS" um ein sehr einfaches, ja grobschlächtiges Instrument, das nicht viel mehr als eine Neuauflage des Netapps-Verfahrens darstellt, das der amerikanische Marktforscher Daniel Starch bereits in den 1930er Jahren eingesetzt hat. Netapps ist eine Abkürzung. Sie bezeichnet "net ad-produced purchases" - die unter dem Strich allein durch Werbung generierten Verkäufe. Zur Ermittlung des direkten Verhältnisses von Werbeaufwand und Verkaufserfolg wird das Verhalten der Personen mit Werbekontakt mit dem der Personen ohne Werbekontakt verglichen, und zwar in Panelbefragungen. So ergibt sich die Ermittlung der ausschließlich auf den Einfluss der Werbung zurückführbaren Käufe.
Eine Kampagne in Deutschland führte zu ähnlichen Ergebnissen
Nachdem Jones 1994 den Erfolg von Kampagnen in den USA untersucht hatte, führte er in zwei Studien identische Analysen auch für 35 bzw. 28 Produktkampagnen in Deutschland durch. Die Ergebnisse wiesen grundsätzlich in dieselbe Richtung: Fernsehwerbung löste in Deutschland bei 65 bzw. 80 Prozent aller untersuchten Kampagnen innerhalb von sieben Tagen eine kurzfristige Absatzsteigerung aus. Bei über einem Drittel bis der Hälfte der Kampagnen war darüber hinaus auch eine langfristige positive Wirkung über einen Zeitraum von einem Jahr zu beobachten.
Im Hinblick auf Unternehmensgewinne war Fernsehwerbung effektiver als Preispromotion, die Kombination beider Maßnahmen erzielte die beste Wirkung. Schließlich war auch in Deutschland kontinuierliche Werbung erfolgreicher als hohe Konzentrationen von Werbung auf sehr kurze Zeiträume. Aus seinen Untersuchungen leitete Jones drei Hauptaussagen ab:
- Mediawerbung wirkt genauso kurzfristig wie Verkaufsförderung. Das wird seither als die "heißeste" These von Jones gehandelt. Langfristig erfolgreiche Werbung muss bereits kurzfristig wirken. Die kurzfristige Werbewirkung ist eine unabdingbare Voraussetzung für ihren langfristig positiven Effekt auf die Verkaufszahlen.
- Eine kontinuierlich verteilte Kampagne bringt wesentlich mehr Absatzzuwächse als Werbung in Intervallen. Die Studie erbrachte also den Nachweis, dass der massierte Einsatz von Mediawerbung -genauer gesagt: von Fernsehwerbung; denn nur diese hat Jones empirisch untersucht - in kurzen Zeiträumen deutlich weniger Absatzzuwächse bringt als kontinuierlich über das ganze Jahr verteilte TV-Spots. Zum Thema Kleckern oder Klotzen argumentiert Jones also wieder einmal für das Kleckern, genauer für das kontinuierliche Kleckern in geringen Kontaktdosen.
- Ergänzen Werbung und Verkaufsförderung einander gegenseitig, so kann der langfristige Verkaufserfolg bis zu achtmal größer sein als beim alleinigen Einsatz von Mediawerbung. Die größte Langzeitwirkung wird erzielt, wenn ein positiver STAS-Wert mit überdurchschnittlichen Werbeaufwendungen und überdurchschnittlichen Aufwendungen für Verkaufsförderungsmaßnahmen kombiniert wird. Dies ist also ein Argument für den virtuosen Einsatz des Marketing-Mixes und gegen Monokampagnen.
Die MediaGruppe München (MGM) hat das Modell von Short Term Advertising Strength 1997 anhand von Daten aus dem Mediascan-Panel der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), Nürnberg, und MGM nachgeprüft. Fazit: STAS kann den Erfolg einer Kampagne nicht zuverlässig genug beurteilen. Wer mit STAS-Werten seinen Werbeerfolg kontrolliert, könne zu völlig falschen Schlüssen gelangen. Bei zwei Dritteln der 35 von Jones 1995 beobachteten Lebensmittelmarken führte TV-Werbung zu besseren Verkaufszahlen. Eine weitere STAS-Erkenntnis lautete: "Fernsehwerbung hat eine ähnlich absatzfördernde Wirkung wie die Verkaufsförderung."
Die MGM-Forscher rechneten die Aussagekraft von Jones‘ Ansatz mit Daten aus dem Mediascan-Panel für eine Kaffee- und eine Lebensmittelmarke nach. Das Ergebnis: Die Persönlichkeit der Zuschauer (Sehdauer, Freizeitverhalten und Einstellung zur Werbung), der Werbedruck der Konkurrenz und vor allem die Situation am Point of Sale (Promotion, Platzierung, Preis) können so stark beeinflussen, "dass die tatsächlichen Auswirkungen der Werbung anders sind" als STAS sie ausweist. Werden TV-Werbung und Promotion zeitgleich eingesetzt, überschätze der STAS-Wert die Werbewirkung des Fernsehens. Will der Werbungtreibende wissen, welche Werbemaßnahme welche Wirkung hervorruft, müsste ein Forschungsinstrument weit mehr Variablen erfassen als nur Mediennutzung und Konsum.
Die amerikanischen und die meisten europäischen Untersuchungen hingegen bestätigten grundsätzlich die Jones‘schen Befunde. Man kann also zunächst einmal davon ausgehen, dass sie nicht ganz und gar verkehrt sind.
Am überraschendsten dabei ist der Furor über das einfachste Argument: Werbung wirke ebenso so kurzfristig wie Verkaufsförderung. Darüber regen sich alle Europäer fürchterlich auf. Man sehe daran, wie kurzatmig die ganze amerikanische Mentalität sei. Sie können über den Tellerrand des nächsten Tages kaum hinausblicken. Alle drei Tage wollen sie die Umsatzzahlen haben. Und wehe, wenn die mal mehrmals hintereinander etwas zurückgehen. Dann ist gleich die Hölle los.
Hat irgendwann schon einmal irgendjemand das Gegenteil behauptet? Gibt es irgendwo in der Welt eine einzige Untersuchung, die besagt: Werbung wirkt am Anfang überhaupt nicht oder nur ganz wenig, aber am Ende dreht sie mächtig auf? Natürlich nicht.
Es heißt immer, John Philip Jones habe mit dem Vorurteil aufgeräumt, Mediawerbung wirke nur langfristig. Was für ein hanebüchener Unsinn. Wie sollte das funktionieren? Alle Response-Kurven sind immer schon von einem zunächst sehr schnellen Anstieg der Werbewirkung ausgegangen. Die generalisierte Kontaktbewertungskurve, die konvex-konkave Kontaktbewertungskurve heißt ja gerade so, weil sie konvex anfängt und dann konkav weitergeht. Das heißt: Es geht mit der Werbewirkung erst einmal - bei wachsender Kontaktzahl - rasant nach oben und dann flacht es allmählich ab. In dürren Worten: Werbung wirkt am Anfang und kurzfristig sehr stark und dann lässt sie ein wenig nach. Später kann sie nur noch mit ziemlich hohen Kontaktdosen - also mit großem Aufwand - zum Wirken gebracht werden.
Recency-Planning geht noch einen Schritt weiter
Hier nun setzt die von Erwin Ephron entwickelte Theorie des "Recency Planning" an. Auf der Basis der von John Philip Jones und anderen Forschern bestätigten Befunde über den zeitlichen Zusammenhang von Werbekontakt und Werbewirkung (= Kauf), argumentiert er: "Es ist am besten, wenn man in der Mediaplanung versucht, den Kontakt so nahe wie möglich vor den Kauf zu platzieren. Fragt sich nur, wie man das hinkriegen kann? Darüber hat Ephron eine Reihe von Überlegungen angestellt. Es lohnt sich, darüber genauer nachzudenken.
Wie sollen Eltern vorgehen, die ihr Kind dazu bringen möchten, dass es sich vor jeder Mahlzeit die Hände wäscht? Sollen sie ihm abends vor dem Schlafengehen dreimal hintereinander einhämmern: "Wasch‘ Dir vor dem Essen die Hände!"? Am nächsten Tag hat jedes normale Kind das längst vergessen. Jede vernunftbegabte Werberin und jeder vernunftbegabte Werber sagt das ihrem/seinem Kinde natürlich kurz vor jeder Mahlzeit.
Es handelt sich um einen Paradefall der persuasiven Kommunikation. Wann ist der richtige Zeitpunkt für das rechte Wort am rechten Platze? Und in der Kindererziehung ist der Fall völlig klar. Doch warum denken Werber, die als Eltern so vernünftig handeln, so absolut vernunftwidrig, wenn sie als Werbefritzen in ihren Agenturen agieren? Offensichtlich gibt es Medien, Momente und Mittel, die vom rechten Zeitpunkt, vom rechten Ort und dem rechten Inhalt weit, weit entfernt sind?
Dabei handelt es sich beim Faktor "Zeit" um eine große Schicksalsfrage der Mediaplanung, ja um eine Schicksalsfrage der Philosophie. Die Denker der griechischen Antike unterschieden genauer als wir Heutigen zwischen drei Zeitbegriffen: Chronos, Kairos und Äon. Die Unterscheidung kann für die heutige Mediaplanungspraxis durchaus hilfreich sein.
Chronos ist die stets gleichförmig dahinfließende Zeit. Äon ist die Ewigkeit in der Zeit (die man in der Werbung und der Mediaplanung getrost beiseite lassen können). Und Kairos ist der richtige, von den Göttern geschenkte Augenblick, den das Individuum nutzen, aber auch ungenutzt verstreichen lassen kann.
Beim Werbeträgereinsatz geht es um Kairos. Es geht darum, den richtigen Zeitpunkt für die treffsichere Platzierung von Werbebotschaften zu finden. Die Forschung hat über dieses Thema bisher nur wenige Erkenntnisse ans Licht gebracht. Banalitäten beherrschen die Szene: Klar, dass niemand nachts um drei im Fernsehen für Haferflocken wirbt. Aber für schmuddelige Sexangebote ist das eine gute Zeit. Und für Wintermäntel wirbt man nicht im Frühling. Auch klar. Aber sonst?
Wolfgang J. Koschnick gilt in Deutschland, Österreich und der Schweiz als einer der bestinformierten Kritiker der internationalen Werbeforschung und Werbung. Er hat über 50 anerkannte Nachschlagewerke aus dem weiten Feld von Marketing, Management, Marktkommunikation, Werbe- und Mediaplanung, Markt-, Media- und Sozialforschung geschrieben, mit denen mehrere Generationen von Nachwuchswerbern, Marketingexperten, Werbe- und Mediaforschern ausgebildet werden. Dabei bewahrte er stets seine Unabhängigkeit und eine gewisse Streitbarkeit. Bei Bedarf legt er sich mit Werbungtreibenden, Werbern, Werbeagenturen und sonstigen Interessenvertretern ohne Ansehen der Personen, Organisationen und Institutionen an.
Der 5. Teil der Serie "Wie Werbung wirklich wirkt" erscheint in etwa einer Woche:
Mit der Manipulationskeule der Werbung auf den Fersen