Werden NRW-Unis nun besser geschrumpft?

Kürzungsmaßnahmen im Rahmen einer besseren Marktorientierung treffen nicht nur die Fernuni Hagen

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52 Universitäten gibt es in Nordrhein-Westfalen, das Bundesland zählt noch zu den dichtesten Hochschullandschaften in Europa. Das kann und wird sich aber zügig ändern: ob aus Sparsamkeit oder aus der Einsicht, großen Verbesserungsbedarf zu realisieren, wird nicht ganz klar.

Nicht allein die FernUni in Hagen, auch viele andere Unis in NRW werden kurz und klein verbessert. Unter der Fahne der Marktorientierung - Qualitätspakt NRW - sollen vor allem die Gesamthochschulen eine neue Ausrichtung erhalten. Schon 1998 hatte sich die Hochschulrektorenkonferenz vom Vorbild der der "Volluniversität" verabschiedet und bereitete den Weg für eigenständige regional unterschiedliche Wege ins dritte Jahrtausend. Nunmehr bangen viele westfälische Akademiker: Es ging wohl um ihre Verabschiedung, denn Hagen ist nur die Spitze eines Eisbergs.

Der Sparsamkeitszwang, 2000 Stellen zu streichen, wird nicht offen als Krisen- sondern als Qualitätsmanagement verkauft. Vielleicht ist der starke Rückgang an Studenten und/oder die demographische Ausdünnung der Bundesrepublik schuld. Seit 1998 ist allgemein bekannt, dass eigentlich ca. 10.000 Stellen an den NRW-Universitäten geschaffen werden müssten, um ein einigermaßen erträgliches Verhältnis von Studenten zu Universitätspersonal schaffen zu können. Selbst wenn da "nur" 1000 Stellen für akademisches Lehrpersonal enthalten wären, ist die Stellenstreichung schwerlich als qualitative Maßnahme erklärbar. Vielleicht ist alles schlicht eine Form, Eichels Art der Zukunftsbewältigung wählergerecht zu verpacken.

Wer will, kann sich die schlechten Studenten/Dozentenberhältnisse und die Streichungen in NRW von der Ministerin selbst erklären lassen: Frau Gabriele Behler wird heute, am 21.05.2001, zwischen 14 und 15 Uhr auf dem SPD-Portal im Chat Rede und Antwort stehen. Wer sich beteiligen will, sollte vorher unbedingt einen Blick auf den SPD-Beschluß werfen. Dort wird unter anderem hinsichtlich der Gesamthochschulen Folgendes erklärt:

"Ein Schwerpunkt ihrer strategischen Weiterentwicklung soll zum einen in der Stärkung qualitativ hochwertiger Lehre und Forschung mit starkem regionalen Bezug sein. Ein weiterer Schwerpunkt soll in der Spezialisierung und Profilierung der angewandten Forschung liegen. Der Expertenrat hat empfohlen, im Rahmen der Entwicklung der Gesamthochschulen zu Universitäten Fachhochschulstudiengänge entweder in universitäre Studiengänge umzuwandeln oder an Fachhochschulen zu verlagern. Außerdem sollen die Universitäten mit Gesamthochschultradition ebenso wie die Universitäten Studiengänge generell auf das konsekutive Studiengangsystem umstellen, um damit Durchlässigkeit, erweiterte berufliche Möglichkeiten und internationale Anerkennung zu ermöglichen."

Aber auch die klassischen Unis werden ziemlich in die Mangel genommen, um (endlich?) eine qualitativ hochwertige Lehre zu gewährleisten. An der Uni Köln müssen 146 Leute gehen, was zu verständlichen Bestimmungen führt. Denn nicht nur an der FernUni sind Korrekturzeiten von vielen Monaten für eine Hausrarbeit mittlerweile normal. Die langen Studienzeiten der deutschen Studenten sind in den allerwenigesten Fällen durch schwere Party- und Mallorcaschäden verursacht. Auch das ständige Jobben nebenbei stört die Studenten nachhaltig am Studieren. Aber wenn man ein Semester für eine Hausrabeit braucht und noch eins, um auf den Schein zu warten, dann kommen schnell drei Jahre zusammen, bevor man das Vordiplom überhaupt beantragen kann. Selig, wer in einem bedeutsamen Fachbereich studiert!

Was das bedeutet? Nun, 1000 Stellen der 2000 Streichungen sollen gegenfinanziert werden, indem "gesellschaftlich relevante" Fachbereiche Gelder für Sachmittel erhalten. An der FernUni Hagen ist klar geworden, welche Fächer nicht gesellschaftlich nicht relevant sind, weil sie ersatzlos gestrichen werden: Geschichte, Literaturwissenschaften und Philosophie. Na klar, auch der Ethikrat des Bundesklanzlers besteht ja fast aussschließlich aus Biologen. Ein Schelm wer dachte, dass Ethik seit Aristoteles ein philosophisches Thema sei. War es nicht ein Virologe, der die deontische Logik einführte? Und hatte nicht Immanuel Kant, bevor er den kategorischen Imperativ aufbrachte, Bahnbrechendes in der Saatzucht geleistet? Wenn endlich qualitativ hochwertig ausgebildete Genetiker wieder den Erstsemestern den Unterschied zwischen Moral und Ethik erklären, wird wohl auch wieder der alte Mendel herangezogen werden. Der war ja - genau - Theologe!