Weshalb der Tunesien-Deal den Rechtsruck der EU belegt

Migrationsabkommen setzt vor allem auf Abschreckung. Pakt mit einem rechten Verschwörungsanhänger. Was das für die europäischen Werte bedeutet.

Als weiteren "Schritt zur Barbarisierung" bezeichnet Christian Jakob in der linksliberalen taz den Flüchtlingsdeal der EU mit der tunesischen Regierung. Die EU will Tunesien Millionen zahlen, damit das Land die Flucht von Migranten in die Festung Europa verhindert.

Damit soll ein Zustand wiederhergestellt werden, der vor dem sogenannten Arabischen Frühling herrschte. Damals sorgte das autoritäre tunesische Regime dafür, dass möglichst wenige Flüchtlinge den Transit in die EU antreten konnten.

Deshalb versuchten verschiedene EU-Länder, allen voran Frankreich, das Regime an der Macht zu halten. Sie konnten aber den Umbruch nicht verhindern, der vor allem ein Elitenwechsel war. Innerhalb des Landes konkurrierten islamistische und säkulare Gruppen.

Während liberale Kreise Tunesien lange als Musterbeispiel für eine demokratische Entwicklung nach dem Arabischen Frühling feierten, wuchs in der tunesischen Bevölkerung die Unzufriedenheit, vor allem weil sich ihre soziale Lage nicht verbesserte.

Davon profitierte der rechtskonservative Kais Saied, der gegen alle Regierungsparteien antrat und gewann. Er löste bald das parlamentarische System ab und etablierte eine autoritäre Präsidentschaft.

Wie groß sein Rückhalt in der Bevölkerung noch ist, bleibt unklar; die Abstimmung über die neue Verfassung wurde jedenfalls nur von einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung wahrgenommen, ebenso die Neuwahlen.

Rassismus und Verschwörungstheorien

Wie alle Rechtspopulisten versucht Saied, sich mit Rassismus und Verschwörungstheorien an der Macht zu halten. Damit will er davon ablenken, dass sich auch unter seiner autoritären Präsidialherrschaft die soziale Lage der Bevölkerungsmehrheit nicht verbessert hat.

Im Gegenteil: Immer wieder spricht Saied deshalb von einer Verschwörung des Auslands gegen Tunesien. Teil dieser Konspiration seien auch die Migranten, die aus vielen afrikanischen Staaten in Tunesien stranden.

Dabei vertrat der tunesische Präsident immer wieder auch Thesen, wie sie in vielen europäischen Ländern von ultrarechten Gruppierungen vertreten werden. So fabulierte auch Saied von einem großen Bevölkerungsaustausch.

Saieds Hetze gegen Flüchtlinge führte unmittelbar zu Übergriffen auf diese durch Teile der Bevölkerung. Hier zeigt sich auch, wie die rassistische Kampagne als Modell der Herrschaftssicherung funktioniert. Die Menschen im Land, deren soziale Lage sich nicht verbessert hat, haben nun Sündenböcke.

Dazu kommt, dass die Staatsorgane und die Polizei diese Menschen im Niemandsland an den Grenzen zu den Nachbarländern in der Wüste aussetzen, und das bei sengender Hitze. Glücklicherweise gab es auch in Tunesien solidarische Initiativen, die die egalitären Prinzipien des arabischen Frühlings nicht vergessen hatten. Sie retteten einige hundert in die Wüste getriebene Menschen vor dem Verdursten.