Wettlauf um den Mond: Geopolitik im All

Seite 3: Artemis und USSF (US Space Force)

Das von der NASA 2020 vorgestellte Artemis-Team war, so Marshall, primär bemüht um Diversität. Von den 18 Menschen waren die Hälfte weiblich, vier People of Colour und nur zehn waren aktive Soldaten.

Lastesel von Artemis wird das 2022 erfolgreich getestete NASA-SLS (Space Launch System), deren stärkste je gebaute Rakete, mit der Orion-Kapsel. Geplant ist für 2030 die Lunar-Gateway-Raumstation in der Mondumlaufbahn, von der aus die Mondstation leicht erreichbar wäre.

Die unter Ägide von Donald Trump 2019 gegründete USSF (US Space Force) soll als sechste Streitmacht neben Air Force, Army, Navy, Marines und Coast Guard die US-Basen Outer Space schützen.

Bereits 2008 demonstrierten die USA durch Abschuss ihres eigenen Spionagesatelliten USA-193, "der immerhin so groß wie ein Autobus war", die Wirksamkeit ihrer Antisatellitenwaffen. Die Chinesen hatten 2007 einen ihrer Wettersatelliten im All zerstört. "Die militärischen Kapazitäten der USA in diesem Bereich haben sich alljährlich verbessert", so Marshall.

Was die chinesische Gefahr angeht, ist Tim Marshall sich mit der USSF offenbar einig, denn bei deren Antisatelliten-Demonstration "waren die anderen weltraumfahrenden Nationen über die zahllosen Trümmerteile entsetzt, die dadurch freigesetzt wurden".

Als US-Präsident Bush Jr. seinen fetten Spionagesatelliten zerstören ließ, der zudem noch eine halbe Tonne Treibstoff an Bord hatte, fand Marshall dies weniger schlimme: "Trümmerteile wurden herumgeschleudert, wenn auch nicht im selben Maße wie ein Jahr zuvor beim Einsatz der chinesischen KVV. Peking und Moskau betrachteten die Operation Burned Frost als Fortsetzung von Amerikas Kalten-Kriegs-Aktivitäten im Weltraum."

Die Nato erweiterte 2019 ihre vertraglich definierten Einsatzräume auf das Weltall und eröffnete 2021 in der US-Basis Ramstein (Rheinland-Pfalz) das Nato Space Centre. Hier soll unter anderem über die Sicherheit westlicher Satelliten gewacht werden.

Der Nato-Gipfel 2021 erweiterte in aller Stille den entscheidenden Artikel 5 des Nato- Vertrags, der die Beistandsverpflichtungen der Bündnispartner enthält, um den Weltraum.

Tim Marshall

Weltraumkriege: Ein Szenario der Zukunft?

In seinem Kapitel über "Weltraumkriege" entwirft Tim Marshall ein mögliches Szenario für den ersten Waffengang zwischen Nato und Russland, dessen Raumfahrt er heute "im Rückwärtsgang" sieht: Die Russen wollen ihren Teil vom Kuchen der Mondrohstoffe und versuchen, bei der britischen Mondsüdpol-Station zu landen.

Die Briten haben sich dort am "Shackleton-Krater gemäß Artemis-Accords eine "Sicherheitszone" abgesteckt und blockieren listig die Landebahn. Die russischen Angreifer gehen in die Falle, ihr Landefahrzeug kracht in einen Rover und zerbricht: "Als das britische Rettungsteam den vorderen Teil untersucht, finden die Männer sechs tote Russen ...".

Soweit die kriegerischen Fantasien eines Geopolitikers, der auch im Outer Space vorwiegend die alten Kämpfe um koloniale und imperiale Vorherrschaft sehen kann. Eine Berufung auf den Weltraumvertrag fällt dem BBC-Strategen Marshall eigentlich nur dann ein, wenn die USA drohen, sich im erdnahen Raum als solare Highway-Patrol aufzuspielen.

Da verweist er (leider ohne Quellenangabe) auf ein "inzwischen freigegebenes ehemals geheimes Dokument der Amerikaner", wo das Pentagon "von einem unterirdischen Stützpunkt auf dem Mond" geschwärmt hätte, "wo ein Earth Bombardement System stationiert werden könnte".

Dagegen sind die russischen und chinesischen Pläne einer internationalen Mondstation nach der Idee des "Monddorfes" des deutschen ESA-Direktors J.D. Wörner maßvoll und auch Berliner und ESA-Pläne weit friedlicher (sogar die DHL steuert ihre werbewirksamen Moon-Boxen bei); sie sind zudem wohl weiter auf das Dokument bezogen, auf das auch Moskau und Peking gegenüber geplanten lunaren Artemis-"Sicherheitszonen"-Claims pochen:

Der Weltraumvertrag ist auch heute noch ein völkerrechtliches Schlüsseldokument für die friedliche Nutzung des Weltraums und die Rüstungskontrolle im Weltraum.

Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB)

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