Wettrüsten in "asymmetrischen Konflikten"
Die Hisbollah hat erstmals eine Aufklärungsdrohne über Israel fliegen lassen
Bislang hatten die staatlichen Truppen und Sicherheitskräfte in den "asymmetrischen Konflikten" den Vorteil, zahlenmäßig und technisch erdrückend überlegen zu sein. Der Guerilla- und Terrorkrieg, mittlerweile vornehmlich in Städten, ist für Rebellen die einzige Möglichkeit, Widerstand durch punktuelle, medienwirksame Anschläge zu leisten, die Angst auslösen und die Sicherheit oder das Vertrauen in die staatliche Autorität des Machtmonopols untergraben. Wie zu erwarten, greifen mit sinkenden Kosten nun auch Terroristen oder Aufständische zu den Technologien, die bislang ausschließlich den überlegenen Kräften zur Verfügung standen.
Vermutlich erstmals haben Widerstandskämpfer oder Terroristen gestern eine Drohne eingesetzt. Die Hisbollah ließ ein unbemanntes Aufklärungsflugzeug am Tag über Nordisrael Erkundungsflüge durchführen. Die "Mirsad-1" flog bis Nahariya und soll schließlich unbeschädigt zu ihrem Startpunkt in Südlibanon zurück gekehrt sein.
Die israelische Armee bestätigte, dass am Sonntag eine Drohne in den israelischen Luftraum eingedrungen ist. Allerdings wird von den IDF behauptet, wie Haaretz berichtet, dass die Drohne beim Rückflug ins Meer gestürzt sei. Libanesische Fischer hätten den Absturz beobachtet.
Wichtig ist der israelischen Armee der Hinweis, dass die Drohne aus dem Iran stammt. Der Flug gehöre zu den "terroristischen Aktivitäten, die von der Terrororganisation Hisbollah mit der Unterstützung von Iran und Syrien sowie unter dem Schutz des Libanon mit dem Ziel ausgeführt werden, israelische Bürger anzugreifen". Der Libanon wird gewarnt, dass dies ein weiterer Beweis für die nachlässige Kontrolle des Libanon über die Aktivitäten sei, die auf seinem Territorium geschehen. Das könne dem Land und seinen Bürger Schaden verursachen. Weiter heißt es warnen:
Der Staat Israel nimmt jede Infiltration in sein souveränes Territorium aus der Luft, vom Meer oder über Land sehr ernst und wird reagieren, um die Sicherheit seiner Bürger zu sichern.
Die Hisbollah erklärt zum Erkundungsflug der Drohne, dass diese "qualitativ neue Errungenschaft" als "normale Reaktion" auf die Verletzung des libanesischen Luftraums durch Israel erfolge. Die israelische Luftwaffe fliegt immer wieder bis in den Libanon und droht mit Angriffen. Man sei, so Hisbollah, über das "besetzte Nord-Palästina, über mehrere zionistische Siedlungen und bis zu Nahariya an der Küste" geflogen. Und Hisbollah kündigt an, nach Belieben weitere Flugzeuge über Israel fliegen zu lassen. Israel ist einer der führenden Hersteller von Drohnen und setzt diese auch zur Ausführung von "gezielten Tötungen" ein.
Drohnen haben den Vorteil, dass sie zu klein sind und zu tief fliegen können, um vom militärischen Radarstellungen erkannt zu werden. Noch sind die Drohnen unbewaffnet und können so nur dazu dienen, das Gelände etwa in Vorbereitung für Anschläge auszuspähen. Der nächste Schritt der Bewaffnung ist aber vorhersehbar. Dann müssten Terroranschläge nicht mehr mit selbstmordwilligen "Märtyrern" durchgeführt werden, um die Sicherheitsvorkehrungen auszutricksen und mit hoher Wahrscheinlichkeit "erfolgreich" zu sein, sondern man könnte relativ kleine Drohnen mit Sprengsätzen in die gewünschten Ziele steuern. Bislang hatte Hisbollah mit Katyusha-Raketen, die eine Reichweite von etwa 20 km, aber nur eine sehr geringe Zielgenauigkeit besitzen, immer wieder vom Libanon Israel beschossen. Angeblich soll Hisbollah an die 8.000 Raketen unterschiedlicher Typen besitzen.
Werden die Drohnen billig genug und sind sei einfach zu bedienen, so könnten Angriffe auch gleichzeitig mit mehreren bewaffneten Drohnen erfolgen, die dann überall und jederzeit zuschlagen und so Panik verbreiten könnten. Und würden Drohnen schließlich noch mit chemischen, biologischen oder "schmutzigen" Bomben bestückt, so wäre deren tatsächliche Wirkung vernachlässigbar gegenüber der Panik und Verunsicherung, die sie auslösen können. Der von der Bush-Regierung mit vielen Milliarden Dollar und großer Eile vorangetriebene Abwehrschirm wäre, sollte er überhaupt gegen Langstreckenraketen wirksam sein ("Sie starten eine Rakete, wir schießen sie ab"), eine teure Scheinabwehr, die sich mit Drohnen leicht austricksen ließe (Warum auch militärisch die teure Großtechnologie ein Auslaufmodell sein könnte).
So sind auch asymmetrische Konflikte durch ein Wettrüsten in Bezug auf Strategien, Waffen, Abwehrmaßnahmen und Aufklärung/Überwachung gekennzeichnet, allerdings ein Wettrüsten, das weitaus weniger kontrollierbar ist, weil die "schwachen" Kräfte, die auch aufgrund der übergroßen Macht ihrer Gegner das Recht und die Moral auf ihrer Seite wähnen, Terroranschläge auszuführen, zu den Mitteln greifen werden, die ihnen zur Verfügung stehen. Und auch in der Konkurrenz der Terroristen wird es immer eine Gruppe oder vielleicht auch nur Einzelne geben, die einen Schritt weiter gehen, zumal wenn der Kampf auf religiösem Hintergrund geschieht.