Wie Gentechnik die Landwirtschaft im Klimawandel retten soll

Dürren und steigende Temperaturen führen zu Ernteausfällen und wirtschaftlichen Einbußen. "Grüne Gentechnik" soll helfen. Doch für die Landwirte könnte sie sich als Bumerang erweisen.

Der Klimawandel und der damit verbundene Wassermangel machen den Landwirten in vielen Teilen Europas zu schaffen. Es fällt ihnen schwer, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Ihr Blick richtet sich nun auf Nutzpflanzen, die mit steigenden Temperaturen, zunehmender Trockenheit oder eingewanderten Schädlingen zurechtkommen.

Doch die konventionelle Züchtung benötigt viel zu lange, um rechtzeitig reagieren zu können, beklagen Züchter. Und schon unter den bisherigen klimatischen Bedingungen konnte in Deutschland nur etwa ein Drittel des Obstes und Gemüses angebaut werden, das hier verzehrt wird.

Die Hoffnungen von Teilen der Lebensmittelindustrie liegen auf anderen Gebieten: Proteine aus Insekten oder Lebensmittel für den menschlichen Verzehr aus dem 3D-Drucker.

In Deutschland stoßen solche Ideen auf wenig Begeisterung. Da hilft es auch wenig, dass etwa Insekten als Nahrungsmittel in Asien verbreitet sind. Auch in der Schweiz werden seit 2017 Lebensmittel aus Würmern verkauft und Schnecken sind in Deutschland nicht nur beim jährlichen Schnecke-Fescht als Delikatesse beliebt.

In der Pflanzen- und Tierzucht ist es seit Langem üblich, auf natürliche Weise erwünschte Ergebnisse zu erzeugen. Mit Gentechnologien ist es jedoch möglich, Organismen zu erzeugen, deren Genom auf molekularer Ebene präzise verändert wurde. Ein wichtiger Meilenstein für die neue Gentechnik war die Entwicklung der Genschere Crisp/Cas im Jahr 2012.

Bei diesen gentechnisch veränderten Organismen (GMO) werden in der Regel Gene von anderen, nicht verwandten Arten eingebaut. Dadurch erhalten sie Eigenschaften, die sie durch herkömmliche selektive Züchtung nicht bekommen würden.

Bei der neuen Gentechnik, die oft auch als grüne Gentechnik bezeichnet wird, will man Akzeptanzprobleme von vornherein vermeiden und die damit erzeugten Lebensmittel vom geltenden Gentechnikrecht ausnehmen.

Sie sollen daher nicht besonders gekennzeichnet werden. Bereits heute muss Käse, der mit gentechnisch hergestelltem mikrobiellem Lab hergestellt wurde, nicht entsprechend gekennzeichnet werden.

Neue Gentechnik reduziert Bedarf an Pestiziden, sagen deren Hersteller

Die Behauptung, Gentechnik helfe, Pflanzen resistent gegen Krankheiten oder den Klimawandel zu machen, wird von den einflussreichen Herstellern weitgehend unwidersprochen behauptet.

Dass die Reduzierung der Vielfalt als Folge der Gentechnik in der industrialisierten Landwirtschaft den Genpool erheblich verkleinert und damit abhängig macht von wenigen industriell gefertigten Saatgutsorten, wird gerne übersehen. Wenn dann die natürliche Evolution Schädlinge gegen diese hochgezüchteten Nutzpflanzen hervorbringt, gibt es kein Ausweichen auf andere Zweige mehr.

Noch gibt es für fast alle Pflanzen einen großen Genpool. Bei der Züchtung neuer Sorten kann man darauf zurückgreifen und solche bevorzugen, die mit dem Klimawandel gut zurechtkommen. Wenn sich dadurch die deutsche Küche in Richtung Mittelmeer verändert, dürfte das der Gesundheit hierzulande eher zuträglich sein.

Die neue Gentechnik verspricht jedoch, dass sich durch ihren Einsatz für den Verbraucher nichts ändert und trifft damit einen Zeitgeist, der Veränderungen eher vermeidet, auch wenn sie durch veränderte Rahmenbedingungen eher notwendig wären. Mit der derzeit von der EU favorisierten Akzeptanz der Gentechnik in der europäischen Landwirtschaft müssen sich die Bürger hierzulande jedoch auf einen grundlegenden Wandel einstellen.

Während in der EU bislang das Vorsorgeprinzip gilt und ein Anbieter die Unbedenklichkeit seiner Produkte für Mensch und Umwelt nachweisen muss, scheint man in der Landwirtschaft nun auf das US-amerikanische Modell umzuschwenken.

Dort muss derjenige, der sich durch ein Produkt geschädigt fühlt, dies vor Gericht beweisen. Die Verlagerung des Produktrisikos vom Hersteller auf den Verbraucher wird allgemein als innovationsfreundlicher angesehen, da neue Produktideen so schneller auf den Markt gebracht werden können. Ob diese Änderung vor europäischen Gerichten Bestand haben wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Patentierung von grüner GMO untersagen?

Wirtschaftspolitisch erwünscht ist die Akzeptanz der industriellen Landwirtschaft. Die neue Gentechnik weckt aber bei kleineren Züchtern die Skepsis, in einem von Großkonzernen dominierten Markt kaum Chancen zu haben. Zumal sie für eigene Züchtungen Lizenzgebühren an die Patentinhaber zahlen müssen und damit in der Verwertung ihrer Zuchterfolge eingeschränkt sind.

Der Einsatz der Crisp-Genschere stellt für diese Züchter noch die geringste Hürde dar, da es spezialisierte Dienstleister gibt, die ihnen diese Arbeit abnehmen. Das größte Risiko dürfte die Wildbestäubung in der freien Landschaft darstellen. Saatgutkonzerne verlangen zum Teil auch dann Lizenzgebühren, wenn die Wildbestäubung durch gentechnisch veränderte Pflanzen erfolgt ist.

Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung der neuen Gentechnik wäre die einfache Eliminierung der gesamten Biolandwirtschaft in Europa, da diese sich dem Einfluss der GMO kaum mehr entziehen könnte. Bio könnte dann nur noch aus Regionen kommen, die vor Gentechnik geschützt werden können.

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