Wie Griechenland die Super-Inflation bekämpft, aber Energie-Profite schützt
Angesichts von zwölf Prozent Teuerung stützt die griechische Regierung die Gaspreise, fördert Heizöl und hofft auf ein "Gentlemen Agreement" mit Supermärkten – während die Energie- und Strompreise überdurchschnittlich steigen. Die Ruhe im Land könnte im Winter verschwinden.
Gaskunden, zumindest die in Privathaushalten in Griechenland, können aufatmen. Der größte Gasanbieter des Landes, die staatliche kontrollierte DEPA, legte den Preis für Erdgas, den private Haushalte zu zahlen haben, auf elf Cent pro Kilowattstunde fest. Im Preis berücksichtigt wurde der staatliche Zuschuss von neun Cent pro Kilowattstunde. Die Regierung in Athen bekämpft die hohen Verbraucherpreise – die vor allem seit dem Beginn der Invasion des russischen Militärs in die Ukraine explosiv anstiegen –, mit staatlichen Prämien.
Medienphänomen: Die Nea Dimokratia als "Fels in der Brandung"
Bislang geht das Rezept auf. In Wahlumfragen liegt die regierende Nea Dimokratia trotz des Abhörskandals weiter mit Abstand auf dem ersten Platz. Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ALCO zeigt die Nea Dimokratia mit 31,2 Prozent 8,3 Prozentpunkte vor der größten Oppositionspartei SYRIZA, die nur auf 22,9 Prozent kommt.
Dahinter folgen die sozialdemokratische PASOK mit 11,4 Prozent, die kommunistische Partei mit 5,6 Prozent, die rechtspopulistische Griechische Lösung mit 5,1 Prozent und MeRA25, die Partei von Yanis Varoufakis mit 3,2 Prozent. Die Wahlen stehen spätestens im Frühsommer 2023 an. Bislang schließt Premierminister Kyriakos Mitsotakis vorgezogene Neuwahlen aus, wie sie in Griechenland oft bei Krisen und nach einer Häufung von Skandalen üblich sind.
In der Umfrage von ALCO äußern 94 Prozent der Befragten, dass die steigenden Preise sie dazu gezwungen haben, ihre Einkäufe von Grundbedarfsartikeln zu reduzieren. Ebenso hoch, 94 Prozent, ist die Zahl derer, die sich über einen Anstieg von Wucher und Krisengewinnlern ärgern. Nur vier Prozent haben keine Angst vor dem kommenden Winter.
Auf ähnlich hohem Niveau bewegt sich die Zahl der Befragten, die einen Anstieg der Kriminalität beobachten. Dagegen scheinen 31 Prozent der Befragten keinerlei Angst vor einer möglichen militärischen Auseinandersetzung mit dem Nato-Partner Türkei zu haben. Und das trotz einer Dauerberieselung mit aggressiven Wahlkampfreden des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seiner Regierungsmitglieder.
Am vergangenen Freitag fand im Parlament anlässlich der explosiven Teuerungsrate eine große Aussprache zwischen Mitsotakis und Oppositionsführer Alexis Tsipras statt. Tsipras warf Mitsotakis vor, die mit staatlichen Geldern, und somit den Steuern der Bürger finanzierte Förderung als eigenen Erfolg zu vermarkten, statt konsequent Übergewinne zu besteuern.
In der Debatte wurde unter anderen thematisiert, dass mit Steuergeldern Strompreise von mehr als einem Euro pro Kilowattstunde finanziert werden, und dass die Preisentwicklung für Energie in Griechenland nicht immer mit den internationalen Preisen korreliert, zumindest dann nicht, wenn weltweit die Preise sinken. Tsipras verwies darauf, dass die Energiepreise in Griechenland bereits vor dem Februar 2022 erheblich anstiegen. Solche Details werden in griechischen Talkshows eher selten thematisiert.
Neuinstallation von Ölheizungen wird gefördert
Es gibt, zumindest bei den großen landesweiten Fernsehsendern, keine und nur sehr selten kritische Fragen von Journalisten an Regierungsvertreter. So wird nahezu kritiklos wiederholt, dass die Regierung Ölheizungen und auch die Rückkehr von Gas zurück zum Heizöl gezielt fördert. Sicherlich, bis zu 1.600 Euro staatliche Prämie gibt es für Privathaushalte, die 2022 Heizölheizungen reaktivieren oder neu installieren.
Aber "Bestandskunden", die im Rahmen der Staatspleite von 2010 im Zuge der Verdopplung der Heizölbesteuerung eine Förderung erhalten haben, bekommen diese Saison maximal 800 Euro. Maximalbeträge werden auch nur in solchen Regionen ausgezahlt, die aufgrund der klimatischen Bedingungen besonders niedrige Temperaturen zu erwarten haben. Je wärmer das Klima am Wohnort ist, umso geringer fällt die Förderung aus.
Dazu kommen Einkommenskriterien für die Förderung. Bestandskunden dürfen als Ledige bis zu 16.000 Euro Jahreseinkommen beziehen. Für die "Neukunden" gilt eine Grenze von 14.000 Euro. Verheirate Nutzer von bestehenden Ölheizungen können bis zu 24.000 Euro verdienen, bei neuen Nutzern liegt die Grenze bei 20.000 Euro. Pro Kind dürfen zudem 3.000 Euro jährlich angesetzt werden.
Für alle Verbraucher von Heizöl gibt es zusätzlich eine Prämie von 25 Cent pro Liter in diesem Jahr. Diese wird direkt beim Kauf von der Rechnung abgezogen. Dagegen muss die einkommensabhängige Förderung ab Ende November per Internet beim Staat beantragt werden. Dafür wurde eigens MyThermansi, eine spezielle Unterseite auf der Präsenz der Finanzämter eingeführt.
Während Heizöl nun staatlich gestützt wird, lief die Förderung von Diesel Anfang Oktober aus. Der Dieselpreis ist deswegen innerhalb der ersten beiden Oktoberwochen um knapp 18 Prozent gestiegen. Am Dieselpreis hängen die Transportpreise, sowie für Handwerksbetriebe und Taxis. Das bewog die Regierung dazu, erneut über eine Dieselpreisförderung direkt an der Zapfsäule zu diskutieren.
Avisiert wird eine staatliche Förderung von 15 Cent pro Liter Diesel direkt an der Zapfsäule. Zudem sickerte durch, dass die Förderung von Heizöl von 25 auf 50 Cent steigen soll. Eine Senkung der Mineralölsteuern, wie auf Zypern bereits zu Beginn der Krise beschlossen, schließt die griechische Regierung aus.
Das führt zu der paradoxen Situation, dass auf Zypern, wo das Lohngefüge höher als in Griechenland ist, die Kraftstoffe, die aus Griechenland importiert werden, weniger kosten als in Griechenland selbst. Gleichzeitig werden für Kraftstoffe auf den griechischen Inseln bis zu 40 Cent pro Liter mehr verlangt verglichen mit Athen, unter dem Vorwand der hohen Transportkosten.
Gentlemen Agreement mit den Supermärkten
Die Inflation betrifft nicht nur die Kraftstoffe. Für Nahrungsmittel mussten die Verbraucher vor der Krise durchschnittlich 35 Prozent ihres verfügbaren Einkommens aufbringen. Dass Produkte des täglichen Bedarfs wie Milch und Eier vom September 2021 bis zum September 2022 um 23,3 Prozent teurer wurden, stellt viele vor eine existenzielle Herausforderung.
Für 50 Produkte des täglichen Bedarfs hat die Regierung mit den führenden Supermarktketten ein Preismoratorium vereinbart. Demnach sollen die Preise für diese Güter "nicht oder nur moderat" ansteigen. Wie sich diese flexibel interpretierbare Definition des "Gentlemen Agreement" genau im Portemonnaie der Verbraucher zeigen wird, ist noch nicht bekannt. Auch hier gilt, wie für die meisten Maßnahmen der Regierung hinsichtlich der Teuerung, dass es noch sehr volatil ist.