Wie christenfreundlich ist die CDU?
Seite 2: Der Pilgerweg geht weiter und lässt sich nicht zensieren
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Der Kreuzweg für die Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler (4. Juli - 1. August 2021) ist gottlob nicht gestoppt und wird sich auch nicht das Recht nehmen lassen, eine Religion frei auszuüben, deren Auftrag der Schutz des verwundbaren, heute durch rücksichtlose ökonomische Komplexe bedrohten Lebens ist.
Das Ökumenische Institut für Friedenstheologie, dessen Moderationsteam ich angehöre, hat als Unterstützerin des Pilgerweges in Etappen einen Offenen Brief an den NRW-Innenminister geschrieben. Der Text wird am Ende dieses Debattenbeitrags ungekürzt dokumentiert.
Unser Institutskollege Prof. Thomas Nauerth berichtet von seiner Teilnahme an der "Etappe Lünen - Datteln" am Sonntag:
Wir wollten auch sehen, ob ein katholischer Theologe hierzulande noch mit Papstzitaten spazieren gehen darf. Die Gruppe ist stark durchgeschüttelt von den Ereignissen, aber sie macht weiter, auch die verletzte Frau war wieder dabei, wenn auch mit Rad als Gehhilfe und teilweise im Auto. Zwei andere ältere Frauen haben übrigens vom polizeilichen "Festhalten" deutlich sichtbare Hämatome am Oberarm. Selbst klagen wegen Körperverletzung wollen sie nicht, aber es sind eben drei Klagen anhängig wegen Widerstand gegen Staatsgewalt usw. Noch sind diese Anzeigen nicht zurückgezogen! (…)
Die Polizei ist weiter hochnervös. In Lünen und Datteln stehen die beiden letzten neu gebauten Kohlemeiler, vor Datteln war mit lokaler Bürgerinitiative und Musikern eine Kundgebung geplant (und angemeldet!). Am Tag kamen immer wieder Meldungen durch, von Schikanen der Polizei, die seit dem Morgen den Meiler bewachte, Personenkontrolle bei Radfahrern mit Anti-Kohle Aufkleber: "Wir haben Sie im Blick"; Durchsuchung des Begleitfahrzeugs usw.
Wir wurden von Polizeibooten auf dem Kanal und einer Hundertschaft (!!!) Polizei empfangen. Surreal, wir waren knapp 20 Pilger, durchaus älteren Baujahrs. Die Gruppe hatte sich schriftlich gegen die Auflage bzgl. Misereor-Plakat und Papstaussage gewandt und wir haben beide Transparente gestern mitgeführt. Die Polizei hat es "geduldet".
Die Gruppe war sehr überwältigt von aller Solidarität. Und ich muss sagen, ich war beeindruckt von der "Frömmigkeit", die in dieser Gruppe immer wieder zu spüren war, ungeachtet, welche kirchlichen (Nicht-)beheimatungen vorliegen (…).
apl. Prof. Dr. theol. Thomas Nauerth
Man stelle sich vor, mit ähnlicher Entschiedenheit würden die staatlich noch immer privilegierten Großkirchen - abseits folgenloser Predigtsalven - die ökologischen Aufrufe des Papstes und der globalen Ökumene hierzulande in die Öffentlichkeit tragen und sich selbst verpflichten, jegliche Zusammenarbeit mit allen Komplexen zu verweigern, die unseren Lebensraum zerstören.
Dann würde der Wahlkampf-Herbst in deutschen Landen wohl ein wenig bunter werden.
Weltkirchlich orientierte Christ:innen sollten sich auf eisige Zeiten vorbereiten
Die Anzeichen mehren sich, dass Christ:innen, die mit einer Ausrichtung an Jesus von Nazareth Ernst machen, sich auf eisige Zeiten vorbereiten müssen. Zum biblisch beurkundeten Auftrag christlicher Gemeinschaften gehört es vordringlich, die Einheit des ganzen Menschengeschlechts zu bezeugen und bedrohten Migranten Schutz zu gewähren. Freie Religionsausübung heißt in diesem Fall, ein Recht auf mitmenschliche Praxis wahrzunehmen.
Der CDU-Politiker und prominente Protestant Thomas de Maizière, von den Großkirchen unverdrossen auf Kirchentagen hofiert, ist seit langem Vorreiter einer Kampagne gegen die Gewährung des Kirchenasyls. Nonnen, die nicht parieren, werden vor Gerichten z.B. in Bamberg oder in Würzburg angeklagt.
Christinnen, die Menschengeschwister aus anderen Ländern schützen, wurde jüngst durch einen Richter ganz gemäß "de Maizere-Logik" vorgeworfen, sie wollten eine theokratische Rechtsordnung beanspruchen.
Anders ausgerichtete Kreise des sich auflösenden Bürger- und Behördenkirchentums folgen ganz der in Deutschland so "traditionsreichen" Nationallinie, als wenn es weder Weltkirche noch globale Ökumene gäbe. Man erprobt seinen enormen "Mut" einzig auf dem Feld der - so lange verschleppten - innerkirchlichen Reformen und beschränkt sich bei den großen Zivilisationsfragen der Menschheit (Ökologie, Wirtschaft, Frieden) auf nichtssagende Pressemitteilungen ohne Konfliktpotential und ohne Konsequenzen.
Die katholische Militärministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verfolgt bezogen auf deutsche Atomwaffendepots, den rasanten Aufrüstungskurs und neue Militärtechnologien das genaue Gegenteil dessen, was Papst Franziskus der menschlichen Zivilisation im Namen Jesu und der Vernunft vorschlägt.
Zur Belohnung für diese irrationale Politik der militärischen Heilslehre, die Problemlösungen angesichts der ökologischen Katastrophenszenarien auf dem Planeten sabotiert, ist die Ministerin in diesem Jahr erneut in das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gewählt worden. Als weltkirchlich ausgerichteter Katholik sehe ich mich durch dieses weithin von CDU-Mitgliedern und anderen bürgerlichen Polit-Akteuren dominierte Laiengremium mit quasi-staatskirchlichem Selbstverständnis nicht vertreten.
Textdokumentation:
Offener Brief aus dem Ökumenischen Institut für Friedenstheologie an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Herrn Herbert Reul
25. Juli 2021
Betr.: Polizeieinsatz gegen Christinnen und Christen des "Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler"
Sehr geehrter Herr Minister Reul,
mit Schrecken, Entsetzen und völligem Unverständnis haben wir Kenntnis erhalten von dem Polizeieinsatz gegen Teilnehmer:innen des "Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler". Unser Ökumenisches Institut für Friedenstheologie gehört zum Kreis der Unterstützer-Organisationen dieses Pilgerweges, auf dem sich Christ:innen und Nichtchrist:innen im Rahmen einer großen Ökumene für Klimagerechtigkeit, für die Bewahrung der Schöpfung und ein Leben in Fülle für alle einsetzen. Sie stehen damit in völliger Übereinstimmung mit dem Programm der Pilgerwege des Ökumenischen Rates der Kirchen und den Herzensanliegen von Papst Franziskus.
Wir verurteilen auf Schärfste den Polizeieinsatz gegen Christinnen und Christen auf einem Pilgerweg vor dem Schloss Oberwerries. Ausgangspunkt des Konfliktes ist hier nach den uns vorliegenden Informationen eindeutig die Polizei des Landes NRW.
Dieser Polizeieinsatz ist unseres Erachtens ein eklatanter Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Recht auf "die ungestörte Religionsausübung", die laut Artikel 4. Abs 2 "gewährleistet wird" in Verbindung mit Art 19 Abs. 2: "In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt (!, Hervorhebung von uns) angetastet werden." Es handelt sich hier u. E. nicht lediglich um einen Rechtsbruch seitens staatlicher Organe, sondern um einen Eingriff in verbriefte Grundrechte unserer verfassungsmäßigen Ordnung.
Und dies geschieht in einem Bundesland, das 1. ein Versammlungsgesetz gerade versucht zu verabschieden, das verfassungsrechtlich hoch umstritten ist, und 2. von einem Ministerpräsidenten regiert wird, der Mitglied einer Partei ist, die das Prädikat "christlich" für sich reklamiert und deshalb wissen müsste, aufgrund welcher historischer Erfahrungen die Inhalte des Art 5 GG in Verbindung mit Art 19 GG Eingang in die Verfassung gefunden haben. Wir bitten Sie, Herr I nnenminister Reul deshalb - trotz Ihrer weitreichenden aktuellen Aufgaben im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Nordrhein Westfalen und Rheinland Pfalz - dringend, um die Wahrung des Rechtsfriedens wieder herzustellen - zum einen um eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge des Polizeieinsatzes gegen die Pilger:innen des "Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler", zum anderen in Übereinstimmung mit der Evangelischen Kirche von Westfalen um eine sofortige, vollständige und rechtswirksame Garantie für die - unter den gegenwärtigen Bedingungen - grundgesetzlich garantierte Durchführung des "Kreuzweges Schöpfung von Gorleben nach Garzweiler" ohne weitere polizeiliche Maßnahmen.
Wir haben uns angesichts des u. E. grundgesetz-widrigen Polizeieinsatzes auch mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie in Verbindung gesetzt, dem Mitglieder unseres Institutes ebenfalls angehören.
Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen für Ihr Amt Für das Ökumenische Institut für Friedenstheologie:
Dipl. theol. Peter Bürger, Pfr. Dr. Matthias Engelke, Dr. phil. Gudula Frieling, Prof. em. Dr. Gottfried Orth, Rainer Schmid (evang. Theologe); Prof. Dr. Stefan Silber - Unterschrift nach Rückkehr vom Pilgerweg: apl. Prof. Dr. theol. Thomas Nauerth.