Wie der "Geldflut" begegnet wird

Seite 2: Starke Währung

Der theoretische Spott über ein tatsächliches Dilemma und über das "Instrument", das die EZB Ende Juli dagegen aus dem Hut ziehen will, macht die praktischen Schäden einer Wirtschaftsweise für und mittels Geld leider nicht wett. Außerdem sollte man die Bedeutung der Notenbankpolitik nicht ungebührlich überschätzen.

Selbst wenn Herr Erdogan eine Zinswende nach Lehrbuch zulassen würde, dürfte er mit der Auswirkung auf den Kurs der Lira weiterhin unzufrieden sein. Denn der Wert einer Währung ergibt sich nicht aus der monetären Kunstfertigkeit seiner Hüter, sondern aus dem erfolgreichen Zusammenspiel von kapitalistischem Geschäft und staatlicher Gewalt.

Der Staat hat die Zentralbank bei der Herausgabe des gesetzlichen Geldes zwar darauf verpflichtet, getrennt von den Regierungsgeschäften eigenständig auf dessen Brauchbarkeit und Wertbeständigkeit zu achten. Ob er damit eine starke Währung in die Hand kriegt und dort behält, entscheidet sich aber nicht an der Höhe der Leitzinsen oder Mindestreserven und am Umfang der Wertpapierankäufe.

Die Musik spielt dort, wo die heimischen und globalen Geschäftsinteressen unter staatlicher Betreuung den nationalen Standort zum Exportchampion machen; wo die private und öffentliche Finanzmacht sich weitere Wachstumschancen ergattert; wo der Finanzminister die "schwarze Null" halten und auf die "Schuldenbremse" treten und der Wirtschaftsminister trotzdem die Kosten und Kollateralschäden einer Pandemie oder der "Zeitenwende" bewältigen kann; wo die "Freiheitsenergien" (Lindner) aus Erneuerbaren im Verein mit Braunkohle, Fracking, Holz und vielleicht auch Kernkraft "Putins Inflation" abwehren helfen usw.

Welche Wirkung außerdem die unmittelbare militärische Machtentfaltung auf die internationale Wertschätzung des gesetzlichen Geldes hat, kann jeder am Dollar ablesen.

Zu diesem harten Kern einer starken Währung steht die Notenbankpolitik in einem eher peripheren Verhältnis, was sie allerdings nicht überflüssig macht. Auf Basis der Symbiose von Geschäft und Gewalt und als Zusatz zu ihr sorgt sie mit ihren ausgeklügelten Werkzeugen, mit einem Staatsschatz aus Devisen und Edelmetallen und der Pflege des Wechselkurses für Signale der Geldwertstabilität an die heimischen und internationalen Finanzmärkte, deren Gewogenheit der staatlich betreute Kapitalismus braucht.

Dabei bremsen oder zügeln die Zentralbanken nirgendwo das beständige Wachstum von dessen Finanzüberbau, schon deshalb nicht, weil kein maßgeblicher Staat seine ausgreifenden Ambitionen storniert, bloß weil sie zur Teuerung führen. Seine Bank der Banken leistet vielmehr ihren geldpolitischen Beitrag zum guten Gelingen dieser Vorhaben – mit welchem Erfolg, erfährt sie dann hinterher.

Dass die EZB sich derzeit etwas vortastet, wobei ihre Präsidentin "nicht glaubt, dass wir in ein Umfeld niedriger Inflation zurückkehren werden", und sogar beginnt, wie die US-Finanzministerin auch, "Fehler bei der Bewertung der Inflation einzuräumen", liegt an der Natur des Ladens, dessen Wertzeichen da verwaltet werden. Geldpolitik ist eben kein Fünf-Jahres-Plan.