Wie der Staat Ökoterrorismus befördern könnte
Seite 2: Zur Frage des strafrechtlichen Vorgehens gegen Klimaproteste
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Der Vorwurf einer kriminellen bzw. sogar terroristischen Vereinigung stellt m.E. eine Zuspitzung der Auseinandersetzungen dar, die hochproblematisch ist.
Vorwiegend jüngere Menschen, deren Zukunft offensichtlich bedroht ist, versuchen auf die eintretende Klimakatastrophe mit immer noch friedlichen Mitteln und der Verneinung von Gewalt aufmerksam zu machen und werden von denen, die interessengeleitet nicht die notwendigen Maßnahmen hiergegen ergreifen, möglicherweise als Terroristen eingestuft und verfolgt.
Handelt es sich nicht eher um den Terrorismus der die Umwelt zerstörenden Generationen, die gegenwärtig an der Macht sind und generationenegoistisch handeln? Müssten nicht Fossilkonzerne, umweltzerstörende Staaten und Institutionen, Kriegswaffen produzierende und an hegemoniale Kriege führende Staaten, Waffen ausliefernde Konzerne und dies befürwortende Politiker vor Gericht gestellt werden?
Handelt es sich hier nicht um eine Umkehrung der Verhältnisse? – die Opfer werden verfolgt, die eigentlichen Täter stellen sich als moralisch in Talkshows hin, wenn sie rechtsstaatliche Strukturen für die Zerstörung der Biosphäre missbrauchen.
Es ist des Weiteren sicherlich nicht abwegig, die nun gerade von der bayrischen Landesregierung und insbesondere dem bayerischen Ministerpräsidenten Söder geforderte rechtsstaatliche Strenge gegen die Letzte Generation in einem Zusammenhang mit den am 8.10.2023 stattfindenden Landtagswahlen zu betrachten.
Es wäre ein weiterer rechtsstaatlicher Skandal, wenn regierende Politiker mit eher populistisch konnotierten Forderungen Wählerstimmen zu Lasten einer angemessenen Einordnung rechtswidriger, aber auch an einem übergeordneten, durchaus vertretbaren Ziel orientierter Aktionen junger Menschen zu gewinnen suchen.
Sicherlich ist es fraglich, ob durch massive Verkehrsbehinderungen und der damit verbundenen Belastungen für die Verkehrsteilnehmer Unterstützer für das ökologische Anliegen gewonnen werden können. Auch kann man darüber diskutieren, ob es nicht noch andere wirksame Mittel in dem politischen System Deutschlands und Österreichs gibt, sich für die Ökologie einzusetzen.
Des Weiteren könnte die Vorbildwirkung einer solchen Aktion Nachahmer mit weniger lauteren Absichten nach sich ziehen. Aber vergreift sich der Staat nicht in den Mitteln, wenn er Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, wie das friedliche Blockieren einer Straße, die im Interesse zukünftiger Generationen als Form des politischen Protests begangen werden, mit Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung gleichsetzt?
So stellt der Soziologe und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent fest, dass die Mitglieder der Letzten Generation "auffällig friedlich" seien und sich nicht einmal wehren würden, wenn sie von aufgebrachten Autofahrern körperlich angegriffen und verprügelt würden.
Des Weiteren sind die Verkehrsblockaden auch nicht so weit von den Streikmaßnahmen einzelner Eisenbahngewerkschaften oder der Flugpiloten entfernt – ohne dies gleichsetzen zu wollen.
Zwar geht es dort um das gesetzlich verbriefte Streikrecht. Andererseits werden hier Verkehrsblockaden mit durchaus vorhandener Nötigung der Passagiere u.a. zur Steigerung der eigenen materiellen Vergütungsoptionen genutzt, während die Letzte Generation nicht für einen höheren eigenen Lohn den Verkehr blockiert, sondern ihre ebenfalls friedlichen Aktionen im berechtigten Interesse ihrer und kommender Generationen an einem zu erhaltenen Planeten durchführt.
Auch geraten Landesregierungen, wie z.B. in Bayern, in Verdacht, mit der übertriebenen Strenge gegen Klimaschützer von ihrer eigenen Vernachlässigung des Klimaschutzes abzulenken zu wollen. So liegt Bayern hinten beim derzeitigen Bau von Windrädern. Im ersten Quartal des Jahres 2023 (Stand: Mitte März) wurde beispielsweise dort noch kein einziges Windkraftwerk genehmigt.
Im flächenmäßig halb so großen Nordrhein-Westfalen lagen im gleichen Zeitraum bereits 20 Genehmigungen vor. Gleichzeitig kehrt Bayern zunehmend zu Kohle und Gas zurück und die Landesregierung fordert den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke.