Wie kann Griechenlands Nachbar in der deutschen Presse genannt werden?

Alexis Tsipras und Zoran Zaev nach Unterzeichnung der Vereinbarung. Foto: Влада на Република Македонија from Македонија - Потпишување на договорот за македонско-грчкиот спор [17.06.2018, Преспа] / gemeinfrei

Ein persönliches Problem von vielen Auslandskorrespondenten aus Griechenland

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Aus Griechenland über den Namensstreit mit dessen nördlicher Nachbarrepublik berichtende Autoren stehen vor einem Problem, welches sehr an die Steinigungsszene des Monty Python Films "Das Leben des Brian" erinnert. Bekanntlich endet diese mit der Steinigung eines Rabbis, der einen jüdischen Mitbürger steinigen lassen wollte (Szenenzitat siehe hier).

Das Vergehen des Mitbürgers war die Nennung eines Namens für Gott, Y-h-wa. (Die Bindestriche anstelle der Vokale verwende ich absichtlich, um keinerlei religiöse Gefühle zu verletzen). Sämtliche an der Steinigung beteiligte Personen beginnen sofort bei der Namensnennung Gottes den jeweiligen Nenner mit Steinen zu bewerfen.

Noch sind Autoren in der demokratischen Welt von der Gefahr einer gesetzlich verordneten Steinigung befreit. Sie sehen sich aber beim Ausspruch eines nicht allgemein akzeptierten Namens einem Wortschwall von Mutmaßungen und teilweise Beleidigungen ausgesetzt. Dies findet nicht nur in den Foren oder in der Leserbriefabteilung des jeweiligen Mediums, sondern auch im Alltag statt. Telepolis wird nicht nur in Deutschland gelesen.

Aggressionen

Es geht um das Land, das sämtliche nur in Deutschland operierenden Autoren (fast) ohne Probleme schlicht "Mazedonien" nennen. Ein Name, der gemäß den Umfragen die überwiegende Mehrheit der Griechen wegen der allgemein als "Makedonien" bekannten, eigenen Provinz und wegen der hellenistischen Geschichte Alexanders des Großen und seines Vaters Philipp von Makedonien ablehnen.

Als in Griechenland aus Griechenland berichtender Autor steht man ständig vor dem Problem, wem man nun bei der Beschreibung eines so verwirrenden Zustands wie dem Namensstreit auf die Füße tritt. Je nach Hitzköpfigkeit der Gesprächspartner in Griechenland kann eine "falsche" Namensnennung bereits bei Politikern aus dem sozialdemokratischen Spektrum, aber auch bei denen von Tsipras' Koalitionspartner aggressive Reaktionen gegenüber dem jeweiligen Autor hervorrufen.

"Das Problem ist in zehn Jahren vergessen"?

Umgekehrt kann es immer wieder Streit mit Syriza-Politikern geben, wenn nur die eine Namensvariante verwandt wird. Aktuell ist die erst kürzlich gegründete, neue sozialdemokratische Sammlungsbewegung "Kinima Allagis" an der Makedonien-Frage zerbrochen. Die linken Abspaltungen von Syriza, die 2015 im Protest gegen den Sparkurs ihre Partei verließen, argumentieren vehement gegen den jetzigen Kompromiss.

Dass Politiker des Zentrums und ideologisch weiter rechts positionierte Ideologen den Kompromiss ablehnen, ist zum jetzigen Zeitpunkt verständlich, war aber nicht immer so. Wer in Archiven sucht, wird den Parteigründer der Nea Dimokratia Konstantinos Karamanlis finden, der eine jugoslawische Republik Mazedonien anerkannte.

Der Vater des amtierenden Oppositionsführers und Parteichefs der Nea Dimokratia, Konstantinos Mitsotakis, meinte in den Neunzigern, "das Problem ist in zehn Jahren vergessen".

Faktenlage seit dem Kompromiss

Die Faktenlage ist seit dem Kompromiss zwischen Tsipras und Zaev nicht einfacher, sondern komplizierter geworden:

  • Laut dem in Prespes zwischen Griechenland und der Nachbarrepublik unterzeichneten Vertrag heißt diese Nord-Mazedonien.
  • In der Nachbarrepublik wird der Staat seit Jahrzehnten von seinen Bürgern und Politikern schlicht Mazedonien genannt.
  • Der Vertrag ist zwar gültig, wurde aber noch nicht von der UNO, dem griechischen Parlament und der Bevölkerung in Nord-Mazedonien ratifiziert. Die vom griechischen Premierminister Alexis Tsipras und seinem Amtskollegen aus der Nachbarrepublik, sowie ihren Außenministern geleisteten Unterschriften haben jedoch eine auch von der Opposition nicht bestrittene, bindende Wirkung.
  • In Griechenland nennen die Medien den Staat nur FYROM, respektive in der griechischen Abkürzung PGDM oder nach seiner Hauptstadt nur Skopje. Griechische Nachrichtensprecher neigen dazu die Abkürzung mit "Pou Gou Dou Mou" auszusprechen. Dies wiederum führte auch bei ehemaligen Ministern der Nea Dimokratia, immerhin der Schwesterpartei der CDU, zum verwunderten Aufschrei, als sie entdeckten, dass in "FYROM" eben auch das "verbotene" Wort "Mazedonien" enthalten ist. So geschehen bei Vassilis Kikilias, der aktuell als Schattenminister für Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis tätig ist.
  • Auch die Straßenschilder in Griechenland folgen der UN-Regel. Allerdings führt die Schnellstraße/Autobahn von Thessaloniki nach Belgrad durch Skopje. Wer hier bereits Nationalismus sieht, hat schon verloren. Denn die griechischen Straßenschilder nach Skopje sind zwar politisch hinsichtlich ihrer Deutungsmöglichkeiten zweideutig, wären allerdings auch mit dem Kompromiss von Prespes regelkonform.
  • Deutsche Politiker nennen, wie alle internationalen Amtskollegen auch, den Staat auch schlicht Mazedonien, weil halt auch niemand im alltäglichen Sprachgebrauch Deutschland als Bundesrepublik Deutschland, wie der offizielle Name lautet, bezeichnet. Beim Außenministerium in Berlin wird der Staat unter EJR Mazedonien geführt. Jeder deutsche Leser älterer Generation kann aus verständlichen Gründen in einer Verwendung des Kürzels EJRM als Namensbezeichnung eine Analogie zu Zeiten des Kalten Krieges sehen als hüben "DDR" und drüben "BRD" geschrieben wurde.
  • Wir schreiben in deutschen Medien allgemein auch Griechenland und nicht Hellenische Republik - aber das ist ein weiteres Thema. Denn schließlich gibt es keinen Namensstreit mit Griechenland, obwohl das Wort Grieche etymologisch auch einen negativen Hintergrund hat.

Der Namensstreit währt nun knapp drei Jahrzehnte. Er hat jedoch noch weitere Jahrzehnte auf dem Buckel, wenn man die Kontroversen Griechenlands mit dem damaligen Jugoslawien mit einbezieht. Die Erwähnung sämtlicher möglicher Namen ist daher eine Variante, möglichst neutral zu bleiben.

Anführungszeichen ergeben sich in diesem Zusammenhang dann, wenn auf eine von einem Teil der Weltbevölkerung benutzten Namen hingewiesen werden soll. Teilweise unterstreichen die Anführungszeichen auch den Irrsinn.