Wie sehen arabische Staaten und die Menschen dort die Gewalt in Nahost?

Ein junger Mann hält eine palästinensische Flagge auf einem Hügel im Westjordanland. Bild: Unsplash / Unsplash Licence

Zum Gewaltausbruch in Israel und Gaza gibt es im arabischen Raum konträre Ansichten. Einige verurteilen die Hamas, andere nicht. Was steckt dahinter?

Die Weltgemeinschaft war vom größten bewaffneten Konflikt im Nahen Osten seit 1973 kollektiv geschockt. Bereits mehr als 3.000 Menschen sind nach Berichten auf beiden Seiten innerhalb von wenigen Tagen getötet worden. Viele Staatsoberhäupter verurteilen die Aggression der Hamas und fordern nun ein schnelles Ende des Blutvergießens.

Doch nicht in allen Ländern missbilligt die gesamte Bevölkerung die Taten der Hamas. Manche in arabischen Ländern sehen in dem Angriff kein brutales Verbrechen, sondern auch eine Heldentat, die im Namen des palästinensischen Volkes verübt worden sei. Selbst unter den Arabern, die in den letzten Jahren die stille Annäherung an Israel mitgetragen haben, gibt es zur Hamas-Aggression keine einhellige Position.

Iran als Lokomotive mit eigenen Problemen

Im Mittleren Osten bleibt die iranische Regierung der stärkste Unterstützer der militanten Kräfte, gewährt ihnen finanzielle Unterstützung und liefert Waffen. "Was sie getan haben, zeigt Stolz, Ruhm und Stärke und Gott wird sie unterstützen. Mit ihrer Initiative haben Sie die islamische Nation glücklich gemacht", bekannte der iranische Präsident Ebrahim Raisi in einem Telefonat mit dem Politbüro-Chef der Hamas.

Ins gleiche Horn stößt der iranische Außenminister, der angesprochen auf Israels Vorgehen meint, "alle islamischen Länder müssen dem palästinensischen Volk Hilfe leisten".

Teheran sieht sich als eine Art Lokomotive der islamischen Welt, wenn es um die Unterstützung palästinensischer Radikaler geht. Vor einer direkten und offiziellen Einmischung schrecken die Iraner jedoch zurück, da sie Vergeltungsmaßnahmen Israels befürchten. Israel hat seine Fähigkeiten zur Sabotage auf iranischem Boden mehrfach unter Beweis gestellt.

Vonseiten iranischer Bürger gibt es regelmäßig lokale Solidaritätsdemos für die Hamas mit den üblichen Parolen "Tod für Amerika" und "Tod für Israel". Jedoch ziehen diese Umzüge nicht mehr so viele Menschen an wie in früheren Jahren.

Die Mehrheit der Iraner beschäftigt stärker die wirtschaftliche Situation des eigenen Landes und insgesamt interne Probleme. So kletterte die Inflationsrate auf 70 Prozent und der Dollarkurs in Bezug auf die Landeswährung Rial auf fast das Doppelte.

Libanon: Die Bevölkerung hofft, nicht in den Krieg gezogen zu werden

Neben dem Iran gehört zu den stärksten Unterstützern der Hamas die libanesische Hisbollah, eine paramilitärische Organisation der dortigen Schiiten. Viele sehen sie als Einflussagent Teherans vor Ort.

"Wir stehen im engen Kontakt mit den Hauptquartieren des palästinensischen Widerstands in Gaza und anderen Gebieten", betont die Hisbollah in einer aktuellen Erklärung. Sie wurde nur wenige Stunden nach Beginn der bewaffneten Invasion Israels durch die Hamas veröffentlicht.

Doch auch die Hisbollah zögert, direkt in das Geschehen einzugreifen. Man begrenzt seine Aktivitäten bisher auf lokalen Beschuss israelischer Grenzgebiete im Norden des Landes. Die Erinnerung an den letzten blutigen Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel 2006 mit mehr als 1.000 Todesopfern sind noch nicht verblasst.

Die Menschen im Libanon – zum Teil Christen, zum Teil Muslime – beten darum, dass sich die Hisbollah nicht in den Konflikt im Süden hinein ziehen lässt. Der Libanon befindet sich selbst auch ohne Kriegsbeteiligung in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise.

Die wurde durch die schwere Explosion im Hafen von Beirut 2020 noch verschärft. Unterstützung für die Hamas gibt es dort nur bei wenigen, lokalen Demonstrationen in schiitischen Viertel in Beirut und anderen Städten.