Wie sich die Grünen in Lobbyismus und Vetternwirtschaft verstrickt haben
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Die Grünen haben eine historische Chance verpasst. Ihr Projekt in der Regierung wurde auch durch eigene Fehler zerrieben. Negative Kampagnen haben den Rest erledigt.
Eine Debatte hat die letzten Wochen beherrscht: Die Grünen-Personalie Patrick Graichen, das ist der – nun ehemalige – Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Beschönigungen wurden gegen eine schrille Schlammschlacht gestellt. Dann folgte der Rücktritt. Ein Kampf um das Kompetenzzentrum von Korruption und Vetternwirtschaft oder politischer Alltag? Dabei hätte es so ein schöner Monat für Grüne werden können.
Grüne Themen ignoriert
Die vorherrschende Farbe im Mai ist ja Grün. Alles blüht und gedeiht. Viel Regen hat uns dieses Frühjahr beschert. Die so arg reduzierten Wasserpegel erholen sich, eine Wohltat für Pflanzen und Tiere. Eigentlich auch für uns, auch wenn viele gern besseres Wetter gehabt hätten. Nicht so weit weg sieht die Lage vollständig anders aus. Dürre im Mai.
Was Norditalien letztes Jahr verstärkt erlebt hat, entwickelt sich vor allem in Südfrankreich und Spanien gerade sehr bedrohlich. In den vergangenen zwölf Monaten hat es auf der Nordseite der Pyrenäen rund zwei Drittel weniger geregnet als im Normalfall. Stauseen in Spanien sind bereits jetzt im Frühjahr nur zu 25 Prozent gefüllt.
Das Ergebnis: Wassermangel und folgende Verbote, Einschränkungen und Rationierung, bevor der eigentliche Sommer kommt. Vor allem die Ernteeinbußen werden auch wir zu spüren bekommen. Die steigenden Lebensmittelpreise gehen längst auch auf das Konto von Klimawandel und Wetterextremen. Gerade Spanien lieferte uns bisher viel Obst und Gemüse.
In Deutschland sind die Lebensmittelpreise von März 2022 bis März 2023 um 22,3 Prozent angestiegen – mehr als die aller anderen Güter. Während die Strompreise zurückgehen, verschärft sich die Lage bei den Lebensmitteln weiter. In vielen Ländern wurden Maßnahmen gegen die heftigen Preissteigerungen getroffen. In Deutschland sind sie weiter nur eine Randnotiz. Dabei kennen wir den Anstieg der Armutszahlen und die Hilferufe der Tafeln und anderer karitativer Einrichtungen.
Es ist ein Phänomen, dass Regierung und Bundestag sich zwar ausgiebig mit den Energiepreisen beschäftigt haben, Eingriffe und Förderungen vornimmt, aber die Lebensmittelpreise missachtet. Das "soziale Herz" wird meist nur an der Tankstelle entdeckt.
Bei den Energiepreisen geht es auch um knallharte Lobbyinteressen. Die Verteuerung der Lebensmittel trifft hauptsächlich die weniger vermögende Bevölkerung, die keine starke Lobby im Rücken hat. Essen müssen sie ja dennoch und der Teil der Branche, die hauptsächlich Billigprodukte verkauft, profitiert erst mal.
Landwirtschaft, Ernährung, Klima, Wasserknappheit – damit einhergehende soziale Verwerfungen – und die Einschränkungen von Freiheit. Gute Themen, gerade für die Grünen. Das wurde zu wenig genutzt.
Grüne in der Defensive
Ähnliches gilt für die gesamte Energiepolitik. Wegen des Dauerfeuers und der Katastrophenpropaganda von Liberalen, Konservativen und der Springerpresse gab es zur Abschaltung der letzten drei alten Atommeiler keine Positivbotschaften. Man wollte nur schnell alles hinter sich bringen.
Im Mai hieß es dann in den ersten Analysen, die Preise seien leicht gesunken, es habe nicht mehr Kohle verfeuert werden müssen und es werde mehr als genug Strom produziert. Auch diese positiven Botschaften schienen kein Gehör zu finden.
Klar, ein wirkliches Fazit wird es erst später geben können. Aber eigentlich müssten die ersten Erkenntnisse den aggressiven Stimmen aus der Union – die selbst den Ausstieg beschlossen hat – vorgehalten werden.
Selbst das Fraunhofer-Institut machte indes deutlich, dass die verbleibenden AKW gar keine so große Lücke reißen können, weil sie nur für gut ein Prozent Endenergie verantwortlich seien.
So wurde der Blackout am Ende stillschweigend abgesagt. Eine kritische Bilanz aber blieb aus, eine Debatte über das Schüren der German Angst der Union fand nicht statt.
Dabei hätten die Grünen, Robert Habeck und sein Ministerium in die Offensive gehen können, zugunsten von erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz.
Auch hätten Habeck und Graichen das Momentum besser nutzen können; etwa, indem sie die Wärmewende sozialpolitisch flankiert hätten.
Stattdessen holten sie ihre taktischen Fehler und die Konzeptlosigkeit ein. Lobbyfreundliche Politik zahlt sich eben nicht aus, wenn man die bisherigen Nutznießer dann wieder verprellt.
Anfangs handelte das Wirtschaftsministerium noch wie unter Peter Altmaier (CDU) und den anderen Vorgängern. Lobbyisten fossiler Energien gingen im Ministerium ein und aus. Sie bestimmten so auch maßgeblich das wichtige Gesetz zur Gasumlage. Das ist mittlerweile der normale Gang, aber diesmal flog es auf.
Es gab heftige Kritik und das Gesetz konnte so nicht durchgesetzt werden. Habeck war in der Defensive. Dann gab es den Bückling Habecks vor einem autokratischen Scheich für neue Gaslieferungen und einen schnellen Ausbau der LNG-Terminals, nachweislich über Bedarf und gegen viele (Umwelt-)Regeln im Eilverfahren.
Aber weder die Lobbydienste noch Deutschland mit Gas und Energie gut über den Winter gebracht zu haben, zahlten sich für die Grünen aus. Als das Wirtschaftsministerium ihre Heizungspläne präsentierte, entrüstete sich nicht nur die Union, sondern auch die alte Energielobby, die vorher noch bevorteilt wurde. Was hatte der Wirtschaftsminister denn erwartet? Dankbarkeit? Und dann passierte etwas, das sonst zwar auch passiert, aber selten zum Thema wird.
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