Wie sich die Grünen in Lobbyismus und Vetternwirtschaft verstrickt haben
Seite 2: Der Fall Graichen
Alle haben die Geschichte nun mehrfach gehört. Am Ende ist von "der Pate", der "Graichen Clan" und dem "System Graichen und Habeck" die Rede. Die Vergleiche und Anspielungen können gar nicht dramatisch genug ausfallen.
Es werden freundschaftliche und verwandtschaftliche Bezüge zu Instituten und deren Mitgliedern aufgeführt, die schon längere Zeit immer wieder mal Aufträge vom Wirtschaftsministerium erhalten, auch durch die Vorgänger. Redaktionen recherchieren, graben aus und Schlagzeile folgt auf Schlagzeile. Wer sonst keine Ahnung davon hat, wie es sonst ist, wie die anderen es praktizieren, hiervon bleibt einiges hängen.
Ich müsste Bestätigung spüren, denn wie oft habe ich aus dem Bundestag auf solche und ähnliche Vorgänge und auf Vorteilsnahme von Politikern hingewiesen. Fast immer sind sie verpufft, gab es kein Interesse an Aufklärung. Es ist ja ein Teil meiner Erfahrung, meiner Beobachtungen, die ich immer wieder vorgebracht habe, die in dem von mir beschriebenen Lobbyland münden.
Aber ich bin genervt, ja von Patrick Graichen, aber mehr noch davon, dass sonst nicht so berichtet wird und von den ganzen Moralisten, die sonst – vor allem in ihren eigenen Reihen – jeden decken und sonst alles beschönigen.
Es ist ganz klar: Ein Staatssekretär muss bei einer Postenvergabe, an der er oder seine Institution beteiligt ist, sich sofort transparent herausziehen, wenn ein Bewerber mit ihm verwandt oder befreundet ist. Natürlich musste Patrick Graichen zurücktreten und es gibt da auch nicht viel zu beschönigen. Er ist bei Weitem nicht der Erste, der nicht anständig handelt, auch deshalb hatte er wohl kaum ein Unrechtsbewusstsein.
Unser System ist mittlerweile genauso gestrickt. Mehr noch, fast jeder neue Minister bläht sein Ministerium mit neuen Positionen auf, besetzt sie mit seinen Kumpels und positioniert auch sonst Freunde und Gefährten an Stellen, auf die sein Ministerium Einfluss hat.
Auf Fachkompetenz wird da meist keine Rücksicht genommen – was im Fall Graichen allerdings andres ist. Nur weil es dann häufig keine engen Verwandten sind, macht es das nicht besser.
Das Ende vom grünen Mai
Fossile Konzernlobbyisten sowie die konservativen und neoliberalen Parteien triumphieren. Doppelmoral siegt. Wenn es ein Kompetenzzentrum für Korruption und Vetternwirtschaft gibt, dann ist es die Union. Schwarze Kassen und Koffer, Maskendeals, Spendenaffären: 56 CSU Landtagsabgeordnete, die mit dem Mitarbeiterbudget des Landes, ihren Ehepartner oder Familienmitglieder mal ein Gehalt besorgt haben.
Die Liste ist so lang. Aber medial in der Gänze kaum aufarbeitet, bedenklich, dass man da fast ausschließlich auf Grafiken und Listen von Satiresendungen wie der Anstalt zurückgreifen muss.
Ich spreche die anderen Parteien ganz sicher nicht frei und es ist gerade das Dilemma, dass sich da fast alle angleichen. Aber ausgerechnet die Union müsste ganz still sein, aber sie wetterte am lautesten und viele Medien spielen mit, wo sie doch sonst gern schweigen und die Journalisten und Insider, die etwas aufdecken, ausbremsen.
Sehr passend dazu, dass die Präsidentin der Europäischen Kommission gerade angeklagt wurde. Es geht um Milliarden-Deals, die Ursula von der Leyen direkt mit Pfizer-Chef Albert Bourla verhandelt hatte.
Es geht um den Verdacht, dass die beiden über Textnachrichten direkt eine Vertragsverlängerung über 1,8 Milliarden Euro für zusätzliche Dosen an EU-Länder ausgehandelt haben. Die europäischen Medien sind voll davon, hier wird dazu von fast allen Seiten geschwiegen. Auch hier hat man dazu fast nur etwas von Martin Sonneborn gehört und gelesen.
Stattdessen gelangen Habeck und die Grünen immer mehr in die Defensive. Das hat sicher auch bei der Wahl in Bremen nicht geholfen und das schlechte Ergebnis der Grünen dort, vertieft ihre Krise. So gibt es nicht nur den Rücktritt von Graichen und weiter geht es? Was sollte eigentlich passieren?
Die Grünen sollten sich ihrer einstigen Grundprinzipien bewusst werden, einen klaren Politik-Kodex aufstellen und befolgen. Sie sollten offensiv vorangehen und sich nicht dem Lobbyismus von profitorientierten Großkonzernen beugen, sich aber auch auf die Gegenwehr einstellen. Das gelingt nur, wenn man selbst sauber bleibt und die anderen attackieren kann.
Aber es ist zu befürchten, dass man den Weg weitergeht, sich der Union anzugleichen, noch mehr mit den Lobbys einlässt, die einem das Leben so schwer machen können. Beim Sponsoring und Großspenden hat man schon sehr aufgeholt und die Drehtür vom wichtigen Mandat zu einem Lobbyisten-Job, häufen sich. Der jüngste Geschenkvorschlag von Robert Habeck, die Strompreise – die ohnehin gerade fallen – für die Industrie zu senken, zeigt die Richtung vor.
Das Schlimmste für unser demokratisches System ist aber, dass sich der Frust auf die Parteien vergrößert. Sowohl durch das Geschrei der Union als auch das Schönreden in der grünen Bubble.
Es ist übrigens ein immer stärker werdendes Stilmittel bei den Konzernlobbyisten, dass man sich nicht mehr versucht weißzuwaschen, sondern lieber die Alternativen oder insgesamt alle anderen zu diffamieren. Das funktioniert manchmal auch mit der Wahrheit.
Negative campaigning hinterlässt immer einen Makel. Und wer denkt, es seien sowieso alle Politiker gleich und keine guten Alternativen denkbar, kann man auch bei dem bleiben, was er oder sie kennt. Und ganz ehrlich – in der Politik brauchen wir auch keine blassgrünen Kopien des Kompetenzzentrums für Korruption, Vetternwirtschaft und Konzernlobbyismus.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.