Wie viel Maaßen steckt im Verfassungsschutz?

2012 wurde Hans-Georg Maaßen Verfassungsschutzpräsident. Es sollte ein Neuanfang nach dem NSU-Skandal sein. Eigentlich. Foto: Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme / CC-BY-SA-3.0-DE

Namhafte CDU-Politiker wollen den Ex-Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes wegen antidemokratischer Tendenzen aus der Partei werfen. Doch welche Spuren hinterließ er im BfV?

Vor gut zwei Jahren forderte der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz in einem Spiegel-Gastkommentar mit der Überschrift "Freiheit statt Faschismus" eine scharfe Abgrenzung seiner Partei gegen Rechtsextreme und völkische Nationalisten. Anlass war die Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke, der sich als Kasseler Regierungspräsident die Aufnahme von Geflüchteten verteidigt und damit den Zorn von Neonazis auf sich gezogen hatte. Anlass war auch, dass es in seiner Partei Menschen gab, die sich nach diesem Mord vor allem darum sorgten, wie das Attentat instrumentalisiert werden könnte, um gegen Rechte zu "hetzen". Vor allem für den CDU-Rechtsaußenfügel WerteUnion schien genau dies das Hauptproblem zu sein.

"Namenlose Wichtigtuer" und ein Promi

Nach Meinung des CDU-Politikers Peter Tauber waren es vor allem "namenlose Wichtigtuer", die so dachten. Der wohl bekannteste Vertreter der WerteUnion verdankt seine Prominenz aber ausgerechnet der Tatsache, dass er sechs Jahre lang Deutschlands oberster Verfassungsschützer war. Seit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand 2018 leistet sich Hans-Georg Maaßen immer wieder demokratiefeindliche Ausfälle.

Für Polenz ist mittlerweile das Maß voll - am Beispiel des Ex-Geheimdienstchefs machte der Christdemokrat am Montag deutlich, wo aus seiner Sicht die Grenze verläuft: "Ich würde meiner Partei raten, ein Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Maaßen anzustrengen", sagte Polenz dem rbb-Inforadio. Vielleicht lege es Maaßen gerade im Wahlkampf darauf an, zu provozieren. Dessen Äußerungen zum Thema Pressefreiheit hätte auch mit "rechts-konservativ" nichts mehr zu tun, so Polenz.

Diese Äußerungen hatten solche Wellen geschlagen, dass Maaßen sie zwischenzeitlich relativierte, was er sonst nicht immer für nötig hält - allerdings ging er wenig später wieder in die Offensive.

Der 58-jährige Westdeutsche, der in einem Südthüringer Wahlkreis für den Bundestag kandidiert, hatte wegen des angeblichen "Linksdralls" in der Berichterstattung eine Art Gesinnungsprüfung für ARD-Journalisten gefordert. "Wenn man sieht, dass es da auch Verbindungen gibt zwischen Personen, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Tagesschau arbeiten, und der linken und linksextremen Szene, dann wäre das wirklich auch eine Untersuchung wert", sagte er in einem Interview mit dem Privatsender TV Berlin. Die Biographie einiger Redakteure sollte aus Maaßen Sicht auf den Prüfstand gestellt werden, um ihre charakterliche Eignung zu untersuchen.

Dabei stellte der Ex-Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) weder klar, von welchen Personen er sprach, noch führte er Beispiele für die mutmaßlichen "Verbindungen" an. Der CDU-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Dirk Toepffer, forderte daraufhin zwar formell keinen Ausschluss, schien aber zu hoffen, Maaßen würde selbst einsehen, dass er in der falschen Partei sei: "Unsere Pressefreiheit ist unantastbar. Wer einen Gesinnungstest für Journalisten fordert, fällt in dunkelste Zeiten zurück. Das ist mit den Werten der CDU nicht vereinbar", twitterte Toepffer am Samstag. Seine Aufforderung an Maaßen: "Treten sie zurück und aus der CDU aus."

Erst zurückgerudert, dann noch mal nachgelegt

Maaßen selbst erklärte am Sonntagabend via Twitter, unabhängiger Journalismus und ein politisch unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk seien "für die Demokratie unverzichtbar". Er kritisiere nur "tendenziöse Berichterstattung", was auch zur Meinungsfreiheit gehöre. "Klar ist aber: Eine 'Gesinnungskontrolle' journalistischer Arbeit durch die Politik darf es nicht geben", so Maaßen.

Damit schien er dann aber nicht lange glücklich zu sein, denn an diesem Montag betonte er gegenüber der Deutschen Presseagentur, es sei "seit Jahren bekannt", dass es Journalisten gebe, die Bezüge "zur Antifa" gehabt hätten "und möglicherweise noch haben". Ein solcher Verdacht müsse ausgeräumt werden, so Maaßen, der damit wieder einmal suggerierte, "die Antifa" sei eine Art einheitliche Organisation, obwohl er es aus seiner früheren Tätigkeit eigentlich besser wissen müsste als diverse AfD-Provinzpolitiker, die diesen Sprachgebrauch pflegen.

Was es über ihn selbst aussagt, wenn er Antifaschismus als solchen verwerflich findet, scheint ihn nicht weiter zu stören. Zugleich betonte er, Verfassungstreue müsse er von allen Journalisten erwarten können. Der unscharfe Begriff "Bezüge" lässt aber befürchten, dass Journalisten sich aus seiner Sicht schon verdächtig machen, wenn sie zwecks Berichterstattung mit Anmeldern legaler Demonstrationen des antifaschistischen Spektrums reden.

Wirklich überraschend ist all das nicht. Im Zuge des Eklats, der ihn letztendlich das Amt gekostet hatte, war es Maaßen nicht zu schrill gewesen, von einem Coup "linksradikaler Kräfte in der SPD" zu sprechen.

Linke im allerweitesten Sinn müssen sich daher ernsthaft fragen, was für Einschätzungen und Verschwörungstheorien über sie noch in Aktenordnern des BfV ruhen - und welche Gesinnung eigentlich das Personal hat, das dort in der "Ära Maaßen" eingestellt und gefördert wurde. Schließlich hat dieses Personal ganz andere Befugnisse als Medienschaffende sie haben.

"Nach seiner Entlassung hat er seine Maske endgültig fallen lassen", sagt der Linke-Politiker André Hahn, der seit 2013 dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) für die Nachrichtendienste des Bundes angehört, über Maaßen. Erkenntnisse über rechtsextreme Strukturen oder Netzwerke beim Bundesamt für Verfassungsschutz habe er zwar nicht, "aber zugleich auch keinerlei Zweifel, dass der Ex-Präsident Maaßen dort maßgebliche Spuren hinterlassen hat, sowohl in politischer, eindeutig rechtsorientierter Hinsicht als auch innerhalb des Personals des BfV", erklärte Hahn am Montag gegenüber Telepolis. Welchen Einfluss Maaßen noch auf aktuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, sei nicht einschätzbar.

Unterdessen soll sich auch der CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet zur Causa Maaßen geäußert haben: "Solche Debatten schaden uns", sagte er nach Spiegel-Informationen vom Montag in der Sitzung des CDU-Bundesvorstands. Die Äußerungen von Maaßen waren demnach "nicht hilfreich".