Wie westliche Mikrochips trotz Sanktionen immer noch in Russland landen
Westliche Technik in Russland? Ja, trotz Verboten gelangen Mikrochips, Autos und Maschinen ohne Probleme dorthin. Warum die EU dagegen weitgehend machtlos ist.
Als Russland im vergangenen Jahr in die Ukraine einmarschierte, war die Reaktion des Westens schnell: Sanktionen wurden verhängt, Vermögen eingefroren - und moderne Technologie sollte nicht mehr nach Russland gelangen. Inzwischen haben führende deutsche Politiker das Scheitern der Sanktionen eingeräumt.
Offenbar gelangen wichtige Komponenten für moderne Waffen doch nach Russland. Das erklärte zumindest das ukrainische Präsidialamt in einem Bericht, über den das Handelsblatt am Donnerstag berichtete.
Allein von Januar bis Juli 2023 habe Russland Mikrochips und andere Komponenten für Waffen im Wert von 5,6 Milliarden Dollar importiert, heißt es in dem Papier. Der Import dieser Güter habe sich nach der Verhängung der Sanktionen weitgehend erholt.
Die Ukraine hat diese Informationen nach eigenen Angaben aus Daten des russischen Zolls gewonnen. Und man habe abgefangene Geschosse untersucht. Dabei seien elektronische Bauteile von Firmen wie Intel, Texas Instruments, AMD und Dell gefunden worden.
Wie Mikrochips und Bauteile Russland erreichen
Dass noch immer Mikrochips oder Bauteile für Waffensysteme, Autos und andere sanktionierte Güter nach Russland gelangen, hat viele Gründe. Einer davon dürfte sein, dass die westlichen Bestimmungen lange Zeit weniger streng gehandhabt wurden, als es nach außen hin den Anschein hatte.
Noch mehr als ein Jahr nach Kriegsbeginn wurden Transporte von Europa nach Zentralasien über russisches Territorium abgewickelt. Dies endete erst am 24. Juni 2023. An diesem Tag trat das elfte Sanktionspaket in Kraft.
Nachdem die Waren die russische Grenze passiert hatten, wurden sie dort teilweise beschlagnahmt oder "verschwanden", heißt es in der Zeitung des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen seien in Russland "liegen geblieben" und die Mikrochips ausgebaut worden. Die Bauteile seien dann für Raketen verwendet worden.
Eine andere Erklärung ist, dass die Warenströme nach Russland gar nicht versiegt sind, sondern nur über Drittstaaten umgeleitet wurden. Die Exporte deutscher Firmen in die Staaten der russischen Peripherie haben deutlich zugelegt.
Umwege über Drittstaaten: Das Beispiel Kirgisistan
Robin Brooks, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Manager, hat dies kürzlich am Beispiel Kirgisistans deutlich gemacht. Im sozialen Netzwerk X, früher Twitter, schrieb Brooks, in den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 seien die deutschen Exporte nach Kirgisistan um 1.400 Prozent gestiegen, verglichen mit 2019. Der Export von Autos und Autoteilen sei sogar um 6.000 Prozent gestiegen. Und später würden sie "mit ziemlicher Sicherheit" nach Russland weitertransportiert.
Herbert Jakoby, früherer Beamter im Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen, betonte hingegen auf X, die sprunghaft angestiegenen Exporte nach Kirgisistan seien kein rein deutsches Phänomen. Man könne es auch in Polen, den baltischen Ländern und in den USA beobachten.
Die Exporte deutscher Firmen nach Kasachstan hätten sich beinahe verdreifacht, berichtete Welt Ende August. Auch in Armenien, Georgien und Usbekistan gebe es einen ähnlichen Trend. Und besonders stark sei der Anstieg bei Waren, die unter die westlichen Sanktionen fielen. Experten seien sich weitgehend einig darin, dass sich die steigenden Exporte aus Deutschland nicht mit einem erhöhten Bedarf in diesen Ländern erklären lässt.
Deutsche Waren in Russland: Geschäft oder Moral?
Es ist ein offenes Geheimnis, dass deutsche Waren in Russland bestens erhältlich sind. Dies belegten Recherchen des Südwestrundfunks (SWR). Diese hatten ergeben, dass es in russischen Elektromärkten ein breites Angebot an deutschen Produkten gibt. In dem Bericht heißt es:
Ob Kühlschränke, Staubsauger, Elektroherde oder Mikrowellen der Firma Bosch: Die russischen Verbraucherinnen und Verbraucher können aus einer breiten Palette auswählen - und das zu handelsüblichen Preisen, zum Teil sogar günstiger als in Deutschland.
Ein generelles Verbot, diese Waren nach Russland zu liefern, gebe es zwar nicht. Aber viele Firmen hätten sich freiwillig bereit erklärt, sich vom russischen Markt zurückzuziehen. Wie sich jetzt aber zeigt, siegt das Gewinnstreben über moralische Verpflichtungen.
EU scheitert beim Durchsetzen der Sanktionen an starken Staaten
Beim Versuch, seine Sanktionen durchzusetzen, hat die Europäische Union erste Erfolge verbucht, heißt es im Handelsblatt. Mit Ländern wie Kasachstan, Armenien und Georgien hätte man Gespräche geführt und ihnen auch gedroht. Denn wer EU-Sanktionen umgeht, könnte selbst sanktioniert werden, erklärte demnach der EU-Sanktionsbeauftragte David O’Sullivan. Manche Unternehmen und Regierungen in Drittstaaten seien vorsichtiger geworden.
Wirtschaftlich potentere Länder wie die Türkei oder China winken dagegen ab. Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten haben es die EU-Vertreter schwierig, mit ihren Forderungen durchzudringen. Sie wüssten, heißt es im Handelsblatt, dass die EU sie kaum mit Exportverboten belegen werde.
"Wir dominieren den globalen Handel nicht mehr wie früher", bringt O’Sullivan die Situation auf den Punkt. Deshalb könne man Russland nicht von Technologie abschneiden. Und so bleibt die Frage offen, weshalb sich die EU an diese Sanktionen klammert, wenn sie doch nicht durchsetzbar sind.
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