Wiederaufbaupläne für Syrien
Seite 2: Patt am Euphrat? Verteilung der Rohstoffe mit Potential für neue Konflikte
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- Patt am Euphrat? Verteilung der Rohstoffe mit Potential für neue Konflikte
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Einer der bei den Kriegsparteien begehrtesten Stücke des syrischen Kuchens sind die bedeutenden Öl- und Gasvorkommen der östlichen Region Deir ez-Zor. Sie sind für die wirtschaftliche Zukunft Syriens von entscheidender Bedeutung. Die Situation wird erschwert durch die existierende Pipeline-Infrastruktur in Richtung der dicht besiedelten Gebiete im Westen Syriens und in die für den Export wichtige Küstenregion von Latakia.
Die Kämpfe in der Region von Deir ez-Zor haben dazu geführt, dass die Regierungstruppen die westlichen Ufer des Euphrat und seine Infrastruktur kontrollieren, während die SDF die östliche Seite beherrscht, die die meisten Kohlenwasserstoffvorkommen führt. Es bleibt unklar, was mit den von westlich unterstützten Milizen eroberten Feldern geschehen wird - zum Beispiel mit Syriens größtem Ölfeld al-Omar, in dem 100.000 Barrel pro Tag gefördert werden können. Die von den USA unterstützten Syrian Democratic Forces (SDF) hatten das Feld im Oktober 2017 des IS zurückerobert. Royal Dutch Shell hatte das Feld schon vorher aufgrund des Embargos abschreiben müssen.
Ölförderung- und Schmuggel waren eine bedeutende Einkommensquelle des Islamischen Staats - auf dem Höhepunkt dieses Geschäftsmodells 2015 sollen eine Zeit lang täglich bis zu 1.5 Millionen US-Dollar eingespielt worden sein. Die Niederlage von ISIS in der öl- und gasreichen Region hat möglicherweise einen neuen Brennpunkt geschaffen - für die SDF ist die Kontrolle der Öl- und Gasfelder ein wichtiges Druckmittel für Verhandlungen mit Damaskus.
Die Syrer scheinen wiederum zu beabsichtigen, den Energiesektor unter Führung des nationalen Ölkonzerns SPC zu konsolidieren. Unter anderem durch eine Ausweitung der politischen Rechte der überwiegend kurdisch besiedelten nördlichen Provinzen mit ihren Schwerölvorkommen könnte das in einem vereinten Syrien gelingen.
Damit ist jedoch das Thema des Ölverkaufs noch nicht vom Tisch. Der größte Teil des syrischen Exportöls war vor dem Bürgerkrieg für Europa bestimmt, zum Teil wegen seiner geografischen Nähe und zum Teil, weil die europäischen Unternehmen Shell und Total die größten Anteilseigner des Sektors waren. Dies ist aktuell nicht möglich, solange das EU-Verbot für Öl- und Gasimporte aus Syrien bestehen bleibt. Der neue Eigentümer müsste sich also um neue Absatzmärkte kümmern, indem er sich auf angrenzende Länder wie die Türkei oder den Libanon stützt oder Käufer in Asien sucht.
Zugriff auf Rohstoffe und wachsender Einfluss durch Pipeline-Geopolitik
Syriens nachgewiesene Reserven (Stand 2016) von 2.5 Milliarden Barrel Öl und 2.4 Billionen Kubikmeter Gas könnten im Vergleich zu denen des benachbarten Iraks oder des verbündeten Irans zweitrangig erscheinen.
Zudem bestehen ein Drittel der Ölreserven aus schweren, hochviskosen Rohölen, von denen Russland selber große Vorkommen hat und die Ausbeutung dieser Ölvorkommen deshalb vermutlich nicht oberste Priorität für die Russen haben wird.
Wiederaufbau und Betrieb der syrischen Infrastruktur sind interessanter: Über die Kontrolle von Pipelines, Raffinerien, Verflüssigungsanlagen und Hafeninstallationen lässt sich Syriens Bedeutung als Knotenpunkt für den Energieträgertransport in einen weiter zunehmenden geopolitischen Einfluss Russlands im östlichen Mittelmeerraum ummünzen. Das hätte auch Folgen für die Gasversorgung der Europäischen Union, etwa im Falle der Verwirklichung der "Friendship Pipeline" (bzw. "Islamic Pipeline"), die iranisches Gas durch den Irak und Syrien in den Libanon bringen soll.
Im Vergleich mit einer Ölförderung vor Ort scheint die Kontrolle der Gasfelder momentan die bevorzugte Option für Russland zu sein, da Gas der dominierende Stromerzeuger in Syrien bleiben wird. Darüber hinaus beherbergt der Kontinentalschelf des östlichen Mittelmeeres große Offshore-Gasfelder wie Zohr, Leviathan, Aphrodite oder Tamar. Russland ist hier schon aktiv: Mit Nowatek soll das Offshore-Gas des Libanon erschlossen werden. 2015 hatten der russische Präsident Wladimir Putin und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu außerdem vereinbart, Gazprom größere Zugeständnisse bei der Entwicklung der Leviathan-Reserven Israels einzuräumen. Syriens Offshore-Potential hingegen ist nach wie vor noch weitestgehend unbekannt. Es kursieren lediglich Vermutungen, nach denen der vor Syriens Küste zu hebende Schatz mit dem der anderen Anrainer vergleichbar sein könnte.
Bisher gab es kaum Diskussionen darüber, welches russische Unternehmen die Aufgabe der Wiederbelebung des syrischen Energiesektors übernehmen soll. 2013 war Sojusneftegaz nach Syrien gegangen, um Syriens Offshore-Gasreserven auszubeuten, nur um im Jahr 2015 wieder auszusteigen. Ein anderer Kandidat ist Tatneft, ein staatseigenes Unternehmen und Russlands fünftgrößter Produzent, das in den Öl- und Gasfeldern von Tatarstan fördert und 2010 nach Deir ez-Zor kam, um sich im dortigen South Kisham-Feld anzusiedeln. Auch Tatneft hatte seine Aktivitäten aufgrund des tobenden Bürgerkriegs ausgesetzt. Darüber hinaus ist noch unklar, ob sich die großen staatlichen Unternehmen Rosneft und Gazprom Neft beteiligen werden.