Wieso hält sich Tsipras an der Macht?

Seite 2: Kokain-Fund: Verschwörungs-Stoff, der sich gegen die Opposition richtet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es kam noch schlimmer. Denn, wie am Montag in Griechenland bekannt wurde, wurden am 14. September in Peru auf einem Containerschiff von der Besatzung 121 Kilogramm Kokain in einem Versteck gefunden und den Behörden gemeldet. Die Finanzierung einer solchen Drogenfracht zusammen mit der obligatorischen Beamtenbestechung für den Schmuggel ist eigentlich etwas zu groß für das Budget eines Seemanns, weswegen aufgrund ähnlicher Funde als natürlicher Reflex immer auch ein Anfangsverdacht auf den Reeder fällt.

Der ist in diesem Fall Grieche. Auch bei einer Unschuldsvermutung, wie sie juristisch angebracht ist, liefert der Fall den Gegnern der Nea Dimokratia gehörig Munition. Tu quoque, sagt der Lateiner, wenn er seinen Kontrahenten darauf hinweisen möchte, dass auch er genau das tut, was er den anderen vorwirft.

Der nach den vorliegenden Informationen nicht in den Drogenschmuggel involvierte Eigner der Danaos Corporation, dessen Name hier aufgrund einer Unschuldsvermutung nicht erwähnt wird, sitzt zusammen mit der Gattin von Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis, Mareva Grabowski ,im Verwaltungsrat von Endeavor Greece.

Endeavor Greece ist ein von Mareva Grabowski mitbegründeter Förderverein für griechische Start ups. Das Einzige, was man dem Reeder vorwerfen kann, ist, dass er trotz seiner in Griechenland bestehenden Steuerfreiheit kein griechisches Besatzungsmitglied an Bord hatte.

Nichts ist brutaler als soziale Netzwerke, wenn im heutigen Hellas solch ein Fall thematisiert wird. Zumal Georgiadis selbst für die Verbreitung seiner Verschwörungstheorie neben Rundfunkinterviews auf Twitter zurückgriff. Den Syriza nahe stehenden Usern ist es dabei egal, ob der juristisch noch unbeteiligte Reeder schlicht ein Opfer eines Schmugglers wurde, sie jagen nun Georgiadis mit dessen eigenen Mitteln.

Das politische Narrativ in Griechenland nimmt keine Rücksicht auf juristische Spitzfindigkeiten. Das, was in sozialen Netzwerken später unter dem Druck juristischer Verfolgung gelöscht wird, findet sich ohne die Angst vor Strafe in den endlosen Diskussionen in den griechischen Kaffeehäusern wieder. Hier referieren dann die Stammtischbrüder über derartige Skandale, statt sich mit den für sie konkreten Folgen der Tagespolitik zu beschäftigen.

Gerade hinsichtlich von Drogenfunden auf griechischen Schiffen gibt es auch eine weitere Geschichte, in der sich Regierung und Nea Dimokratia einen schmutzigen Kampf bieten. Drogen- und Kraftstoffschmuggel sind in Griechenland eng verbunden mit der Schifffahrt, obwohl kaum ein Reeder überführt wird.

Die Regierung behauptet, dass Mitsotakis mit dem von ihr als Verantwortlichen für eine Heroinfracht von drei Tonnen angesehenen Reeder zusammenarbeitee. Die Nea Dimokratia wiederum postuliert, dass die Regierung den Reeder, dessen Namensnennung in Griechenland juristisch verfolgt wird, wegen dessen Medienmacht und regierungskritischer Linie mundtot machen möchte.

Georgiadis als persönlicher Favorit von Mitsotakis

Auf dieser Ebene, und nicht mit Blick auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung des Landes, entscheiden die Wähler über ihre Favoriten. Am Sonntag hatte Mitsotakis Georgiadis in Schutz genommen. Auf die Frage eines Journalisten, ob er mit dem für seine rechtsradikale Vergangenheit bekannten Georgiadis nicht ein Problem in seiner Partei hätte, antwortete der Oppositionsführer, dass er persönlich Georgiadis für dessen Posten ausgewählt habe.

Der populistisch auftretende Georgiadis, ein bekennender Fan von Donald Trump, wurde bereits mehrfach wegen seiner Tätigkeit in der rechtspopulistischen LAOS-Partei als eine Art Durchlauferhitzer für die Goldene Morgenröte betrachtet.

Was dem Außenstehenden unlogisch erscheinen mag, ist politisches Kalkül. Mitsotakis ist zwar neoliberal, jedoch kein glühender Rechtsradikaler. Er möchte vielmehr für seine Partei Stimmen am rechten Rand gewinnen. Tsipras verfährt genauso. Er setzt auf verbal linke Politik. Das Endprodukt beider Parteien hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit ist dagegen vollkommen gleich. Tsipras ist jedoch im direkten Vergleich geschickter als sein noch unglücklicher agierender Kontrahent. Die auf ihre Demokratie so stolzen Griechen sind zwischen Populisten jeglicher Couleur und Medienmacht der Oligarchen gefangen. Sie sehen keine wirkliche Alternative zum glücklosen Tsipras.