Wieviel Kolonialismus steckt in Robert Habecks Energiepartnerschaften?

Seite 2: Globale Partnerschaftsmodelle zum Vergleich

Ganz anders stellt sich eine chinesische Initiative dar, die 2015 als "Global Energy Interconnection" (GEI) von Staatspräsident Xi Jinping initiiert wurde. Mittlerweile hat diese Initiative feste organisatorische Strukturen als "Global Energy Interconnection Development and Cooperation Organization" (Geideco), die seit 2018 fest eingebunden ist im "High-Level Political Forum" der Uno.

Der Fokus liegt hier auf die Integration von Energie-, Transport- und Informationsnetzen, also dem Aufbau einer technologisch hochwertigen Infrastruktur in den Partnerländern.

Geideco kommt praktisch allen Ländern zugute, die sich der "Belt and Road Initiative" angeschlossen haben, die sich seit nunmehr zehn Jahren erfolgreich entwickelt. Kern dieser Initiative sind schließlich multimodale, globale Transportverbindungen, bei denen der elektrifizierte und mit erneuerbaren Energien betriebene Schienenverkehr eine zunehmende Rolle spielt. Dieser wiederum ist nur im engen Zusammenspiel mit einer dezentralen Stromversorgung und einer digitalen Steuerung der Einspeisung und Entnahme des elektrischen Stroms möglich.

Generell ist in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse afrikanischer Staaten an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China zu beobachten, das durch diese Initiative noch beschleunigt werden dürfte. Die mangelnde Elektrifizierung ist insbesondere in Afrika nach wie vor eines der größten Entwicklungsprobleme.

Zu erwähnen sind auch russische Kooperationsmodelle für afrikanische Länder, bei denen immer noch der Fokus auf fossile Brennstoffe liegt, die zur industriellen Entwicklung beitragen sollen. So wurde am Rande der kürzlichen "Russischen Energiewoche" in Moskau von Nj Ayuk, dem Vorsitzenden der Afrikanischen Energiekammer, die Absicht bekundet, russisches Know-how bei der Erdgasförderung und dem Transport über Pipelines zu nutzen.

Globale Forderung: Technologietransfer statt Monopole

Bei dem jüngsten Gipfeltreffen von G77 und China in Havanna wurde eine umfangreiche Abschlusserklärung unter dem Titel "Aktuelle Entwicklungsherausforderungen: Die Rolle von Wissenschaft, Technologie und Innovation" verabschiedet. Darin heißt es u.a.:

Wir lehnen technologische Monopole und andere unfaire Praktiken ab, die die technologische Entwicklung von Entwicklungsländern behindern.

Dies ist auch eine offene Herausforderung an die deutsche Industriestrategie. Das gilt vornehmlich für die aktuelle Fortschreibung der deutschen Wasserstoffstrategie, wie sie im Juli 2023 von Wirtschaftsminister Habeck vorgestellt wurde. Darin spielt die Infrastruktur für Importe aus Drittstaaten eine zentrale Rolle.

Dass dies wenig mit den Interessen der dafür vorgesehenen Produzentenländer zu tun hat, verbirgt sich hinter (üblichen) Floskeln wie:

Möglichst einheitliche Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssysteme tragen dazu bei, Produktqualitäten vergleichbar und überprüfbar zu machen …

Verdeckt wird damit, dass verbal bekundete Einsichten in die eindeutig vorhandenen Probleme, wie z.B. die koloniale Tradition in Namibia, keinerlei praktischen Konsequenzen haben. Dass diese Strategie auch das genaue Gegenteil der o.g. Forderungen des G77-Gipfels ist, liest sich an anderer Stelle wie folgt:

... ist es erforderlich, Forschung und Industrie in Deutschland langfristig und nachhaltig zu unterstützen und den Transfer aus der Forschung in Produktionskapazitäten zu beschleunigen, so dass deutsche Technologieentwickler Leitanbieter bleiben und Wasserstofftechnologien ‚Made in Germany‘ weiterhin international nachgefragt werden.

Die so konzipierte deutsche Wasserstoffstrategie ist aus zwei Gründen zum Scheitern verurteilt:

Zum einen erfordert eine industrielle Wasserstoffproduktion in entlegenen Regionen der Welt eine technologische Erprobung in Pilotprojekten mit längerer Laufzeit. Außerdem müssen Erfahrungen mit den Umwandlungsprodukten und deren Transportfähigkeit gesammelt werden, wobei derzeit vor allem Ammoniak im Gespräch ist.

Hinzu kommt, dass der Transport von Wasserstoff in bestehenden Rohrleitungsnetzen, die bisher für Erdgas genutzt wurden, technisch nur sehr eingeschränkt möglich ist, da Wasserstoff in höheren Konzentrationen schädigend auf metallische Werkstoffe in Rohrleitungen und Armaturen wirkt. Dies erfordert einen jahrzehntelangen Gesamtprozess zur Etablierung verlässlicher technischer Standards und einer kosteneffizienten Produktion.

Zweitens: Waren es damals technisch-wirtschaftliche Schwierigkeiten, die das Desertec-Projekt scheitern ließen, so sind es heute die politischen Rahmenbedingungen einer sich rasant entwickelnden multipolaren Welt. Die Ambitionen der ehemaligen Kolonialmächte – zu denen auch Deutschland gehört – sind gerade in Afrika leicht zu durchschauen. Es ist davon auszugehen, dass sich gerade dort eine rasante technologische Entwicklung mit chinesischen und russischen Kooperationsmodellen im Energie- und Transportsektor entwickeln wird.

Deutschland hingegen, einst Vorreiter bei den erneuerbaren Energien, droht beim weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energieträgern nicht nur immer weiter ins Hintertreffen zu geraten, sondern auch wirtschaftlich den Anschluss zu verlieren.

Ursprünglich wurde mit der Energiewende in den Nullerjahren auch das Ziel propagiert, den Energieverbrauch drastisch zu senken, weil nur dann eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien möglich sei. Inzwischen ist absehbar, dass es tatsächlich zu einer drastischen Senkung des Energieverbrauchs kommen wird, allerdings durch eine chaotisch verlaufende Deindustrialisierung Deutschlands.

Reale Alternativen – politisch aber utopisch

Die einzige Chance für Deutschland bestünde darin, sich aus der Abhängigkeit von der US-Politik zu befreien und die noch vorhandene Pipeline Nordstream 2 kurzfristig zu aktivieren. Doch dazu wird es mit der jetzigen Bundesregierung nicht kommen, trotz der jüngst auch vom russischen Präsidenten Putin bekundeten Bereitschaft.

Stattdessen werden vor der Küste Rügens gegen heftigen Widerstand schwimmende LNG-Terminals gebaut, die in sich schon ein ökologisches Desaster darstellen und zur Anlandung von teurem und umweltschädlichem Fracking-Gas aus den USA dienen sollen. Außerhalb Deutschlands versteht diese Politik niemand.

Nur mit einem weiteren Direktbezug von russischem Erdgas, der sukzessive reduziert werden sollte, wäre ein geordneter ökologischer Umbau der Energieversorgung in Deutschland möglich.

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