Wildes Drauflossubventionieren
Familienministerin von der Leyen will mit einem gestaffelten Kindergeld die Rente retten. Empirische Grundlagen dafür hat sie nicht
Dem Plan zufolge soll zukünftig ab dem dritten Kind ein Bonus von 50 Euro gezahlt werden. Für das erste und das zweite Kind soll es dem Vorschlag des an das Ministerium angegliederten "Kompetenzzentrums Familienleistungen" zufolge monatlich sechs Euro mehr geben.
Schon jetzt ist die Höhe des Kindergeldes gestaffelt: Für das erste, zweite und dritte Kind gibt es gemäß § 66 Abs. 1 EStG 154 Euro, ab dem vierten Kind 179 Euro monatlich. Dem neuen Plan gemäß läge das Kindergeld ab 1. Januar 2009 an für das erste und zweite Kind bei 160 Euro monatlich, für das dritte bei 204 Euro, für das vierte und alle weiteren Kinder bei 229 Euro.
Allerdings sind die Zahlen nach Angaben der Familienministerin noch vorläufig. Genaue wird es erst im September geben. In jedem Fall aber sollen die Zahlungen ab dem dritten Kind "deutlich" steigen.
Von der Leyen zufolge würde die staffelweise Erhöhung Kosten in Höhe von 2,2 Milliarden Euro verursachen, was von Bundesfinanzminister Steinbrück in der Frankfurter Rundschau bereits scharf kritisiert wurde. Insgesamt liegen die Ausgaben für Kindergeld und Kinderfreibeträge derzeit bei 36 Milliarden Euro im Jahr.
Als Begründung führte die Familienministerin eine von ihr erwünschte Steigerung der Geburtenrate ins Feld, welche die Rente "sichern" soll. Ob das eine rein quantitative Steigerung ohne Blick auf die Qualität wirklich vermag, ist allerdings fraglich. Wenn die zusätzlichen Großfamilienkinder in 15 Jahren als Erwerbslose enden, ist niemandem geholfen – am wenigsten den zukünftigen Rentnern. Werden Ausbildung und wirtschaftliche Möglichkeiten der potentiellen Einzahler in die Rentenkasse nicht in solche Planungen mit einbezogen, dann ist dem Sozialversicherungssystem auch mit einer noch so hohen Geburtenrate nicht gedient. Denn wenn Kinder aus Großfamilien mit stark erhöhter Wahrscheinlichkeit als "Bushido"-Hörer enden, dann sichern sie zukünftigen Rentnern nicht das Alterseinkommen, sondern rauben es ihnen eher – auch ganz wörtlich gesehen.
Selbst wenn die Kinder später gut verdienen, ist fraglich, inwieweit veränderte Arbeitsbedingungen mit einem erheblich erhöhten Anteil von Selbständigen zwar den Steuersäckel, aber nicht die Kassen der Rentenversicherung füllen. Hier würde eher der von der CDU-Führung bislang einhellig abgelehnte Vorschlag des Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Rüttgers helfen, in Zukunft auch Selbständige in die Pflichtversicherungen mit aufzunehmen.
Will man also mit dem Kindergeld die Rente sichern, dann sollte man wissen, welche genauen Auswirkungen eine so differenzierte Kindergelderhöhung wie sie von der Leyen vorschwebt, voraussichtlich hat. Grundfragen hierzu wären Daten über den Anteil der Sprösslinge ohne Schulabschluss in Familien mit einem, zwei und ab drei Kindern. Beim Bundesfamilienministerium gibt man relativ offenherzig zu, dass man keine solchen Daten hat und verweist auf das Bildungsministerium, wo man sich ebenfalls ahnungslos gibt. In den Entwurf des Kompetenzzentrums flossen solche Daten also offenbar nicht mit ein.
Dessen Grundlage ist ein Arbeitsbericht, der stattdessen Zahlen enthält, die belegen sollen, dass ein gestaffeltes Kindergeld angeblich armutsgefährdeten Familien stärker nutzen würde als ein gleichmäßig erhöhtes. Folgt man dieser Logik, dann stellt sich allerdings die Frage, warum in der derzeitigen Form des Kindergeldes überhaupt Steuerrecht, Sozialleistungen und Subventionen vermengt werden, anstatt die drei Bereiche sauber zu trennen und möglichst viele Steuergelder für eine gezielte Förderung bedürftiger Kinder zu verwenden.
Subvention ohne Rücksicht auf Bedürftigkeit
Es spricht viel dafür, dass mehr als drei Kinder mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in zwei Familientypen vorkommen: Zum einen in sehr wohlhabenden Schichten. Für sie stellt eine große Kinderzahl unter anderem aufgrund von Immobilienbesitz, Haushaltshilfen und Internaten kaum ein logistisches oder finanzielles Problem dar. Die Eltern solcher Familien sind allerdings, wie das Beispiel der Familienministerin selbst zeigt, so begütert, dass eine Kindergelderhöhung für sie wahrscheinlich nur selten eine Rolle spielt.
Die andere Gruppe, deren Anteil bei Familien mit über drei Kindern der Finanzierungslogik zufolge erhöht sein müsste, sind solche, die keine Familienplanung betreiben, weil sie das Kindergeld als zusätzliche Einnahmequelle sehen. Hier wirkt ein gestaffeltes Kindergeld durchaus als Anreiz. Allerdings ist fraglich, ob den daraus resultierenden Kindern auch ausreichende Betreuung zukommt, um später der "ererbten" Armut zu entfliehen. Hier müssten erst Missbrauchsmöglichkeiten eingeschränkt und verhindert werden, dass Eltern Geld- statt Sachleistungen erhalten, welche sie dann aber nicht für ihre Kinder, sondern für andere Zwecke verwenden. Seitens der Bundesregierung wird zwar eingeräumt, dass es dieses Phänomen gibt, aber Zahlen dazu liegen angeblich nicht vor. Seltsam, dass sie von der Politik nicht ermittelt werden - auch angesichts des breiten Raums, den die zahlreichen spektakulären Verwahlosungs- und Todesfälle in letzter Zeit in den Medien einnahmen.
So lange die Zahlung des Kindergelds ohne effektive Zweckbindung erfolgt, stellt sie für manche Familien zwar einen Anreiz dar, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen – der Anreiz, diese Kinder auch entsprechend zu versorgen und auszubilden, fehlt jedoch. Eine effektive Methode, solchen Missbrauch zu vermeiden, wäre, zumindest den Subventions- und Sozialleistungsanteil statt in direkte Zahlungen lieber in Kinderkrippen, Kindergärten, Schulspeisungen, Lehrmittelfreiheit, Uniformen und in ein gebührenfreies Studium zu stecken, statt ihn mit der Gießkanne als Direktzahlung auszuschütten.