Will die Bundesregierung den Betreibern alter Kraftwerke ein Gnadenbrot verschaffen?
Deutsche Energiewendevorschrift wird von der EU-Kommission beihilferechtlich überprüft
Mit der KapResV, einem Kernbestandteil des aktuellen Strommarktgesetzes, will die Bundesregierung den in der Folge der Energiewende aufgetretenen Änderungen in der Stromerzeugungsstruktur Rechnung tragen. Die im Entwurf vorliegende Verordnung ist Teil der Reform des Strommarktdesigns. Sie soll jetzt von der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission Gegenstand eines Beihilfeverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV werden, wurde am 19. Mai 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union verkündet. Im Rahmen de Prüfverfahrens wurden die Marktteilnehmer um Stellungnahmen gebeten.
Nach derzeitiger Einschätzung der Kommission handelt es sich bei dem vorgesehenen Regime zur Einrichtung und Vergütung der Kapazitätsreserve um eine Beihilfe, die in mehrerlei Hinsicht den Anforderungen der EU-Beihilfeleitlinien nicht genügt. Die Bundesregierung geht im Gegensatz zur EU-Kommission davon aus, dass die Situation bei der KapResV mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) vergleichbar sei und keine Beihilfe im Rechtssinne darstelle. Sie würde, selbst wenn man sie als Beihilfe ansähe, jedoch den einschlägigen EU-Anforderungen an eine Beihilfe entsprechen.
Was wird in der KapResV festgelegt?
In der Folge der Energiewende ändert sich die Struktur der Stromversorgung grundlegend. An die Stelle einer überschaubaren Anzahl an Großkraftwerken, deren Strom verteilt wird, treten zunehmend mehr deutlich kleinere Erzeugungsanlagen, die nur dann Strom liefern, wenn die entsprechende erneuerbare Energiequelle wie Sonne oder Wind verfügbar sind. Diese Anlagen speisen dezentral in die Mittel- oder Niederspannungsnetze ein. Zur weiteren Absicherung der Stromversorgung in Deutschland, also gewissermaßen als eine Art Hosenträger zum vorhandenen Gürtel, hat die Bundesregierung die Etablierung einer Kapazitätsreserve vorgesehen. Die Kapazitätsreserveverordnung sieht eine Reserve von 2 Gigawatt vor, die bundesweit auszuschreiben ist und Versorgungssicherheit in "nicht vorhersehbaren Extremsituationen" gewährleisten soll.
Gesetzlich festgeschrieben wird die Kapazitätsreserve im § 13e des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dort wird sie definiert als die ″Vorhaltung von Reserveleistung aus Anlagen, um im Fall einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems Leistungsbilanzdefizite infolge des nicht vollständigen Ausgleichs von Angebot und Nachfrage an den Strommärkten im deutschen Netzregelverbund auszugleichen″. Die Reserve dient somit dazu, durch zusätzliche, außerhalb des Strommarktes liegende Kapazitäten jederzeit auf kurzfristig auftretende Situationen reagieren zu können und dadurch die Stromversorgung abzusichern.
Die Kapazitätsreserve soll ab dem Winterhalbjahr 2018/2019 schrittweise aufgebaut werden. Ab diesem Zeitpunkt soll Reserve in der Höhe von 2 GW gebildet werden. Die Bildung der Kapazitätsreserve erfolgt durch die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Tennet TSO, 50Hertz Transmission, Amprion und TransnetBW ausgeschrieben werden. Als potentielle Erbringer von Reserveleistungen werden insbesondere stilllegungsbedrohte Anlagen in Betracht gezogen, da diese zu relativ geringen Kosten in die Reserve bieten könnten.
Diese Anlagen können auch wiederholt an dem Verfahren teilnehmen und als Reserve gebunden werden. Anlagen, die in der Kapazitätsreserve gebunden sind, dürfen ihre Leistung nicht mehr am regulären Strommarkt veräußern und müssen nach Ende der Bindung als Kapazitätsreserve stillgelegt werden. Sie dürfen nach ihrer Funktion als Kapazitätsreserve somit nicht mehr in den normalen Strommarkt zurückkehren, sondern müssen stillgelegt werden. Für die Bereitstellung der Anlagen in der Kapazitätsreserve bekommen die Betreiber der Anlagen eine jährliche Vergütung, die grundsätzlich alle entstehenden Kosten abdeckt. Die Kosten für die Bereitstellung der Kapazitätsreserve wird über die Netzentgelte auf die Endverbraucher abgewälzt.
Kritik am Entwurf der KapResV
War die KapResV ursprünglich nur auf die Berücksichtigung von Erzeugungsanlagen ausgelegt und erweckte den Anschein sie würde alten und aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr wettbewerbsfähigen Kraftwerken eine Art Gnadenbrot bieten, bevor sie stillgelegt und abgebrochen werden, wurden aus den ″Erzeugungsanlagen″ inzwischen ″Anlagen″. Damit können grundsätzlich auch abschaltbare Lasten an der Kapazitätsreserve teilnehmen. Für diese sollen dabei die gleichen technischen und wirtschaftlichen Anforderungen wie für Erzeugungsanlagen in der Kapazitätsreserve gelten.
Trotz dieser Änderung kritisiert der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) am vorliegenden Entwurf der Kapazitätsreserveverordnung, dass die Ausschreibungsbedingungen noch immer zu einseitig auf konventionelle Kraftwerke zugeschnitten seien. Somit gebe es im Rahmen der Ausschreibungen ÜNB für sogenannte regelbare Lasten keine faire Chance um zum Zuge zu kommen. Man solle die Ausschreibung der Kapazitätsreserve technologieoffen gestalten und das Poolen von Lasten ermöglichen, so dass auch kleinere regelbare Lasten eine Chance haben.
Die bislang vorgegebene Mindestgröße von 10 Megawatt für Gebote und der Ausschluss von Poolen aus verschiedenen Anlagen erweckt wie die Beschränkung auf die 110 kV-Ebene den Eindruck, dass man sich bei der Kapazitätsreserve voll und ganz auf die großen Kraftwerksbetreiber verlassen will und die seit der Energiewende sich verändernde Situation der Stromversorgung nicht berücksichtigen will. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass man den Betreibern der Altanlagen ein Gnadenbrot verschaffen will, könnte diese Idee jedoch noch an der aktuellen Überprüfung der EU-Kommission scheitern.