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Zur Verleihung des Förderpreises "The power of the arts" für Projekte zur kulturellen Integration von Flüchtlingen und Migranten
Philip Morris, der größte Zigarettenkonzern außerhalb von China, ist stolz auf sein Engagement zur Verbesserung der Welt. Das wurde auf einer Festveranstaltung letzten Dienstag in der Berliner Akademie der Künste deutlich. Auf drei Etagen des Akademiegebäudes am Pariser Platz feierte der Marlboro-Hersteller die Verleihung seines Förderpreises für Projekte zur kulturellen Integration von Flüchtlingen und Migranten. "The power of the arts" - so lautet das Motto des Förderprogramms, das über eine gleichnamige Webseite publik gemacht wurde.
Für das Preisgeld in einer Gesamthöhe von 200.000 Euro hatten sich rund 150 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet beworben. Die Auswahl der Preisträger erfolgte durch eine prominent besetzte Jury. Bei der Feier zugegen waren Hans-Jörg Clement, Leiter der Kulturabteilung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Ralf Fücks, langjähriger Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sowie der neue Volksbühnen-Intendant Chris Dercon, die Publizistin Kübra Gümüsay und die Kunstsammlerin Erika Hoffmann. Nur die Jurymitglieder Lamya Kaddor und Nikeata Thompson waren verhindert.
Nach dem Empfang mit Häppchen und Sekt werden die Gewinner von jeweils 50.000 Euro Preisgeld in kurzen Einspielfilmen vorgestellt. Im Trailer der Initiative Label M sind vier junge Männer in Markenklamotten zu sehen, die eine Mauer herunterspringen und über eine Seitentür in einen leeren Konzertsaal gelangen. Auf der Bühne machen sie dann die Hampelbewegungen nach, die sie aus den Rap-Videos auf Youtube kennen. In Saarbrücken, der Heimatstadt der Initiative, dürfen Jugendliche mit Migrationshintergrund Graffitis auf einen Autobahnsockel und auf andere von den Behörden freigegebene Flächen sprühen.
Im Trailer des Preisträgers Foundation Class halten zehn Teilnehmer einer Förderklasse an der Kunsthochschule Weißensee ihre Kameras in die Kamera. Flüchtlinge, die sich für künstlerisch begabt halten, werden hier auf die Bewerbung an einer deutschen Kunstakademie vorbereitet. Teamleiter Ulf Aminde möchte auf diese Weise die Kunstwelt verändern und dafür sorgen, dass "feministische Positionen und solche, die den kolonialen Kanon hinterfragen" noch mehr Platz bekommen als sie ohnehin schon einnehmen.
Der Einspielfilm der Kölner Initiative Un-Label ist im Garten des Georg Kolbe-Museums gedreht worden. Zu sehen ist ein Paar aus dem Ausland, das sich gegenseitig anpustet. Hinter den beiden steht ein Deutscher mit Down-Syndrom und gestikuliert. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass sich das Projekt gleichermaßen um die Integration von Migranten und die Inklusion von Behinderten bemüht. Im Programmheft berichten Teilnehmer von ihren Erfolgen: "Als wir in der Türkei getourt sind, wurden wir von einem grimmigen Busfahrer gefahren, wie man das eben so kennt. Nach ein paar Tagen wurde er total freundlich ...".
Der Name "Un-Label" deutet an, was im Laufe des Abends mehrmals betont wird: Die prämierten Projekte weisen das Label "Flüchtlingskunst" vehement von sich, sie wollen als "richtige Kunst" anerkannt werden. Das Problem dabei ist, dass die im Programmheft und den Trailern dokumentierten Darbietungen weniger Kreativität erkennen lassen als der Auftritt einer x-beliebigen Theater-AG an einer Berliner Gesamtschule.
Vielleicht entsteht der Eindruck der Beliebigkeit auch deshalb, weil die Flüchtlinge und Migranten bei der Preisverleihung kaum zu Wort kommen, obwohl sie in der ersten Reihe sitzen und manchmal auf der Bühne stehen. Allem Anschein nach reichen ihre Deutschkenntnisse nicht aus, um ihre Kunstkonzepte in Worte zu fassen. Stattdessen sprechen die deutschen Betreuer. Sie repräsentieren eine in den letzten beiden Jahren hierzulande rasant angewachsene Funktionärsklasse, deren Ansehen bzw. Einkommen davon abhängt, die Flüchtlingsintegration als Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Wer von dem Preisgeld wie viel abbekommt, lassen die Betreuer offen.
"Also ICH habe KEIN schlechtes Gewissen"
Den lebhaftesten Versuch, die Auswahlentscheidungen der Jury plausibel zu machen, unternimmt die Jurorin Kübra Gümüsay. Doch bei genauerem Hinhören erweisen sich ihre Lobreden auf die Preisträger als Stakkato leerer Dekorationsbegriffe wie Innovation, Offenheit, Wertschätzung oder Respekt. Nur einmal rutscht der Kopftuchträgerin, die ihre Medienpräsenz der Behauptung verdankt, Kopftuchträgerinnen würden benachteiligt, das hässliche Wort "Kapitalismus" heraus.
Doch das scheint Jörg Waldeck nicht zu stören, er ist von Gümüsays putzmunterem Geplauder sichtlich angetan. Als "Director Corporate Affairs" gehört er zu den Toplobbyisten von Philip Morris in Deutschland. Wer als Manager in dem multinationalen Tabakkonzern Karriere machen will, muss in Kauf nehmen, alle paar Jahre in ein anderes Land versetzt zu werden. Vielleicht kann Waldeck deshalb besser als der Durchschnittsbürger das Gefühl der Entwurzelung nachempfinden, unter dem viele Migranten leiden.
Sichtlich angetan ist Waldeck auch davon, wie seine Kollegin Elfriede Buben den heikelsten Moment des Abends meistert. Moderatorin Tina Gadow ist die Kritik zu Ohren gekommen, die Tabakindustrie vergebe nur deshalb so hohe Preisgelder, weil sie ein schlechtes Gewissen habe. "Also ICH habe KEIN schlechtes Gewissen", kontert Buben, was von den rund 200 Gästen mit Heiterkeit und erleichtertem Applaus quittiert wird.
Elfriede Buben leitet die Corporate Responsibility-Abteilung von Philip Morris Deutschland, die soziale und künstlerische Projekte an den Standorten des Zigarettenherstellers fördert. Das soll die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen festigen. Auf der Empfängerliste des Marlboro-Konzerns stehen u.a. das Künstlerhaus Bethanien in Berlin, die Dresdner Kunsthochschule und das Kulturzentrum Gasteig in München.
Neben der eigenen Belegschaft zählen Politiker, Journalisten und andere Personen des öffentlichen Lebens zu den Zielgruppen der Benefiz-Programme. In einem Strategiepapier der Corporate Affairs-Abteilung aus dem Jahr 2014 werden Spendengelder für wohltätige Zwecke als wichtiges Instrument zur "Normalisierung" des Unternehmens und seiner Produkte gekennzeichnet. Den Ruf, kein normales Gewerbe zu betreiben, hat sich der Marktführer der Tabakindustrie redlich verdient: Jahrzehntelang konnte Philip Morris Rekordgewinne erzielen, weil sein Management das Suchtpotential und die Gesundheitsgefahren des Rauchens systematisch verharmloste, was in enger Absprache mit den anderen Firmen der Branche geschah.
An den Gesundheitsgefahren des Rauchens hat sich im Übrigen nichts Grundlegendes geändert: Auch heute noch sterben jedes Jahr rund 40.000 Bundesbürger, weil sie die Produkte des Hauses Philip Morris konsumiert haben. Und immer noch sind die Lobbyisten des Konzerns eifrig darum bemüht, Gesetzesinitiativen zur Eindämmung des Tabakkonsums zu Fall zu bringen. Was sich in letzter Zeit jedoch grundlegend zu wandeln scheint, ist die Einstellung der Öffentlichkeit: Zumindest in der Berliner Republik interessiert sich kaum noch jemand für die dunklen Seiten der Tabakwirtschaft.