Windelpflicht für Kühe vom Tisch?

Der Bayerische Bauernverband präsentierte Die Zukunft des Körpers die EU-konforme Kuh mit Windel. Foto: © BBV

Die Bundesregierung will die Düngeverordnung den Wünschen der EU-Kommission anpassen, um eine Klage zu vermeiden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Nitratbelastung an den vorhandenen Messstellen im deutschen Grundwasser ist zu hoch. Die aktuelle Überarbeitung der deutschen Düngemittelverordnung geht der EU-Kommission zu langsam und so droht jetzt eine schon lange angekündigte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Dass Deutschland bei der Umsetzung von Vorgaben aus Brüssel in nationale Gesetze nicht so richtig in die Gänge kommt und dann zur Vermeidung einer Klage vor dem EuGH eine nicht zuende gedachte nationalen Umsetzung im Schweinsgalopp durch die Gesetzgebungsinstanzen prügelt ist nicht neu, wie das aktuelle ElektroG zeigt.

Seit Jahren wird in Deutschland die Neufassung des Düngerechts in der Konsequenz der EG-Nitrat-Richtlinie diskutiert (vgl. Kühe in Windeln gewickelt?). Ende des vergangenen Jahres hat die Bundesregierung den zwischen den zuständigen Ressorts abgestimmten Entwurf der Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen der EU-Kommission zur Notifizierung zugestellt. Das Inkrafttreten der novellierten Düngeverordnung ist nach dem Plan der Bundesregierung im 2. Quartal 2016 angestrebt.

In Brüssel war man mit dem Entwurf aus Berlin offensichtlich nicht zufrieden und will die schon länger angedrohte Klage vor dem EuGH jetzt anstrengen. Man konnte auf deutscher Seite zwar offensichtlich die Brüsseler Vorstellung eines Verbots der Düngung auf Hangflächen mit einer Neigung von mehr als 15 % in den Verhandlungen mit der EU-Kommission abwenden, welche die Landwirtschaft (und vor allem die Viehzucht) in den deutschen Mittelgebirgen praktisch unterbunden hätte, wollten die Landwirte ihre Kühe nicht mit Windeln ausstatten.

Mitte Oktober 2013 hat die EU-Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie eingeleitet und im Juli 2014 eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelt.

Anpassung der Düngemittelverordnung zur Klageabwendung noch möglich?

Die aus dem Jahr 1991 stammende EG-Nitratrichtlinie soll dafür sorgen, dass die Wasserqualität in Europa verbessert wird. Dazu soll die Verunreinigung von Grund- und Oberflächenwasser durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verhindert werden und der Einsatz von landwirtschaftlichen Verfahren gefördert werde, welche die Nitratbelastung reduzieren.

Nach den Vorgaben der EG-Nitratrichtlinie ist auch Deutschland verpflichtet, seine Düngeverordnung in vierjährigem Abstand auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und bei Bedarf weiterzuentwickeln. Bei der Überprüfung und Weiterentwicklung der Vorgaben der Düngeverordnung stützt sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die mit der Evaluierung der Düngeverordnung beauftragt war. Die Brüsseler Generaldirektion Umwelt (DG ENV) vertritt die Auffassung, dass auch der aktuelle und zur Notifizierung vorgelegte deutsche Gesetzesentwurf eine Reduzierung der Verunreinigung der Gewässer durch Nitrat nicht in ausreichendem Maße angeht. Um die Klage der EU-Kommission noch abzuwenden, will das BMEL die noch immer anstehende Novelle der Düngeverordnung noch so anzupassen, dass sie den Vorgaben der DG ENV entspricht.

Auch die Umweltverbände Greenpeace, NABU, Grüne Liga, WWF sowie der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) fordern konsequentere Schritte hin zu einer Reduzierung der Nitrateinträge. Nach Aussagen der Verbände bewegen sich die Nitrat-Überschüsse trotz zahlreicher Vorgaben mit fast 100 kg pro Hektar immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Und aufgrund des Booms bei industriellen Massentierhaltung und bei Biogasanlagen sei der Nitrat-Überschuss in vielen Regionen in den letzten Jahren sogar noch angestiegen. Von einer Reduzierung des Düngemitteleinsatzes in der Landwirtschaft auf ein umweltverträgliches Maß scheint man noch weit entfernt zu sein.

Während der Deutsche Bauernverband sich in Abwehrhaltung gegen die Brüsseler Vorstellung positioniert und die Bundesregierung auffordert, "deutlicher aufzuzeigen, dass mit dem Entwurf der Düngeverordnung die Vorgaben der EU hinreichend umgesetzt worden seien", stellt das Umweltbundesamt (UBA) fest, dass die von der Landwirtschaft verursachten Emissionen anteilig zunehmen. In einem Diskussionspapier zu den Klimazielen 2050 wurden als Schlüsselmaßnahmen zur Erreichung der Ziele die Reduzierung der Nitratüberschüsse, der Erhalt der Vorräte an organischer Bodensubstanz sowie eine Rückführung der Tierbestände identifiziert.

Auch Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch wirft Berlin vor "Die Bundesregierung missachtet seit zehn Jahren die Regeln zum Wasserschutz und hat damit die Schleusen für die industrielle Massentierhaltung geöffnet." Neben der sogenannten Hoftorbilanz fordert die Germanwatch eine bundeseinheitliche Gülle-Transportdatenbank. Damit sollen Nährstoffströme aus gewerblichen Tierhaltungen aus dem In- und Ausland wirksam zu kontrolliert werden. Auch beim Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft weißt man auf einen akuten Handlungsbedarf der Bundespolitik hin. Die Ursachen für die Gewässerverschmutzung lägen daran, dass zu viele Tiere auf zu kleiner Fläche gehalten würden sowie an Gülleimporten aus Nachbarländer und einem zu großen Einsatz von Mineraldünger.

Sollte die Bundesregierung es schaffen, die Düngeverordnung entsprechend den Wünschen der EU-Kommission anzupassen, könnte Brüssel die Klage auch wieder zurücknehmen, weil sich der Klagegrund erübrigt hat. Ob die Bundesregierung noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt, dürfte sich bis Ende Juni zeigen, wenn der nach Brüsseler Wünschen verschärfte Entwurf der Düngemittelverordnung vorliegt.