Windenergie: Fadenriss und Ausbaustillstand?

Seite 2: Ausbau der Erneuerbaren geht zu langsam voran

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) und Industrieverbände befürchten, dass es beim Ausbau der Offshore-Windparks auf See zu langsam voran geht. Zwar laufe derzeit alles nach Plan, aber aus ihrer Sicht werde zu wenig getan, um das offizielle Klimaschutzziel für 2030 zu erreichen, heißt es in einer Pressemitteilung der Branche. Die Bundesregierung unternehme zu wenig, um tatsächlich bis 2030 65 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energieträgern abzudecken.

Dem BWE und dem Herstellerverband VDMA Powersystems schwebt vor allem vor, dass zum einen die Ausbauziele in allen Sparten angehoben werden. Insbesondere fordern sie, dass das Ziel für die Offshore-Windkraft von 15 auf 20 Gigawatt (GW) bis 2030 aufgestockt wird und für 2035 30 GW anvisiert wird. Zum anderen fordern sie zusätzliche Ausschreibungen, da sie nach 2020 einen Rückgang der Ausbauaktivitäten befürchten.

Das würde nicht zuletzt zum Verlust von Arbeitsplätzen - derzeit sind nach Branchenangaben rund 27.000 Personen in der Offshore-Windindustrie beschäftigt - und im schlimmsten Fall auch zu einem sogenannten technologischen Fadenriss führen, wenn wichtige Firmen aus Mangel an Aufträgen Konkurs anmelden und Fachkräfte die Branche verlassen.

Ähnliches befürchtet auch die Industriegewerkschaft Metall. Eine von ihr in Auftrag gegebene Umfrage unter Betriebsräten hatte kürzlich ergeben, dass die meisten Belegschaftsvertreter in der Windindustrie derzeit mit Sorge in die Zukunft blicken.

Senvion aus Hamburg (ehemals Repower) hat, wie berichtet, bereits sein Stammwerk im schleswig-holsteinischen Husum sowie ein weiteres im brandenburgischen Trampe geschlossen. In Bremerhaven und im niedersächsischen Lemwerder mussten Ende letzten Jahres die der Rotorblatthersteller Power Blades und Carbon Rotec Insolvenz anmelden. 2.000 Arbeitsplätze seien insgesamt bereits verloren gegangen, heißt es bei der Gewerkschaft.

Während das Auslandsgeschäft ganz gut läuft, machen sich sowohl die IG Metall als auch die Betreiber- und Herstellerverbände große Sorgen um die Entwicklung des Binnenmarktes. Durch anfängliche Fehler im neuen Ausschreibungssystem geht derzeit der Ausbau der Windkraftanlagen an Land deutlich zurück und wird im kommenden Jahr vermutlich noch weiter schrumpfen. Das Problem ist seit längerem bekannt, weshalb sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag auf baldige Sonderausschreibungen geeinigt hatten. Doch die Sache verzögert sich. Dem Vernehmen nach blockieren Teile der CDU einen entsprechenden Gesetzentwurf, an dem das Wirtschaftsministerium eigentlich arbeiten sollte.

Aber selbst wenn dieser Knoten nach der Sommerpause endlich zerschlagen werden sollte, bleibt noch ein weiteres großes Problem: Die langfristigen Ausbauziele sind sowohl für Biogas und Solaranlagen als auch für Wind an Land und auf See zu niedrig, um die ohnehin zu wenig ambitionierten Klimaziele für 2030 zu erreichen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht in seiner aktuellen Fassung vor, dass der Wind-Zubau an Land auf eine jährliche Leistung von 2,8 GW bzw. 2,9 GW ab 2020 begrenzt werden soll. Das wäre nur gut die Hälfte des noch 2017 erreichten Zubaus.

Außerdem sind das Bruttozahlen, mit denen auch die Altanlagen ersetzt werden müssen, die vermutlich ab 2020 in zunehmender Zahl vom Netz gehen werden. Zwischen 2020 und 2025 werden nach den Angaben des BWE Altanlagen mit einer Leistung von 16 GW, die zu Beginn des Jahrtausends errichtet wurden, aus der Förderung durch das EEG heraus fallen.

Bisher ist noch unklar, ob für die Betreiber ein Rahmen geschaffen wird, der es ihnen ermöglicht, ihre abgeschriebenen Anlagen noch ein paar Jahre weiter laufen zu lassen. Andernfalls würde der vorgesehene Ausbau gerade reichen, um die abgeschalteten Kapazitäten zu ersetzen. Der weitere Ausbau würde nahezu zum Erliegen kommen.

Aber selbst im besten Fall würden die alten Anlagen durchschnittlich vermutlich nur noch fünf bis acht weitere Jahre über die Förderzeit von 20 Jahren hinaus laufen. Wenn also die Nutzung der Windkraft weiter ausgeweitet werden soll, muss der einsetzende Wegfall der Altanlagen eingerechnet und die Ausbauziele deutlich angehoben werden.