Winterliche Reise nach Serbien

Das Festival VideoMedeja in Novi Sad

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Im von Krieg und Embargo immer noch gezeichneten, westlichen Serbien, fand am 20. und 21. Dezember 96 das erste Festival für Videoproduktionen von Frauen aus Osteuropa statt. In einer Stadt, die sowohl in der feministischen Theorie als auch in der experimentellen Filmproduktion eie eigene Geschichte aufzuweisen hat, zeigt sich die Chance für einen Neubeginn. Kathy Rae Huffman berichtet.

Einleitung

Novi Sad, eine lebendige Universitätsstadt in Serbien, ist die erste großstädtische Haltestation nach dem Grenzübertritt von Ungarn nach Yugoslawien. Würde man im Zug bleiben, wäre man eine Stunde später in Belgrad. Gemeinsam mit Diana Mc Carthy (Co-organisatorin der Metaforum Konferenz, Budapest) im Zug zur Veranstaltung "VideoMedeja" angereist, fanden wir bei der Ankunft eine sehr freundliche Aufnahme. Ein vom Festival angeheuerter Fahrer nahm uns die Furcht, den Veranstaltungsort eventuell schwer zu finden. Der Fahrer empfing uns am Bahnsteig, Schilder mit unseren Namen drauf hochhaltend.

Wir waren uns wirklich nicht sicher, was uns erwarten würde, obwohl wir schon einen Monat lang mit den OrganisatorInnen per Email in Kontakt waren und uns immer wieder versichert wurde, daß die Reise für uns gefahrlos sei. Die Berichte in den westlichen Medien über Serbien klangen düster, mit sensationslüsternen Reportern, die prophezeiten, noch vor Weihnachten würden die Studentenproteste zu gewalttätigen Ausschreitungen führen. Die Proteste in Belgrad hatten sich zu diesem Zeitpunkt förmlich ins Straßenleben eingegraben, den Autoverkehr, die Busse, alle Formen von Bewegung in der Innenstadt zum Erliegen gebracht.

Ganz im Gegensatz dazu fanden wir Novi Sad in den Vorbereitungen zur Urlaubszeit und sogar Weihnachtsbeleuchtung war in der Einkaufszone in der Innenstadt in der Nähe der orthodoxen serbischen Kirche angebracht. Die Geschäfte waren voller Waren und trotz hoher Preise gab es Kundschaft.

Besonders teuer fielen die Mahlzeiten aus, z.B. ein gemäßigter Business-Lunch im Hotel-Cafe kam auf 85.- DM. Die meisten Verkäufer in den Geschäften sprachen ein wenig Deutsch oder Englisch. Später erfuhren wir, daß Novi Sad einen größeren Ausländeranteil in seiner Bevölkerung als jede andere Stadt in Serbien hat, aufgrund seiner hochangesehenen Fremdsprachenabteilung an der Universität.

Die Einwohner von Novi Sad sind auf ihre pazifistische Tradition stolz. Die Bauern der Umgebung stehen im Ruf, vielen jungen Männern Unterschlupf gewährt zu haben, die nicht gegen ihre Nachbarn in Bosnien und Kroatien Krieg führen wollten. Es gab auch hier einige kurze Gewaltausbrüche, als 1991 das Land in Einzelteile zu zerfallen begann. Nichtsdestotrotz leiden die Einwohner von Novi Sad mehr an einer Depression über ihre Zukunftsaussichten im allgemeinen und die ökonomische Krise und die politische Zensur im besonderen. Man hörte Berichte über viele Selbstmorde... Erst seit kurzem ist die Kommunikation zwischen Yugoslawien und den Nachbarländern Kroatien, Bosnien und Slowenien, ganz zu schweigen von anderen europäischen Städten, wieder möglich geworden. Das VideoMedeja Treffen fand nahe am Stadtzentrum statt, ein großer offener Platz umfaßt vom Rathaus, der Orthodoxen Kathedrale und einer McDonalds Niederlassung.

Jeden Abend füllt sich dieser Platz mit ein- bis zweitausend Studenten, die auf eine fröhliche Art und Weise für politische Gerechtigkeit demonstrieren, in Solidarität mit ihren Belgrader Kollegen. Wir nahmen an einem Samstag Abend an einer dieser Demonstrationen teil, und obwohl uns dadurch einige Videos entgingen, fanden wir diese Erfahrung sehr wichtig, um das Gemeinschaftsgefühl verstehen zu können und auch als eine ganz persönlich bereichernde Erfahrung für uns selbst.

Das Festival

************************************* VideoMedeja - Novi Sad, Yugoslavia December 20 & 21, 1996 Organized by VideoMedeja / Association "Apostrof" Executive organizer: Branka Milicic-Davic Editor (curator): Vera Kopic

Von großer Begeisterung getragen, fand am 20. und 21. Dezember das VideoMedeja Treffen im Theater von Novi Sad statt. Es war das erste Festival für Videoarbeiten von Frauen aus Osteuropa. Die Aufführungen fanden Freitag und Samstag Abend im Theater von Novi Sad statt, ein in Würden gealtertes Kino mit festgeschraubten Sitzen, das etwa 200 Personen Platz bietet. Es war bitterkalt und regnete, doch das hinderte scheinbar niemanden, die Veranstaltung zu besuchen.

Das Symposium wurde am Samstag vormittag in der Halle des Ben Akiba ClubŽs abgehalten, ein mit dem Kino zusammenhängendes Cafe. Trotz des Titels "Weiblicher Narzissus - Lüge und Identität" widmete sich das Symposium überwiegend lokalen Themen, wie der Vernetzung mit anderen Festivals und dem Zugang zu Produktionsmitteln und Technik für die Videomacherinnen. Einige wenige Männer waren beim Symposium anwesend und typischerweise dominierten sie häufig die Diskussionsrunde. Einige ältere Frauen schlugen vor, daß spätere Festivals auch Männer zulassen sollten, da sie den Frauen ja so hilfreich zur Seite stehen würden. Doch die Organisatorinnen widerstanden diesem Vorschlag und verwiesen darauf, daß das nicht Teil ihrer eigentlichen Absicht sei.

Alles in allem war VideoMedeja eine sehr unpretentiöse Veranstaltung. Diese Tatsache, daß es sich um eine Veranstaltung ohne steife Kragen und Manschetten handelte, ohne teure Empfänge, Cocktail-Parties, Abendessen, schmälerte den Ernst der Organisatoren und Gäste und die Qualität des Programms keineswegs. Nur drei Gäste aus dem Westen nahmen teil, außer mir und Diana noch Adele Eisenstein, ebenso wie Diana eine Amerikanerin, die in Budapest lebt. Drei Repräsentanten des Mediawave Festivals (Györ, Ungarn, 28.April bis 3.Mai 97) nahmen ebenfalls teil und zeigten eine Präsentation des geplanten Festivals. Auf Grund sprachlicher Schwierigkeiten gelang es uns aber kaum, mit ihnen in einen echten Dialog zu treten.

Die Organisatoren waren sich dessen bewußt, daß eskalierende Demonstrationen und verständliche Angst vor politischen Unruhen höchstwahrscheinlich viele Interessentinnen von einer Reise nach Rest-Yugoslawien abhalten würde. Doch sie wollten ihren Plan unbedingt durchführen, insbesondere für die lokalen Künstler und das Publikum.

Warum VideoMedeja?

Nach der großen Wirtschaftskrise und den erst kürzlich beendeten Embargos bezüglich Kommunikation, Post, Nahrungsmittel, ja eigentlich beinahe alles, drängt sich schnell die Frage auf, warum ein derartiges Festival zu dieser Zeit und das ausgerechnet in Novi Sad. Es scheint ein sehr unwahrscheinlicher Ort für derartige Aktivitäten zu sein, abseits der Hauptreiserouten gelegen und ganz gewiß kein Ort einer fokussierten Aufmerksamkeit für Neue Medien. Das instabile und von Willkür beherrschte politische Klima würde wohl die meisten Veranstaltungsorganisatoren im Westen davon abhalten, auch nur ein einfaches Programm statfinden zu lassen.

Ich wurde jedoch schnell mit der Tatsache vertraut, daß es in Novi Sad eine lange Tradition der Auseinandersetzung mit Film und Neuen Medien gibt. Nach Lidija Srebotnjak, die an der Akademie der bildenden Künste in Novi Sad lehrt, gab es hier seit den siebziger Jahren Klassen für Multimedia. Sie war recht stolz, mich darüber informieren zu können, daß Marina Abramovic während ihrer Studienzeit hier für ein Jahr studentische Assistentin gewesen war. Und an der Universität sind Lehrgänge in feministischer Theorie ebenso Teil des normalen Studienganges.

Ein Besuch beim Sponsor, dem "Fund for an Open Society (OSI)"

Der "Fund for Open Society", der seit einigen Jahren in Novi Sad aktiv ist, hat hauptsächlich Workshops für Kinder organisiert. Es gibt Klassen für die verschiedensten kulturellen Gebiete, wie Englisch, Puppen basteln, Theater. Ein Team von Psychologen bietet besondere Hilfe für Erwachsene an, hauptsächlich für Kriegsflüchtlinge. Das Gesamtgefüge der Bevölkerung in Novi Sad ist durcheinandergeraten, weil es so viele neue Einwohner gibt, die meisten sind Opfer des Krieges. Die Flüchtlingskinder machen bis zu 80% der Schüler in den Klassen aus, nach Sarita Matijevic, Koordinatorin des Programms von Novi Sad. Es ist eines der Hauptziele von OSI, die Integration dieser Kinder zu fördern.

Wir nahmen die Gelegenheit für eine kurze Führung durch die vollgepackten Büroräume des OSI wahr und mußten uns dabei erst einen Weg durch das Treppenhaus bahnen, das von dutzenden aufgeregten Teenagern besetzt war, die auf den Beginn ihrer Kurse warteten. OSI Novi Sad war der finanzielle Hauptsponsor des VideoMedeja-Festivals

Allgemeine Eindrücke

Die Beiträge kamen aus verschiedenen osteuropäischen Staaten, waren neu und zum Großteil provokativ. Die Videos wurden auf eine große Kinoleinwand projeziert, was der Wahrnehmung ihrer technischen Qualität nicht eben förderlich war. Die Informationen waren minimal gehalten. Es gab nirgends einen Zeitplan, außer am Veranstaltungsort kurz vor Beginn der Programme, doch diese Zeitpläne erwiesen sich dann als sehr zuverlässig, alle Videos begannen pünktlich. Die meisten der aufgelisteten Zusatzveranstaltungen fanden auch tatsächlich statt, nur die Eröffnungsperformance von Milica Mrdja Kuzmanov (Rites of Body and Soil) mußte auf Grund einer Erkrankung kurzfristig abgesagt werden.

Die Repräsentation einiger osteuropäischer Länder, in denen Videokunst ein wohlbekannter Begriff ist, fiel leider sehr bescheiden aus. So gab es z.B. keine Beiträge aus Russland oder Ländern der ehemaligen Sowietunion. Doch wie die Organisatoren erklärten, war es ihr erster diesbezüglicher Versuch und sie hatten nur wenig Zeit für die aktive Vorbereitung, ab dem Zeitpunkt als sie wußten, daß sie tatsächlich die beantragte finanzielle Unterstützung erhalten würden.

Die Kommunikation und die Verbindungen zu anderen Organisationen und Gruppen erwiesen sich als noch sehr neu und wenig etabliert, ebenso wie das Wissen der Organisatoren über die internationale Festivalszene. Aber gerade dadurch wurde auch ein sehr frischer Zugang gewährleistet und die Organisatoren arbeiteten eng mit lokalen Ratgebern zusammen, die bereits die Möglichkeit zu mehr Auslandsreisen gehabt hatten und sich ander Programmplanung beteiligten. Dieses Beratungsgremium bestand aus:

  1. Biljana Tomic, Kurator des Kunstprogramms am Studentenkulturzentrum Belgrad;
  2. Lidija Srebotnjak, Dozentin an der Abteilung für Multimedia Forschung der Kunstakademie Novi Sad; Aleksandar Davic, Regisseur, Videokünstler und Lehrassistent and der Abteilung für Drama and der Kunstakademie Novi Sad.

Sie nahmen sichtbar am Programm und den Diskussionen teil.

Meine Vorkommunikation mit den Organisatorinnen stützte sich zur Gänze auf Email. Adele Eisenstein, Budapest, hatte von der Veranstaltung erfahren, als sie am Festival "Stadt der Frauen" in Slowenien im Oktober 96 teilgenommen hatte und sandte eine Nachricht an einige Videospezialisten, die sie kannte. Meine Emails an die Veranstalter wurden immer sehr prompt beantwortet, doch wie ich erfuhr, als ich in Novi Sad ankam, empfingen sie die Emails nicht direkt. Sie wurden (wahrscheinlich) wie Faxe ausgedruckt und ihnen von einem benachbarten Büro im selben gebäude zugestellt.

Für Privatpersonen ist Internet-Zugang in der Republik Yugoslawien noch immer eine sehr teure Angelegenheit, das beginnt schon beim Kauf der Modems, Accounts mit Einwählzugang sind teuer und die Qualität der Telefonleitungen ist dürftig. Das Browsen im Internet, wenn es überhaupt stattfindet, beschränkt sich auf Sitzungen nach Mitternacht an einem der Rechner am Rechenzentrum der UNI. Die Festival-Organisatoren sind sich dessen bewußt, daß sehr viele kreative Arbeit im Internet stattfindet, doch im Augenblick müßen sie diesen sektor auf die Zukunft verschieben, eine Zukunft, in der die Telefone funktionieren und privater Internetzugang leistbar ist.

Programm-Höhepunkte

Ein großer Teil der Auswahl bestand aus Performance-Arbeiten, mit u.a. neuen Stücken von Jasna Hribernik (Ljubljana), Natasa Prosenc (Ljubljana), und Olivera Milos Todorovic (Belgrad). Wenige der Videos benutzten Spezialeffekte oder Computergrafik. Nur die Slowenischen Autorinnen hatten Zugang zu fortgeschritteneren Technologien. Der Körper war das Hauptinstrument des Ausdrucks, der großer vereinheitlichende Signifikator der Beiträge der Frauen aus Osteuropa.

Ein hervorragendes Video kam von Alicja Zebrovska (Krakau, Polen), genannt "The Original Sin(Part 1)" und "The Mistery is Looking On (Part II)", ein fünfminütiges Video, produziert 1994, in dem ein Glasauge in die Vaginalöffnung eingefügt ist, umrahmt von Augenmakeup und falschen Wimpern. Es dauert eine Minute oder zwei, bis das Auge herausgedrückt wird und sich der wahre Charakter des Orts enthüllt.

Eine Performance von Miroslava Mima Orlovic, "Dodirni Me (Touch Me)" brachte das Publikum in der Eröffnungsnacht zusammen. Die Performance benutzte elektrischen Strom und Video. "Dodirni Me" wurde 1995 zum ersten Mal gezeigt, doch es war eine frische und aufregende Erfahrung für alle.

Diese sehr persönliche Arbeit benutzte ein Gerät, das Miroslava von ihrer Großmutter geschenkt bekommen hatte, ein medizinisches Gerät, das eine Spannung von 20, 30, 40, 50 oder 80 Volt erzeugt (ähnlich dem Gerät, das Stelarc für "Fractal Flesh" benutzt). Wie Miroslava erläuterte, glaubte man damals, 1931, daß elektrische Spannung wohltätige Auswirkungen auf die Gesundheit habe und es war eine gängige Behandlung, mit der z.B. ihre Großmutter versuchte, ihre Arthritis zu kurieren.

Bei der Performance selbst benutzte Miroslava ihren Körper als Leiter für elektrische Energie. Sie zog sich in ein kleines, von Vorhängen umgebenes Umkleidekabinett zurück und streckte ihre Arme hinter dem Vorhang hervor. Die ausgestreckten Hände luden Leute aus dem Publikum ein, sie zu berühren, ebenso wie ein Videoloop, auf dem die Worte "Berühr mich" in verschiedenen Sprachen wiederholt wurden. Beim Berühren der Finger der Künstlerin sprang ein Funke über, ebenso wie ein kleiner Elektroschock.

Nachdem zahlreiche Personen an dieser Erfahrung teilhaben konnten, aus der Schlange der Anstehenden die anderen beobachtend, kam ein Teilnehmer plötzlich auf die Idee, Miroslavas Hand fest zu packen, wobei kein Elektroschock mehr ausgetauscht wurde.Schnell organisierte sich das hauptsächlich weibliche Publikum in einem Kreis, der sich nur manchmal öffnete, um ein neues Mitglied einzulassen. Die Kette der Hände hielt fest zusammen und schnell entstand ein weitherziges Gefühl der Verbundenheit. Der Kreis bestand weit länger, als nötig gewesen wäre, um nur die kurze Sensation zu empfinden.

Eine Diskussion spät nachts

Spät nachts traf ich mit den Organisatoren von VideoMedeja zusammen, in der geräuschvollen Kulisse des Ben Akiba Clubs. Branka Nikolic war die ausführende Organisatorin und zugleich die einzige Dolmetscherin, die uns zur Verfügung stand. Auf Grund der geräuschvollen Kulisse ist es bei den Aufzeichnungen nicht mehr unterscheidbar, wer welche Antwort gab, so daß ich alle Antworten Branka zuordne.

Kathy Rae: VideoMedeja dauert nur zwei Tage. Ist das genug? Fühlt ihr euch gut bezüglich des Programms?

Branka: Wir hatten nur begrenzte Zeit für die Vorbereitungen, da wir erst im Oktober erfuhren, daß wir das Geld bekommen würden. Und unsere finanziellen Mittel sind auch sehr begrenzt.

K: Mit welchem Budget habt ihr gearbeitet?

B: Wir erhielten 10.000 DM vom "Fund for an Open Society", die wir für die Reisekosten der osteuropäischen Frauen, die Produktion des Katalogs und die Miete des Kinos aufwenden konnten. Wegen der grenzen, die uns gesteckt waren, beschlossen wir, daß das Programm nur 2 Tage dauern, dafür aber sehr straff sein sollte. In Novi sad hat es noch nie ein derartiges Ereignis gegeben, deshalb war unsere Strategie, für die Medien attraktiv zu sein und ein lokales Publikum anzuziehen. Nächstes Jahr werden wir versuchen, ein besseres Programm zu machen, länger und anders. Das Programm wird sich weiterhin auf Künstlerinnen aus Osteuropa konzentrieren und wir wollen auch Workshops haben. Außerdem möchten wir versuchen, die neuen Medien mit einzuschließen. Du weißt ja, es ist immer alles eine Frage des Geldes.

K: Wie entstand eigentlich die Idee zum Festival?

B: Wir wissen, daß Frauen wichtige Arbeiten mit dem Medium Video machen, mehr vielleicht als mit jedem anderen Medium. Vera nahm am Kurzfilmfestival in Belgrad teil und sie sah dort Arbeiten an der Akademie der bildenden Künste. Sie war auch in Slowenien und sah viele gute Arbeiten. Die slowenischen Künstlerinnen machen großartige Arbeiten, sie sind sehr interessant für uns, gerade weil sie sich mit Yugoslawien auseinandersetzen.

K: Wie sieht es mit Kroatien aus? Ich denke z.B. daß die Arbeit von Sonja Ivekovic in diesem Kontext besonders gut und wertvoll wäre.

B: Nun, wir haben Breda Beeben und Hrvoje Horvatic, die beide aus Zagreb sind, aber im Moment in London leben. Wir versuchten an Künstler aus Kroatien heranzukommen, doch die Kommunikation über Telefon ist immer noch ein großes Problem und mit der Briefpost ist es noch schlimmer. Das Ende des Krieges ist immer noch in allzu frischer Erinnerung.

K: Was hat euch an Video interssiert? Es gibt ja in dieser Region eine sehr lange Tradition mit Film.

B: Der interessanteste Aspekt an Video für uns ist, daß es eine Kunstform für kurze Stücke ist. Das ist nicht wie ein Spiel- oder Dokumentarfilm. Deshalb gibt es hier sehr viele offene Fragen. Wenn die Filme kurz sind, muß man sich immer wieder Fragen über die persönliche Politik stellen. Außerdem ist uns aufgefallen, daß die Themen in den Videos ganz verschieden von denen sind, mit denen sich die Filmleute beschäftigen.

K: Welche anderen Dinge beschäftigen euch in Novi Sad, wenn ihr gerade kein Festival organisiert?

B: Ein Teil unserer Arbeit ist die Agentur "The Artistic Association Apostrof". Sie präsentiert Arbeiten anderer Künstler und, das ist sehr wichtig für uns, publiziert Magazine und Kataloge. Ein Magazin erscheint sogar auf ungarisch. Und ein anderer Teil sind die Produktionen unserer eigenen Arbeiten. Das sind Performances, die wir mit Video aufzeichnen. Wir möchten uns auch dem Multimedia-Bereich zuwenden.

K: Wird das eine neue Agentur?

B: Wir haben erst vor drei Jahren begonnen. Das fiel genau mit dem Beginn der Embargos zusammen und es war sehr schwierig für uns, mit irgendjemandem auf irgendeine Art in Kommunikation zu treten.

K: Es ist aufregend, etwas neues zu beginnen, eine Art Unternehmen zu starten. Was waren dabei eure Ideen?

B: (lacht) Unsere Idee war einfach zu überleben. Zu der Zeit war es sehr düster, kulturell tot. Wir betrachteten uns als eine Art Virus. Es ist sehr schwierig, in einem Land, das mit Sanktionen belegt ist, irgendetwas zu erreichen. Jede Zusammenarbeit mit dem Ausland ist verdächtig. Wir dachten, daß die Sanktionen geistig zu überstehen nur möglich ist, wenn wir für die Zukunft arbeiten, für neue Projekte, auch wenn es erstmal nur Ideen sind. Niemand wußte damals, ob sich diese Ideen je durchsetzen würden. Aber die Alternative war, gehirntot und paranoid zu werden.

K: Gab es hier irgendeine Art kultureller Szene, wie Gallerien oder ein Museum?

B: Ja, es gibt eine sehr wichtige Gallerie hier in Novi Sad, doch der Großteild der zeitgenössischen Kunst findet in Belgrad statt. Im Augenblick bereiten wir eine Ausstellung von Frauen unter dem Titel "Der Spiegel der Seele" vor, die hier in Novi Sad im Januar stattfinden soll. Wir wollen Aufmerksamkeit für die Arbeiten dieser Frauen schaffen.

K: Zurück zu VideoMedeja? Wann wird das Festival das nächste Mal stattfinden?

B: Nun, es wird früher im Jahr stattfinden, das ist zu knapp an Weihnachten, wie alle gesagt haben.

K: Werdet ihr zu anderen Festivals fahren, um Arbeiten zu sehen?

B: Ja, wir haben einige Verbindungen nach Frankfurt. Sie haben uns angeboten, eine Präsentation von VideoMedeja zu machen. Wir werden unsere Reisezeit gut abstimmen, um auch an anderen Festivals teilnehmen zu können.

Anmerkung: Das Gespräch löste sich in eine Diskussion über Frauen, Video und Medien im allgemeinen auf. In Yugoslawien, so wurde mir gesagt, sind Frauengruppen ganz allgemein an Video interessiert, als Mittel zur Dokumentation, aber auch als expressives Medium. Die Szene für neue Medien wie WWW, CD ROM, Animation ist sehr sehr klein und neigt dazu, sich dem kommerziellen Bereich zuzuwenden.

K: Laß uns auf VideoMedeja zurückkommen, okay?

B: Wie du weißt gibt es hier eine Tradition im Bereich Video und Kurzfilm. Seit 1979 gibt es das Medienstudio an der Akademie der bildenden Künste. Frauen waren von Anfang an bei diesem Programm stark beteiligt (von Marina Abramovic wurde schon gesprochen). Einer der Gründe, mit Video zu arbeiten, ist der Wunsch, Kunst zu schaffen. Ende der sechziger Jahre war die Akademie sehr bekannt als Schule für Dokumentarfilm. Einige der wichtigsten Filme der Zeit wurden von Leuten aus Novi Sad gemacht. Es war ein Zentrum der Medienproduktion. Doch obwohl diese Tradition für "time based art" hier bestand, ist die Filmindustrie, auch für Kurzfilme, mittlerweile tot. Video ist einfach billiger und deshalb arbeiten immer mehr Leute damit.

K: Warum dieses Symposiumsthema vom "weiblichen Narzismus"?

B: Genau das geschah mit uns in den letzten Jahren und kann mit allen Frauen in Osteuropa geschehen. Video ist ein Medium, mit dem man diese Emotionen leicht zum Ausdruck bringen kann.

K: Gibt es denn keine jüngeren Frauen in Yugoslawien, die mit Video arbeiten?

B: In Slowenien ist Video viel besser etabliert, es hat dort eine längere Tradition.

K: Nun, eigentlich ging es dort viel später los als in diesem Teil des Landes. Ich habe erwartet, mehr Arbeiten aus Belgrad zu sehen, beispielsweise.

B: Es ist nicht so, daß es keine Produktionen gibt. Es war nur sehr schwierig für uns, welche zu finden. Im nationalen Fernsehen gibt es schon seit Jahren nichts mehr zu sehen. In den ersten Monaten nach dem Krieg, konnte man gar nichts machen, bloß herumsitzen. Und es ist immer noch nicht zu jeder Zeit möglich, mit Belgrad zu telefonieren.

K: Jetzt da das Festival vorüber ist, was sind eure Pläne für nächstes Jahr?

B: Wir möchten ein Festival machen, bei dem wir unsere Erfahrungen als Künstler und Produzenten austauschen und zu neuen Produktionen anregen können.

Konklusion

Am nächsten Morgen trafen wir zu einem frühmorgendlichen Frühstück von Omeletts und Toasts Biljana Tomic, die seit zehn Jahren an internationalen Projekten zeitgenössischer Kunst beteiligt ist. Sie war für meinen ersten Belgrad-Besuch 1987 verantwortlich, anläßlich dessen ich an der Frühlings-Video-Woche teilgenommen hatte. Sie erläuterte uns in ruhigen Worten, daß nun alles von neuem beginnen müsse. Daß die Vergangenheit tot war und daß alle zurück zum Anfang gehen müßten und neu beginnen. Während sie sprach, konnten wir durch die großen, bronzegerahmten Fenster der riesigen Hotelhalle sehen, wie es an diesem Sonntagmorgen zu schneien begann. Den gesamten Weg zurück nach Budapest war die Landschaft mit frisch gefallenem Schnee bedeckt.

Ich mußte an die frische Energie der Veranstalter denken und an die offene und ernste Haltung der Künstler, Kuratoren und Theoretiker, die an VideoMedeja teilgenommen hatten. Mir wurde dabei klar, daß dieses Programm in der Tat einen Neubeginn darstellt und eine große Chance für die Künstler, mit Koleginnen in anderen Balkanstaaten und Ost- und Westeuropäischen Ländern zusammenzuarbeiten. Wir werden alle von dieser Entwicklung profitieren.