Winterspiele in Beijing: Was der "Ski-Skandal" mit der "Annexion der Krim" zu tun hat

Katharina Althaus beim Fis-Skispringen-Weltcup Damen 2014 im österreichischen Hinzenbach. Bild: Ailura, CC BY-SA 3.0 AT

Hiesige Medien sind empört über die Annullierung von Sprung der deutschen Olympionikin Katharina Althaus. Wollen oder können sie die Vorgeschichte nicht sehen?

Skandal, Eklat, Farce, ja "Zerstörung des Damen-Skispringens": In den allermeisten Medien hierzulande wurde die Olympia-Entscheidung im Mixed-Team-Skispringen enorm emotionalisiert.

Der Sprung der zweiten deutschen Springerin, der Einzelzweiten Katharina Althaus, war – wie zuvor bereits Sprünge einer Japanerin und einer Österreicherin und später noch zwei der beiden Norwegerinnen – wegen von der Jury festgestellter Regelwidrigkeiten der Anzüge der Sportlerinnen annulliert worden.

So ging der Titel an Slowenien, die Deutschen schieden nach der ersten Runde aus und wurden Neunte vor China. Der Trainer der deutschen Skisprung-Herren, der Österreicher Stefan Horngacher, sprach mit Blick auf die offenbar sehr detaillierten Materialkontrollen kritisch von "Kasperletheater" und sagte:

Die Kontrollen hier, das verstehe ich nicht. Hier bei Olympia wird angefangen, anders zu kontrollieren. Jedes Jahr gibt es andere Regeln. Das ist nicht im Sinne des Sports.

Stefan Horngacher

Horngacher richtete seine Kritik wiederholt direkt an den Weltskiverband, die Fédération Internationale de Ski (Fis):

Der neue Kontrolleur hat die Kontrollen extrem verschärft – gefühlt auch sehr verschärft für die deutschen Skispringer. Das Prozedere Messung ist von der Fis nicht besser geworden, sondern schlechter.

Die mediale Inszenierung dieses Dramas als tragische Heldenstory live und in der Nachbereitung ist bemerkenswert: Zunächst schien in der Direkt-Übertragung im ZDF für Reporterin Eike Papsdorf und Experten Anton "Toni" noch alles im Lot – "das deutsche Team auf Silber-Kurs".

Das stimmte zwar, aber nur, weil zuvor bereits den Teams aus Japan und Österreich ein Sprung gestrichen worden war. Nachdem die Annullierung eines Sprunges dann auch das deutsche Team ereilt hatte, drehte der Wind an der Schanze schnell und scharf.

Reporterin und Experte steigerten sich in Äußerungen hinein, die manche Ähnlichkeit mit Verschwörungserzählungen aufwiesen. Das alles sei fragwürdig und nicht nachvollziehbar – finstere Mächte am Werk, um die Deutschen um die wohlverdiente Medaille zu bringen? Kann mensch das alles so gar nicht verstehen?

Olympische Spiele und Protest (10 Bilder)

Berlin 1936

Ibolya Csak-Ungarn (links), Dorothy Odam-England, Elfriede Kaun (Mitte). Bild: Bundesarchiv, Bild 183-G00985 / CC-BY-SA-3.0

Um vom Live-Sport auf die medienkritische Ebene zu springen: Storytelling gilt als beliebt und ist in der Sportberichterstattung zumindest so wirkungsvoll wie sonst in Journalismus und Medien.

Die Helden versuchen, die aktuelle Herausforderung zu meistern und den verdienten Preis heimzuholen. Aber wie so oft in der außermedialen und auch in der medialen Realität hat diese Skisprung-Geschichte offenbar wenigstens eine Vorgeschichte, wenn nicht einen zentralen Teil, der (leider) in den meisten Medien kaum thematisiert, also schlicht nicht erzählt wird.

Hier zeigen sich übrigens, weit über den Sport und dessen Berichterstattung hinaus, strukturelle Parallelen zu weitreichenderen Storys wie "Annexion der Krim" oder "Verbot der Deutschen Welle".

Zur Vorgeschichte hier: Beim Weltverband Fis hatte der finnische Materialkontrolleur Mika Jukkara zu Saisonbeginn im vorigen Jahr im Männerbereich Skisprung den Österreicher Sepp Gratzer, mittlerweile 66 Jahre alt, abgelöst.

Die Skispringerinnen wiederum werden insbesondere von der Polin Aga Baczkowska kontrolliert, die auch am Montag beim Mixed-Team-Skispringen im Einsatz war.