"Wir brauchen Schutz von Spanien vor ukrainischen Rechtsextremen"

Seite 2: Beste Verbindungen zur ukrainischen Regierung

Die Ermittler hatten unter anderem ein Interview mit dem ukrainischen Künstler Iwan Semesuk analysiert, der nach Angaben von El País ebenfalls Mitglied des Nationalen Korpus sein soll. Tatsächlich tauchen in dessen Bildern immer wieder Wolfsangeln, Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole auf.

Semesuk, der in einem Feature im Deutschlandfunk 2015 ausführlich und positiv dargestellt zu Wort kam, erklärte gegenüber dem Journalisten und Blogger Sergii Ivanov, dass Scharij getötet werden sollte: "Wir brauchen eine spezielle Operation, damit unsere Adler nach Spanien gehen und ihn töten."

Der Blogger Ivanov war kurz nach der Veröffentlichung der Scharij-Adresse vor dessen Haus aufgetaucht. Er machte dort ein Selfie und veröffentlichte es mit Daten über die Familie und das Kind. Die können nach Ansicht der Familie nur aus dem ukrainischen Konsulat stammen. Verwundern kann das nicht, schließlich verfügt der Journalist über beste Verbindungen in die Regierung.

Nach Angaben von Mikhail Podolyak, Bürochef von Präsident Selenskyj, ist er im Pool von Bloggern tätig, die "loyal" zu den aktuellen ukrainischen Behörden sind und "positiv über Trends" berichten sollen. Eigentlich kann man eine solche Tätigkeit nur Propaganda für diese Regierung nennen. Viele Namen nannte der Selenskyj-Bürochef nicht, einen aber doch: "Ivanov arbeitet mit uns zusammen", bestätigte er. "Warum sollte er das nicht tun?"

Somit schließt sich der Kreis zur aktuellen Regierung, die nach Angaben von Scharij in ihm einen großen Feind ausmacht. Deshalb wurde gegen seine kleine Partei sogar ein Verbotsverfahren eingeleitet. Für den Journalisten ist es eigentlich unverständlich, dass auch Präsident Selenskyj ständig seinen Namen im Mund führt und gegen ihn wettert.

Seine Lebensgefährtin, die gleichzeitig Parteichefin ist, erklärt aber, dass die Partei Scharij zusehends zu einer Gefahr für Selenskyj wird. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2020 kam die Partei zwar nur auf 1,4 Prozent, zog aber mit 52 Abgeordneten in elf zum Teil wichtige Stadträte ein. Das habe die Wirksamkeit und die Aufmerksamkeit verstärkt, weshalb sie nach Umfragen schon fünf Prozent der Wähler hinter sich bringen soll.

Die Vorwürfe gegen Scharij

Wie Ulrich Heyden in seinem Telepolis-Artikel kommt auch die größte spanische Tageszeitung zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe gegenüber Scharij reichlich an den Haaren herbeigezogen sind. Der "Hochverrat", wofür eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren droht, wird unter anderem damit begründet, dass Scharij in den Jahren 2013 und 2014 zeitgleich mit dem Konflikt im Donbass zwischen prorussischen Kräften und der Ukraine durch die Veröffentlichung verzerrter Informationen "subversive" Aktivitäten Russlands unterstützt haben soll.

Schaut man sich diese Vorwürfe aber vor dem Hintergrund an, dass die Regierung "loyale" Journalisten für Propaganda bezahlt, sind sie noch bizarrer. So schreibt Oleh Olehovych Savenko vom "Staatlichen Sicherheitsdienst" in einem Bericht, der Telepolis vorliegt, Scharij habe "mit kriminellem Vorsatz" gegen die "Souveränität, territoriale Integrität" und die "Verteidigungsfähigkeit und Informationssicherheit" gehandelt. Dabei fällt im Geheimdienstbericht ein Satz auf:

"Die Umstände konnten nicht durch die vorgerichtliche Untersuchung festgestellt werden."

Dieser Satz taucht erneut auf, wenn es darum geht, dass Scharij angeblich "Absprachen mit Vertretern eines ausländischen Staates - der Russischen Föderation und Organisationen desselben Landes" getroffen haben soll. Genannt werden "russische Fernseh- und Radiounternehmen". Auf Basis einer "offensichtlichen Verachtung für den ukrainischen Staat und das ukrainische Volk" soll er nicht benannte Vertreter eines ausländischen Staates bei "subversiven Aktivitäten gegen die Ukraine im Informationsbereich" unterstützt haben.

Schon diese Vorwürfe sind vage und sie weisen darauf hin, dass es vor allem um die Lufthoheit im Informationsraum geht. Scharij habe "Informationen speziell ausgewählt", die "offensichtlich unzuverlässig, unvollständig und parteiisch" seien, um "Konflikte zu provozieren". Seine Berichte enthielten Elemente "der psychologischen Manipulation" und zielten darauf ab, "nationale, interethnische und soziale Feindschaft sowie Hass zu schüren und die Moral der Bevölkerung und der Armee der Ukraine zu untergraben".

Dass man dafür als "Beweis" anbringt, Scharij habe in einem Interview mit einem russischen Fernsehen erklärt, dass sich die Mitglieder der ukrainischen Armee nicht "Patrioten" bei ihren Aktionen im Osten nennen sollten, ist bizarr.

Bizarr ist auch, dass ein Interview mit einem russischen Kämpfer auf Seiten der Aufständischen angeführt wird, das Scharij in einem Video veröffentlicht hatte. Der Moskauer erklärt darin, dass "die Soldaten der ukrainischen Armee nicht erklären können, warum sie hier kämpfen." Scharij habe damit darauf abgezielt, "das Volk und die Armee zu demoralisieren, die Moral der ukrainischen Bevölkerung und Armee zu untergraben". Er habe damit "Gewalt und Grausamkeit" befürwortet, wird ihm und nicht den Mitgliedern des Nationalen Korpus vorgeworfen, die in aller Öffentlichkeit seinen Kopf fordern.

Wenn man nun glaubt, absurder könnte es nicht werden, dann sollte man sich die Vorwürfe anschauen, wonach Scharij "innerethnische Konflikte" schüre, weil er über Massaker berichtet hat, die ukrainische Nationalisten an Polen zu verantworten haben. Dessen müsste man aber auch historische Berichtes des Deutschlandfunks bezichtigen oder Historiker anklagen.

Auch auf Wikipedia gibt es einen Eintrag zum "Massaker in Wolhynien", an der "überwiegend polnischen zivilen Bevölkerung" die im "direkten Zusammenhang mit der nationalistischen Politik der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN)" stand.

Um das Ganze auf die Spitze zu treiben, wirft man ihm auch noch "Propaganda für die Mehrsprachigkeit" als "subversive Aktivität" vor, weil Scharij kritisiert, dass nun seit Mitte Januar in der Ukraine vorgeschrieben ist, dass im Dienstleistungsbereich, wie Geschäften und Restaurants kein Russisch mehr gesprochen werden darf. In jedem normalen Land würde man es eher als ein Schüren von Konflikten ansehen, wenn einem verboten wird, die Muttersprache zu sprechen.