Wir (g)raaben uns zur Comedy-Gewohnheit

Stefan Raab überstrapaziert die Aufmerksamkeit der Zuschauer: ab Februar viermal die Woche und sonst noch einiges

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Fast täglich will Stefan Raab mit seiner Late-Night-Show TV total beim Fernsehsender Pro Sieben antreten und für den Zuschauer genauso präsent sein wie die Tagesschau. Um mit diesem Konzept nicht baden zu gehen, wird eifrig die Werbetrommel geschlagen. Bei zu viel Präsenz droht allerdings die Gefahr, dass sich hier ein erfolgreicher Gaul vergaloppiert und sich desto schneller entwertet.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht, doch irgendwann hat auch der älteste Witz einen langen grauen Bart. So ähnlich muss sich auch Stefan Raab gefühlt haben, als er im Sommer 2000 unverhofft in ein Quotenloch fiel. Der Marktanteil der 14- bis 29-jährigen sackte von fast 50 Prozent auf einen beschaulichen Anteil von knapp 30 Prozent. Erst zum Jahresende konnte sich der Spaßprofi wieder einigermaßen berappeln. Um an den bisherigen Erfolg anzuknüpfen, musste dann aber schon Bundeskanzler Gerhard Schröder herhalten. Raab vertonte den inzwischen berühmten und vermarkteten Satz: "Hol mir mal ne Flasche Bier." Doch auch der Dezember 2000 zeigte wiederum einen sinkenden Marktwert.

Eigentlich kann es mit einem derartigen Showkonzept nur nach und nach abwärts gehen, irgendwann schreit auch der größte Fan nach anderen Kultobjekten als dem Pulleralarm und der Pfui-Kelle. Trotzdem verspricht selbst die Fernsehzeitschrift TV Movie: ProSieben präsentiert Comedy der Superlative: "Ab 15. Januar 2001 startet Stefan Raab den ultimativen Angriff auf die Lachmuskeln - vier Abende voller Humor und Spaß, jede Woche von Montag bis Donnerstag um 22.15 Uhr. Vier Mal 'TV total' - das bedeutet vier Mal mehr Gäste, vier Mal mehr Nominierungen, vier Mal mehr 'Raabigramme', vier Mal mehr Gags und vier Mal mehr Stefan Raab."

Doch gleich die erste Sendung im neuen Jahr entpuppte sich als müder Aufguss, weder die Kandidaten für den "Raab der Woche" konnten diesmal Glanz in das neue Sendestudio bringen, noch die neu engagierte Band. Einzig ein kurzer Auftritt von Verona Feldbusch mit ihrer Quelle-Unterwäschekollektion war herzhaft erfrischend. Eine Verballhornung eines Schlagers brachte es schließlich an den Tag: Scheiße.

Ab Februar soll Raab die Lachmuskeln viermal die Woche in Bewegung versetzen. Alles soll noch bunter, noch schriller werden und die prominenten und weniger bekannten Gäste bei Raab müssen jede Menge sadomasochistische Fähigkeiten mitbringen. Nichts wird Raab heilig sein, um bloß eine einigermaßen akzeptable Quote erreichen zu können. Er selbst stapelt noch verdächtig tief mit seinen Erwartungen und spricht von 16 Prozent als Erfolg. Doch der Sender hat seine Werbepreise angehoben, sodass wohl ein Marktanteil von 20 bis 25 Prozent erwartet wird.

Denkt man an Harald Schmidt zurück, gingen die meisten Gags zu Lasten von Frauen. Hier ein bisschen andeuten, da ein wenig lästern und schon hat der Politiker eine Geliebte, ein Trainer kokst oder eine Moderatorin steht als Lesbe da. Noch hat der Metzgersohn nicht in diese Trickkiste gegriffen, denn die Pleiten-Pech-und-Pannen-Filme der anderen Sender reichen aus, um die Zuschauer auf seine Seite zu ziehen. Um wirklich jede noch so kleine Zielgruppe anzusprechen, will er sogar die vom ZDF abgesetzte angestaubte Hitparade wieder aufleben lassen. In einem Interview bekennt Raab "Wenn schon doof, dann richtig."

Und so können wir uns auf weitere peinliche so genannte Interviewfragen wie zuletzt bei der Daum-Pressekonferenz gefasst machen. Kein Anlass wird ausgelassen, um sich selbst ins Rampenlicht zu stellen. Dazu passend wird eine neue Zeitschrift kreiert: TV total Das Magazin. Gleich zum Start erwartet man eine Auflage zwischen 250.000 bis 300.000 Exemplaren. Durch Erweiterung der Merchandising-Angebote wie CDs oder Computerspiele wird die Sendung noch mehr als bislang das Kaufpotenzial der Zuschauer abschöpfen. Hierfür wird fleißig nicht nur in der Dauerwerbesendung geworben, sondern auch auf der Homepage. Unumwunden spricht er von der "Verlängerung der Wertschöpfungskette".

Mit seiner Firma Brainpool scheint alles perfekt auf den Februar zugearbeitet worden zu sein, denn neben der Werbekampagne für seine neue Dauershow macht er jetzt noch rechtzeitig Werbung für eine Fast-food-Kette und steht wieder im Mittelpunkt. Angesichts solcher vertikaler und horizontaler Vermarktung muss man sich aber fragen, ob dabei die Comedy nicht auf der Strecke bleiben wird. Er selbst bezeichnet sich auch nur noch als Entertainer. Nun darf man gespannt sein, wie ein Talent sich selbst entsorgt.