"Wir sollten von einem asymmetrischen dreißigjährigen Krieg ausgehen!"

Seite 3: Der Krieg gegen den Terror mit wechselnden Kampfzonen wird unsere Art zu leben nachhaltig verändern

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Tony Blair gestand neulich öffentlich "Natürlich kann man nicht sagen, dass diejenigen von uns, die Saddam 2003 gestürzt haben, keine Verantwortung für die Situation von 2015 tragen."

Robert Baer: Damit hat er zweifelsohne Recht, nur nützt dieses Eingeständnis heute wenig, wenn die gesamte Politik, ob nun die Verteidigungs- oder die Außenpolitik, immer noch auf höchst unsicheren Säulen basiert.

Mit diesen Säulen meinen Sie Saudi-Arabien?

Robert Baer: Vor allem die permanente Aufrüstung Saudi-Arabiens, die ja einher geht mit der weltweiten Verbreitung wahhabitischer Strömungen innerhalb der islamischen Welt, wovon auch eine Bewegung wie ISIS profitiert.

Aber ISIS hat doch auch Saudi-Arabien den Kampf angesagt?

Robert Baer: Richtig, doch trotzdem bleibt festzuhalten, dass Saudi-Arabien und die dort praktizierte Form des Islam das geistige Epizentrum von Bewegungen wie ISIS oder anderen bleibt!

In Ihren Büchern plädieren Sie seit Längerem dafür, die westliche Außenpolitik im Allgemeinen und die amerikanische im Speziellen müsse sich dem Iran zuwenden, statt Saudi-Arabien weiter aufzurüsten.

Robert Baer: Gerade jetzt, beim Kampf gegen den Islamischen Staat, sind der Westen und Russland auf Teheran als Kooperationspartner angewiesen. Die Saudis kann man diesbezüglich vergessen, wie man gerade beim militärischen Vorgehen Riads gegen Jemen beobachten kann. Iran ist ein relativ stabiler Staat, mit einer starken Armee, der den Islamischen Staat genauso als Gegner fürchten muss wie der Westen und Russland. Aber selbst dann würde sich die weltweite Terrorgefahr nicht abschwächen, sondern eher erhöhen.

Frankreich hat mit der Bombardierung von Stellungen des Islamischen Staates in Syrien begonnen.

Robert Baer: Und all das wird nichts nützen. Washington hat die ganze Zeit mit den Drohnen geprotzt, als angebliche Wunderwaffe beim Kampf gegen den Terrorismus. Das ist genauso ein Quatsch wie der Einsatz der Luftwaffe als alleiniges Instrument. Die Infantrie bleibt noch immer die Mutter aller Schlachten.

Aber das ist doch utopisch.

Robert Baer: Utopisch nicht, aber unwahrscheinlich, denn die westlichen Streitkräfte agieren nach dem Motto "No own deaths!" Wir sollten von einem dreißigjährigen Krieg ausgehen, asymmetrisch, mit immer neuen Kampfzonen, auch innerhalb der westlichen Welt, der unsere Art zu leben nachhaltig verändern wird. Ich wünschte, ich könnte eine andere Prognose vermitteln.

Betrachten Sie die Ereignisse in Paris auch als ein Versagen der dortigen Geheimdienste?

Robert Baer: Jedem Terroranschlag geht ein Versagen der Dienste voraus. Ich kann Ihnen sagen, was die US-Geheimdienste angeht, die sind inzwischen in bürokratischer Routine erstickt, agieren provinziell, bei allem globalen Gehabe.

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