Wir wissen nicht, was wir wollen

In NRW haben die Wähler entschieden, dass ihnen die Landes- und Bundesregierung nicht gefällt, ansonsten herrscht geängstigte Starre

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Die Wähler haben in NRW entschieden, auch über die schwarz-gelbe Regierung in Berlin. Klar ist, dass diese ihre Mehrheit, wie sich schon lange in Umfragen gezeigt hat, eingebüßt hat und gegen die Bevölkerung steht. In NRW haben CDU und FDP verloren, selbst wenn die Liberalen ein klein wenig zulegen konnten. Aber wer hat eigentlich gewonnen – und was wollen die Wähler?

Die FDP ist auf die Stammwählerschaft geschrumpft, der die FDP-Oberen die immer selben Slogans einhämmern, egal, was um sie herum geschieht, was viele nur noch mit Kopfschütteln goutieren können und die Liberalen zur weltfremden Ideologenpartei macht, die wie einst die Kommunisten mit Scheuklappen ein von der Realität abgehobenes Konzept umzusetzen sucht. Zudem haben sich die Liberalen auch noch ausmanövriert, weil sie sich auf eine Koalition mit der CDU festgelegt und damit nicht die Flexibilität gezeigt haben, die Parteien in einem 5-Parteien-System haben müssen.

Verloren hat auch die CDU, Rüttgers, der selbst ernannte Arbeiterführer sowieso, vor allem aber auch Bundeskanzlerin Merkel, die versucht hat, das "Erfolgsrezept" des Stillhaltens und Duckens für die Bundestagswahl erneut zu verfolgen, soweit ein Handlungszwang nicht zu vermeiden war. Die Menschen aber sehen, dass schwere Zeiten kommen, dass die Welt instabil ist und sich verändert, dass der Politik gegenüber den Finanzmärkten die Zügel entgleiten. Die Menschen wissen, dass die zunehmende Verschuldung, die mit Griechenland-Hilfe und Euro-Rettungspaket bislang unvorstellbare Ausmaße anzunehmen beginnt, nicht ohne Opfer zu bewältigen sein wird.

Mit der Hoffnung auf Aufschwung und dem Köder von Steuersenkungen, die durch Verteuerung bezahlt werden müssen, können die Ängste nicht beruhigt werden – zumal dann nicht, wenn die deutsche Regierung so zögerlich und inkonsequent handelt, wie bei der Griechenland-Hilfe. Zudem dürften die Auflagen für Griechenland, die sich Merkel zuschreibt, dafür sorgen, dass das Land weiter nach unten rutscht. In der Krise ist nicht Aussitzen und machtpolitisches Taktieren im Merkel-Stil, sondern Entschlossenheit und Mut zu unpopulären Entscheidungen notwendig. Das Vertrauen hat Merkel, haben Union und FDP wohl für die Mehrheit verspielt.

Zwar zeigt das Wahlergebnis in NRW, dass es nun eine "linke" Mehrheit gibt. Das wäre eigentlich der "Wille" der Wähler – und das Tabu zu überwinden, wäre vermutlich nur ein vorübergehendes Problem für SPD und Grüne. Allerdings ist das Ergebnis in Wirklichkeit konfus, die Menschen wissen nicht, was sie wirklich wollen, sie sind unzufrieden mit der schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf und Berlin, aber sie protestieren nur, ohne Akzente zu setzen. Das demonstriert auch die geringe Wahlbeteiligung. Der "Ruck", der bei der Bundestagswahl auch schon nicht wirklich mehrheitsfähig durch die Gesellschaft gehen sollte, ist nun endgültig einer Indifferenz gewichen. Das ist freilich kein deutsches Phänomen, auch in Großbritannien ist man im Patt stecken geblieben.

Das ist auch kein Wunder, denn Visionen bietet keine der politischen Parteien an. SPD und die Linke zehren letztlich, ebenso wie CDU und FDP, von Konzepten der Vergangenheit. Daher sind die Grünen tatsächlich die einzigen Gewinner, da sie zumindest einen gesellschaftlichen Umbau in eine neue Zukunft anbieten. Aber da dieser doch auf relativ dünnen Füßen der Energiepolitik steht, wenn auch flankiert von einer sozialen und liberalen Gesellschaftspolitik, ist auch diese Position nicht mehrheitsfähig, auch wenn die Grünen in Zukunft aus allen Parteien Zuwächse erwarten können, wenn sie einigermaßen verlässlich sind. Falls es aber nicht für eine rot-grüne Mehrheit in NRW reicht, sondern es zu einer schwarz-grünen oder rot-rot-grünen Regierung kommt, ist auch die grüne Zukunft ungewiss. Am besten wäre wohl für die Grünen eine große Koalition, unter der letztlich SPD, CDU und FDP gleichermaßen leiden würden.