Wird Shell jetzt grün?
Mausert sich der Mineralölkonzern Royal Dutch Shell zum führenden Grünstromerzeuger in Deutschland. Oder haben wir es mit einem Fall von Greenwashing zu tun?
Es ist inzwischen ein Vierteljahrhundert her, dass Greenpeace mit der Aktion gegen die Versenkung der von Shell nicht mehr benötigten Tankplattform Brent Spar im Atlantik aufmerksam machte. Bei Greenpeace hat sich seit dieser Zeit nur wenig an der Wahrnehmung des Shell-Konzerns als umweltbelastender Mineralölkonzern geändert. Gegenüber Telepolis sagte der Erdöl-Experte der Organisation, Christian Bussau:
Was Shell bisher angekündigt hat, ist enttäuschend. So können die Klimaschutzziele von Paris nicht erreicht und der globale Temperaturanstieg nicht auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden. Shell muss deutlich vor dem Jahr 2040 sämtliche Emissionen auf netto-null senken. Statt ambitionierter Maßnahmen wie beispielsweise keine weiteren Öl- und Gasfelder zu erschließen, flüchtet sich Shell in fragwürdige Risikotechnologien wie CCS. Doch dieser Versuch, CO2 im Untergrund zu verpressen, kommt zu spät. CCS vergeudet Energie und ist gefährlich, da das gespeicherte CO2 aus undichten Stellen der Lager entweichen könnte. CCS ist zu teuer und nicht versicherbar. Shell muss eindeutig mehr für den Klimaschutz tun.
Dabei hat die Hamburger Shell Deutschland Oil GmbH die Absicht, in der Raffinerie Rheinland bis 2025 eine Bio-Power-to-Liquid-Anlage zu errichten und zudem die Kapazität der Wasserstoff-Elektrolyse-Pilotanlage am Standort Wesseling bei Köln noch vor 2025 auf 100 Megawatt zu verzehnfachen. Synthetische Kraftstoffe zählen zu den Hoffnungsträgern im Luftverkehr, wo leitungsgebundene Energieträger keine Option darstellen.
Im Rahmen seiner Strategie "Powering Progress" hatte Shell hat am 11. Februar bekannt gegeben, dass sich das Unternehmen schneller auf das Null-Emissions-Ziel hinbewegen und mehr klimafreundliche Produkte sowie Dienstleistungen anbieten will.
Letztlich will man bei der Herstellung und dem Vertrieb seiner Produkte unterm Strich keine Treibhausgas-Emissionen mehr erzeugen. Gleichzeitig will man auch den Teil der Emissionsmenge verringern, die entsteht, wenn Kunden Produkte des Konzerns verwenden.
Shell übernimmt Next-Kraftwerke
Ein weiterer Schritt in Richtung geringerer Klimaschädlichkeit war die Übernahme der Kölner Next-Kraftwerke über die Shell Overseas Investments BV.
Next Kraftwerke sieht sich als bedeutender Betreiber von sogenannten Virtuellen Kraftwerken, der über 10.000 dezentrale Energieeinheiten in acht Ländern Kontinentaleuropas – Deutschland, Belgien, Österreich, Frankreich, Polen, Niederlande, Schweiz, Italien – digital vernetzt und steuert, eine Technik, die in der Stromversorgung beim Wandel von kaskadierten zentral ausgerichteten zu zellular aufgebauten Systemen eine zunehmende Bedeutung erlangt. Im Zuge der Übernahmen sollen übrigens alle 180 Mitarbeiter von Next übernommen werden.
Kürzlich hatte Shell schon angekündigt, dass man bis 2035 neben den traditionellen Aktionsfeldern ein signifikantes Stromgeschäft als vierte Säule des Konzerns aufbauen wolle. Die soll dabei helfen, den Energiemix des Konzerns stärker zu dekarbonisieren.
Neben dem stromerzeugenden Sektor, in dem Shell beabsichtigt, der größte Grünstromerzeuger in Deutschland zu werden – auch für den Hauswärmesektor, den Industrie- und den Transportsektor sowie die private Mobilität.
Gerade im Mobilitätssektor erwartet man, dass die Bedeutung der Elektromobilität beim Pkw-Bereich zunehmen wird, wobei man sich hinsichtlich der eingesetzten Energiespeichersysteme nicht festlegen will. Es können sowohl Brennstoffzellenfahrzeuge als auch batterieelektrische Fahrzeuge sein.
Shell ist daher Mitglied im Joint Venture der H2 Mobility gemeinsam mit den Partnern AirLiquide, Linde, OMV, Total und Daimler, die schon bald weitere Wasserstofftankstellen errichten wollen. Zusammen mit IONITY will man zunächst 80 der größten Shell Autobahn-Stationen mit 350-kW-Schnellladesäulen ausrüsten. Bis 2030 wollen man an 1.000 Stationen etwa 3.000 Ladepunkte anbieten.
Sonnen in Wildpoldsried 2019 von Shell übernommen
Mit der Anfang 2019 bekanntgegebenen Übernahme der "sonnen GmbH" in Wildpoldsried wurden die Ambitionen der Royal Dutch Shell im deutschen Strommarkt einem größeren Kreis erstmals bekannt. Gab es damals auf dem Markt noch Befürchtungen, dass Shell das Unternehmen möglicherweise nur schlucken und dann vom Markt nehmen wolle, erwiesen sich diese Bedenken bislang als weitestgehend unbegründet.
Aktuell meldet die "sonnen GmbH" an ihrem Hauptsitz in Wildpoldsried eine größere Baustelle. Dort entsteht eine neue Produktionshalle, mit der die Produktionskapazität etwa verzehnfachen werden kann und weitere Platz für die Entwicklungsabteilung geschaffen wird. Dass die Übernahme durch Shell vor zwei Jahre für die "sonnen GmbH" eine Glücksgriff war, spiegelt sich auch in einem Statement des aktuellen CEO Oliver Koch:
Mit Stromspeichern für den Haushalt und virtuellen Kraftwerken hat sonnen Schlüsseltechnologien für das Gelingen der Energiewende entwickelt, die aber nur dann ihre volle Wirkung entfalten können, wenn sie skaliert und im großen Maßstab eingesetzt werden. Mit Shell haben wir einen Partner gefunden, mit dem wir unsere Vision von sauberer und bezahlbarer Energie deutlich schneller und im größeren Maßstab umsetzen können als vorher. Seit der Übernahme durch Shell vor zwei Jahren haben wir unseren Wachstumskurs erfolgreich fortgesetzt und 2020 ein neues Rekordjahr erzielt. Darüber hinaus haben wir als Teil der Geschäftseinheit "Renewables and Energy Solutions" Zugang zu vielen anderen Portfolio-Unternehmen und Technologien, die unsere eigenen Angebote ergänzen wie z.B. in der Elektromobilität.
Zumindest alle derzeit verfügbaren Indizien sprechen dafür, dass mit der Royal Dutch Shell-Gruppe inzwischen ein weiterer Player auf dem deutschen Strommarkt aufgeschlagen ist, der über das für Veränderungen benötigte Kapital verfügt und sich das benötigte Know How durch gezielte Zukäufe erwirbt.
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