Wird das Sars-CoV-2-Virus viraler, aber weniger gefährlich?
Nach einer aktuellen Studie hat sich die Variante mit der Mutation D614G durchgesetzt. Nach Berichten ist die Mortalität vom Frühjahr bis zum Ende des Sommers deutlich gesunken
Die Covid-19-Pandemie scheint nicht nur regional sehr unterschiedlich zu sein, was auch mit unterschiedlichen Stämmen des mutierenden Virus zu tun haben könnte. So war die Pandemie in Europa und Süd- und Nordamerika heftiger als in Asien und Afrika. Seit Sommer gab es auch Anzeichen dafür, dass die Gefährlichkeit von Sars-CoV-2 abnehmen könnte. So ging in Europa und in den USA die Sterberate ebenso deutlich zurück wie die Zahl der Menschen, die in Krankenhäusern behandelt werden mussten. Die Krankheitsverläufe waren meist milder.
Das könnte damit zusammenhängen, dass sich, wie gerade eine in Nature erschienene Studie zeigt, die Spike-Mutation D614G durchgesetzt hat, die sich schneller verbreitet und sich vor allem in den oberen Atemwegen ansiedelt, vielleicht deswegen meist mildere Verläufe bewirkt. Eine Studie aus Großbritannien kam zum Ergebnis, dass die Viralität von D614G höher ist als bei der früher vorherrschenden Variante D ist, eine höhere Mortalität sei aber nicht festgestellt worden. Es gibt aber unterschiedliche Ergebnisse. So kam eine eben veröffentliche Studie zu dem Schluss, dass sich die Virusvariante V1176F mit der Spike-Mutation D614G weltweit ausbreite und zu einer höheren Mortalität führe.
Zudem ist das Durchschnittsalter der Patienten gesunken, die auch weniger oder keine Vorerkrankungen haben. Es kann auch eine Kombination aus beidem sein, dazu kommen könnte, dass aus den Erfahrungen mit den Krankheitsverläufen bessere Behandlungsmöglichkeiten entwickelt wurden. Auch die CDC haben festgestellt, dass im April noch 6,7 Prozent aller Fälle tödlich waren, im September nur noch 1,9 Prozent. In einem Krankenhausverbund in New York waren im März noch 30 Prozent der Covid-19-Patienten gestorben, Ende Juni nur noch 3 Prozent.
Mortalität nahm über die Monate bei allen Altersgruppen ab
Wissenschaftler vom Medizinischen Zentrum NYU Langone Health haben nun in einer Studie versucht herauszufinden, ob die niedrigere Mortalität eine Folge der veränderten Demographie der Patienten oder der besseren Behandlung ist. Sie werteten die Daten von 5000 Covid-19-Patienten über 18 Jahren in drei Krankenhäusern aus, die vom März bis August hospitalisiert waren. Die Mortalität betrug unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Schwere der Symptome im März noch 25,6 Prozent, im August nur noch 7,6 Prozent. Das Medienalter sank von 64 auf 49 Jahre, auch der Anteil der Patienten mit mindestens einer chronischen Vorerkrankung fiel von 80 auf 71 Prozent, ebenso der Anteil der Männer von 62 auf 34 Prozent.
Die Mortalität nahm über die Monate bei allen Altersgruppen ab. Die Veränderung der Alterszusammensetzung oder die der Schwere bei der Krankenhausaufnahme könne das Absinken der Mortalität nicht erklären, sagen die Wissenschaftler. Mutationen des Virus wurden aber nicht untersucht und berücksichtigt. Die Wissenschaftler vermuten, dass viele Faktoren für den Rückgang der Mortalität und die milderen Verläufe verantwortlich sind: gewachsene klinische Erfahrung, weniger Patienten, zunehmender Einsatz von Medikamenten wie Kortikosteroide, Remdesivir und Anti-Zytokintherapie, nicht-pharmakologische Behandlungen, beispielsweise werden die Patienten nicht mehr in die Rücken-, sondern in die Bauchlage gelegt, frühere Intervention. Vielleicht, so vermuten sie, führen Masken und Abstandsregel auch zu einer geringeren Viruslast bei der Ansteckung.
Aber es ist auch die Frage, ob mit der wieder wachsenden Infektionsrate wieder die Mortalität stark nach oben geht, dass wieder mehr Menschen in Krankenhäusern aufgenommen werden, im letzten Monat waren es 40 Prozent mehr Covid-19-Patienten in den USA, was schnell dazu führen kann, dass Krankenhäuser regional wieder überfordert sind, was die Mortalität in die Höhe schnellen lassen würde. Am 29. Oktober meldete CDC 1060 neue Todesfälle an einem Tag. Der 7-Tages-Durchschnitt ist jedenfalls seit Anfang September noch nicht nach oben gegangen.
Für Deutschland berichtet das RKI: "Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle hat sich in den vergangenen 2 Wochen von 655 Patienten am 15.10.2020 auf 1.696 Patienten am 29.10.2020 mehr als verdoppelt." Von 28. auf den 29. Oktober kamen nach DIVI weitere 127 Menschen auf Intensivstationen, von denen die Hälfte beatmet werden musste. Über 7500 Intensivbetten sind frei, 13 mehr als am Vortag.