Wirtschaftsminister Habeck: Die Russen haben das Gas – wir die Kraft

Bild: Sergey Gorbachev auf Pixabay

Das Ringen zwischen Europäischer Union und Russland lässt Gaspreise weiter steigen. Auch erhöhte Importe aus den USA ändern nichts daran. Forscher zeigen sich zuversichtlich, dass im Winter kein Mangel besteht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versucht Zuversicht zu verbreiten, dass es Deutschland und Europa gelingen könne, als Sieger aus dem Gasstreit mit Russland hervorzugehen. "Ja, Putin hat das Gas, aber wir haben die Kraft", erklärte er. Doch Kraft ist nicht das Entscheidende: Ohne Ausdauer kann man mit ihr nicht viel erreichen.

Habeck verlangt von den Menschen in der Bundesrepublik einen langen Atem – und den werden sie benötigen. Noch ist nicht abzusehen, wann der russische Energiekonzern Gazprom den Gashahn wieder aufdreht. Die Nachrichtenagentur Bloomberg geht davon aus, dass der Gasfluss über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 auf einem minimalen Niveau gehalten werden wird.

Die Regierung in Moskau will demnach die Regierungen der EU-Staaten zum Nach- und Umdenken anregen. Ein Mangel an Erdgas soll den politischen Druck erhöhen und dazu führen, dass die antirussischen Sanktionen und das Engagement für die Regierung in Kiew überdacht werden. Bloomberg beruft sich dabei auf anonyme Quellen.

Die russische Seite argumentiert in dem Gasstreit mit technischen Problemen, die eine Drosselung des Gasflusses notwendig machten. Eine "mit der Situation vertraute Person" bestätigte gegenüber Bloomberg, dass die technischen Probleme real seien.

Der russische Energiekonzern Gazprom könne zwar mehr liefern, wenn er die Wartung einiger Turbinen verzögere. Das würde aber zusätzliche Risiken für den Betrieb der Pipeline bedeuten und dazu sei die russische Seite hingegen nicht bereit. Den Ausschlag dafür geben wohl die Sanktionen gegen Russland und die Aufrüstung der Ukraine durch den "Westen".

Damit gehen zwar Exporteinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe verloren, doch offenbar gilt dieses Opfer im Kreml als zu verkraften. Gazprom habe laut "einer mit der Situation vertrauten Person" analysiert, welche Auswirkungen eine Abschaltung bis ins nächste Jahr hinein haben könne. Und man habe Wege gefunden, den finanziellen Schaden zu begrenzen.

"Inmitten eines ausgewachsenen Wirtschaftskrieges zwischen Russland und dem Westen ist es schwer zu erwarten, dass sich eine Seite streng an frühere Vereinbarungen hält", sagte demnach Andrey Kortunov, Leiter des Russian International Affairs Council.

Er gehe zwar nicht davon aus, dass die russische Regierung glaube, eine andere Haltung der EU-Staaten zu erzwingen. Aber ein Gasmangel könnte in einigen Ländern zu Schwierigkeiten und zu einem Regierungswechsel führen, wobei sich neue Regierungen dann vielleicht mehr auf die eigenen Probleme konzentrierten und weniger auf die Ukraine.

Ob das zutrifft, sei dahingestellt. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Dienstag, Gazprom werde eine Erklärung zu Nord Stream abgeben. Es gebe tatsächlich Probleme mit Turbinen und die Situationen werde durch die westlichen Sanktionen erschwert.

Steigende Gaspreise trotz steigender LNG-Importe

Inzwischen steigen die Gaspreise in der Europäischen Union weiter. An der Amsterdamer Energiebörse müssen inzwischen für eine Megawattstunde (MWh) Gas rund 193 Euro bezahlt werden. Bis zum Herbst vergangenen Jahres lagen die Preise zwischen 20 und 40 Euro je Megawattstunde.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Gaspreise wieder auf ihr niedriges Niveau zurückkehren werden. Goldman Sachs geht davon aus, dass dies nicht vor 2025 der Fall sein wird. Dann erst werde das weltweite Angebot von verflüssigtem Erdgas (LNG) deutlich ansteigen.

An den hohen Preisen hat auch der steigende LNG-Export aus den USA nichts geändert. Bis Juni lieferten die USA etwa 39 Milliarden Kubikmeter Erdgas als LNG nach Europa. Das waren mehr als im gesamten letzten Jahr, als 34 Milliarden Kubikmeter geliefert wurden.

Das ist allerdings auch nur dem hohen Preisniveau in Europa geschuldet; zuvor gingen die LNG-Lieferungen nach Indien und Pakistan. Allein Pakistan musste einen Rückgang der US-Importe um 72 Prozent verkraften, während zum Beispiel Belgien seine Importe um 650 Prozent erhöhte. Für Lieferanten ist es ein lohnendes Geschäft: Die hohen Preise decken die Vertragsstrafen in Asien wegen Nichtlieferung und ermöglichen immer noch Gewinne.

Auch wenn die Gaspreise hoch sind, einen Gasmangel im Winter dürfte es in Deutschland nach der Prognose führender Wirtschaftsforscher in Deutschland nicht geben. Zu dem Ergebnis kommen das IWH Halle, das RWI Essen, das IfW Kiel und Ifo München in einer aktuellen Studie.

Das funktioniert aber nur unter zwei Bedingungen: Die Deutschen müssen Energie sparen und sollten ihre europäischen Nachbarn nicht mehr so viel Gas weiterleiten wie bisher. Um den Fall der Fälle ausschließen zu können, müsste der Gasverbrauch in den nächsten eineinhalb Jahren weiter um etwa zwölf Prozent sinken, im Vergleich zum Zeitraum August 2020 bis Dezember 2021.

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