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Die Einbahnstraße des Fortschritts - Teil 2

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Die akademische Wissenschaft ist längst schon zur Entwicklungsstube der Industrie geworden (Missbrauchte Wissenschaft). In den Naturwissenschaften werden - ohne jegliche ethische Erdung und soziale Kontrolle - immer abenteuerlichere und monströsere Projekte (Biotechnologie, Genetik, Künstliche Intelligenz, Waffenrobotik, Quantenphysik, Large Hadron Collider (Teilchenbeschleuniger), Kernfusionsreaktor, Marskolonisierung) mit Milliardenaufwand und meist zugunsten des globalen militärisch-industriellen Komplexes gefördert.

In den Sozialwissenschaften verödet Forschung zu kleinstteiligen Arbeitsaufgaben, die empirisch durchkonjugiert werden und - im Fall der Verhaltensökonomie - behavioristische Psychologie der 1950er Jahre in unterkomplexer Form wieder entdecken. Dazu kommt, wissenschaftliche Ideenproduktion wurde in gesellschaftlich irrelevantes Selbstmarketing. Die großen Einfälle und widerständigen Entwürfe sind wie weggeblasen, belanglose Selbstgefälligkeiten haben die authentische und für die Politik unbequeme Beschäftigung mit den großen Fragen von Gesellschaft weitgehend abgelöst. In die Wissenschaften fließt immer mehr Geld, die revanchieren sich dann mit Forschungsergebnissen wie "Kleine Hunde heben ihr Bein höher".

Und Politik ist, selbst wenn heute reichlich Geld für dienliche Studien und exorbitant viele Steuergelder sowie von den kalifornischen Internetgiganten viel Anschubgeld für die Wissenschaften ausgegeben, ziemlich wissenschaftsresistent, was kritische Sozialforschungsergebnisse, die es in Nischen noch gibt, anlangt. Gerne hingegen werden die Ergebnisse der Meinungsforschung angenommen, wenn sie sich nutzbringend publizistisch verwenden lassen, ist dies nicht der Fall, landen auch sie in Schubladen.

Biotechnologie

Die Biologie ist heute zur "synthetischen Biologie", zum Bioengineering, aufgerückt. Dabei geht es um die ingenieurmäßige Umgestaltung der existierenden DNA, des Genoms. Im wesentlichen sollen damit technische Vorstellungen in das existentielle Dasein von Lebewesen implementiert werden. Ziel ist, eine ökonomische Anwendung, eine industrielle Verwertung dieser Eingriffe zu schaffen. Nicht mehr wie bei der alten Gentechnik, die "Ausmerzung" (ja, der Begriff mag belastet sein) von ausgemachten Fehlern der Natur, sondern die Natur nunmehr als Baustein für menschlich ausgeknobelte Technik. Das ist Frankenstein-Biologie, die jedoch nicht verdammt oder geächtet, sondern befürwortet und selbstverständlich - im Sinn des Fortschritts - finanziell gefördert wird.

Kritisch gesehen: Bioingenieure sehen sich als moderne Götter, die die Natur beherrschen und völlig Neues schaffen wollen - nicht zur Erbauung, wie Kunst, sondern zur industriellen Verwertung, also als Geldmaschine (Technologische Allmachtphantasien). Das gesellschaftliche Publikum schaut im Zuschauerraum gelangweilt, interessiert bis begeistert zu, es geht ja um "den Fortschritt", wie immer schon. Die technologische Kontrolle von Zellen der Lebewesen ist aus mildtätigen Gründen für die traditionellen, besonders katholischen oder sensiblen Bürger bislang teilweise gesetzlich verboten, beim Menschen selbst etwa. Aber Moral ist eine flexible, ziemlich zeitelastische Größe. Und diese transhumanistische Cyborg-Technik bzw. Cyborg-Biologie existiert schon seit mehr als einem halben Jahrhundert recht erfolgreich. Natürlich spielt im Transhumanismus, ähnlich wie im Nationalsozialismus und nicht nur dort (auch in der Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit oder im Großbritannien des John Maynard Keynes) Eugenik eine große Rolle.

Die Cyborgs

Der Ersatz der menschlichen Herzklappe funktioniert seit den 1950er Jahren, Herzschrittmacher wurden Anfang der 1960er Jahre implantiert. Beides sind heute chirurgische Routineeingriffe und ihre Träger kann man zu Recht als erste Cyborgs, nämlich als technisch verbesserte Lebewesen bezeichnen. Genau besehen wäre ebenso die Transplantationsmedizin eine Cyborg-Technik, da statt neuen Geräten alte menschliche Organe als Ersatzteil eingebaut werden. Sie funktioniert ebenfalls seit den 1960er Jahren und dürfte sich über die letzten Jahrzehnte zu einem lukrativen Milliardengeschäft für den medizinischen Sektor entwickelt haben.

Übrigens ist das natürlich Spätkapitalismus par excellence, wie sich in der kürzlich öffentlich geführten Diskussion in Deutschland gezeigt hat: Fehlen die Organe für das Transplantationsgeschäft, braucht es eben mehr Geld für die Organentnehmer und eben mehr Organe. Den Geschäftszweig weiter ankurbeln soll der Staat. Es geht immer nur um das gute Geschäft. Und Medizin ist praktisch immer auf der guten Seite.

Transhumanismus ist längst schon rund um und in uns

Human Enhancement durch gentechnische Modifikation (bei nichtmenschlichen Lebewesen, Auswahl bei Embryos), eine breite pharmakologische Wirkung auf den Menschen (die wirksamen chemischen Arzneimittel, nicht etwa Pseudopharmaka wie Homöopathie), Cyborg-Techniken (Herzschrittmacher, Herzklappen, Transplantationschirurgie, Prothetik), morphologisches Enhancement (die ganze Bandbreite der kosmetischen bzw. ästhetischen Chirurgie). Wenn es gut mit den Menschen weitergehen soll, dann muss sich der Mensch der Evolution bemächtigen und ihr seine Vorstellungen aufzwingen, meint einer der transhumanistischen Wortführer, Stefan Lorenz Sorgner.

Der Mensch und seine Ersatzteile (16 Bilder)

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Der Transhumanismus mit seinem unreflektierten, besessenen Fortschrittsdenken hatte einen ebenso blindwütigen Vorläufer, den Futurismus, der sich zuerst als italienische Kunstströmung seit 1909 entwickelte und in 1920er Jahren dann im italienischen Faschismus aufging. Im Futurismus wurden Gewalt, Krieg, Geschwindigkeit, Jugend und Technik verherrlicht und alles Traditionelle vehement abgelehnt.

Therapeutisierung der Gesellschaft

So fremd und unverständlich Sozialwissenschaften oft für den Alltag der Lebenswirklichkeit bleiben (in der Wissenschaft sollte man eher nicht so auf gute Lesbarkeit Wert legen, sonst handelt man sich schnell Vorwürfe der "Unwissenschaftlichkeit" ein), sie haben längst schon nachhaltig diesen Alltag umgestaltet. Eine Folge sozialwissenschaftlicher Studien- und Absolventenproduktion war die Entstehung einer umfassende Therapieindustrie in den Wohlfahrtsstaaten westlicher Prägung. Ohne die vielen sozialwissenschaftlichen Uni-Absolventen gäbe es die heutige NGO-Industrie nicht.

Wie es sich gehört, landen heute Deviante bzw. Abweichler nicht im Gefängnis oder werden erschossen, sondern sie werden in modernen Wohlfahrtsstaaten einer entsprechenden Therapie zugeführt. Diese wird von staatlichen Stellen befürwortet oder angeordnet und heute meist von gemeinnützigen Organisationen, von NGOs, durchgeführt. Es ist in den letzten Jahrzehnten eine staatlich alimentierte und von vielen Menschen ebenso privat bespendete, unüberblickbare NGO-Industrie entstanden, die von "Seenotrettung" afrikanischer Migranten bis hin zur Betreuung computerspielsüchtiger Kinder alles versorgt, wo sich mit staatlicher Förderung Geld verdienen lässt. Die Leiterin einer Duisburger Behindertenwerkstatt findet etwa 370.000 Euro Jahreseinkommen für passend, na Prost, kann man da nur sagen, sie haben es geschafft.

Diese Therapeutisierung und kontinuierliche Erziehung von Menschen hat sich in den letzten Jahren auch in vielen Medien ziemlich breit gemacht. In den Werbeteilen der Medien wird zur richtigen Konsumwahl erzogen, in den redaktionellen Teilen zum richtigen Denken als Staatsbürger. Erziehung ging dabei einher mit einem Diskursverbot für andere, abweichende Meinungen. In einer Demokratie, in einer offenen Gesellschaft ist das allerdings ein unhaltbarer, ein skandalöser Zustand, wie Konrad Paul Lissmann kommentierte. Allerdings ist das eine in unseren Demokratien seit jeher übliche Angelegenheit, wie es Noam Chomsky etwa schon 2002 und Walter Lippmann bereits 1922 für die Zeitungen beschrieb.