Wo Christen das Klonen erlaubt ist

Die auf Musik mit christlichen Inhalten spezialisierte Download-Plattform Streamwaves eröffnet den Wettbewerb um religiöse MP3-Liebhaber in den USA

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Verbundenheit mit der EMI Christian Music Group hat dem Anbieter Streamwaves in einem boomenden Markt einen Startvorteil gegenüber anderen Internet-Musikplattformen eröffnet. Während von Multis betriebene Konkurrenten teilweise noch in den Startlöchern sitzen, bastelt der christliche MP3-Provider bereits an einem Lizenzabkommen mit verschiedenen Musiklabels.

Unser lieber Freund Thomas M. Stein (neuerdings Europa-Chef der BMG-Gruppe) hat in einem aktuellen Zeitungsinterview eine Analogie vom Download digitalisierter Musikstücke zum Klonen hergestellt. Wenn das die religiösen Amerikaner wüssten, die mit der Zeit gehen und sich so gerne ihre Musik aus dem Netz saugen wie die atheistischen Nachbarn, die doch tatsächlich - Gott sei`s geklagt - Al Gore oder gar Ralph Nader gewählt haben.

Nicht nur die Jünger satanischer Rock- und HipHop-Musik geben sich also mittlerweile zuhauf dem Klonen hin, sondern auch die guten Christen. Das schafft eine spezialisierte Nachfrage in einem schnell wachsenden Marktsegment, die selbstverständlich befriedigt werden will. Zwischen 1996 und 2000 stiegen die Verkaufszahlen von Tonträgern mit christlicher Musik um etwa 50 Prozent. Die auf Bibel und Colt eingeschworenen FundamentalistInnen werden in den Vereinigten Staaten ohnehin immer mehr. Aber neben Kryptofaschisten mit Country-Herz schätzen auch viele liberaler gestimmte schwarze und weiße Gospel-Fans den transzendentalen Groove. Man findet sie insbesondere im Mittleren Westen und im "Bible Belt" der Südstaaten.

Kein Wunder also, dass das Unternehmen "Streamwaves", das die Plattform "Higherwaves" betreibt, seinen Sitz in Dallas, Texas hat. Seit Montag können Fans der aparten Predigerin CeCe Winans, der Ministranten-Boygroup dc talk und anderen Interpreten, die bei der EMI Christian Music Group unter Vertrag stehen, sich als registrierte Kunden bei "Higherwaves" ihre upliftenden Lieblingshits bequem auf den Rechner holen. "Higherwaves" hat seine derzeitige Vorreiterposition, wie der Vorstandsvorsitzende Jeff Tribble sagt, vor allem einem guten Geschäft mit der EMI Christian Music Group, dem größten Anbieter christlicher Musik, zu verdanken. Denn EMI-CMG hat, was bei den Labels nicht unbedingt immer die Regel ist, neben den Rechten an seinen Musikaufnahmen größtenteils gleichzeitig auch die Vertriebsrechte.

So konnten ein paar tausend Songs relativ unkompliziert zur Verfügung gestellt werden. Zu den aktiven Konkurrenten auf dem Markt gehören die MP3.com von Universal, Music Match (das Zugang zu Online-Radiostationen, aber nicht zu den Stücken selbst ermöglicht) und Emusic (wo man Musikdateien herunterladen kann, aber keine Streaming Versions und nicht von Major Labels). Zwei noch schlummernde Konkurrenten wollen dem Frühstarter "Higherwaves" ab September das Dasein zur Hölle machen. Hinter Musicnet steht eine Allianz aus BMG, AOL TimeWarner, Real Networks, Zomba und EMI. Des Weiteren wird PressPlay, ein Joint Venture von Sony Music, Yahoo, Microsoft und Vivendi Universal, sicherlich himmlische MP3-Dateien gegen Bezahlung im Netz anbieten.

Die Higherwaves-Betreiber sehen somit einem von wenig Nächstenliebe geprägten Wettkampf entgegen. Man weiß, dass dabei ein Bestand von gerade mal 10.000 Dateien und ein technisch noch verbesserungswürdiger Service auf Dauer nicht ausreichen wird. Jeff Tribble ist daher dabei, die Veröffentlichungsrechte zu Liedern von christlich spezialisierten Untergliederungen anderer Labels zu erwerben. Bereits so gut wie in trockenen Tüchern ist nach Tribbles Angaben ein Deal mit der einschlägigen Universal-Tochter. Schon in wenigen Tagen wird Higherwaves den Abonnenten Songs von Amy Grant oder der barocken Soul-Queen Aretha Franklin anbieten können. Halleluja!