Wo liegt Nordkorea?
Nur 36 Prozent konnten in einer Umfrage auf einer Asienkarte das mit Atomwaffen drohende Land lokalisieren, gegen das Donald Trump eine "Armada" ausgeschickt hat
Keine Ahnung, wie ein solches Experiment über geopolitisches Wissen in Deutschland ausfallen würde. In den USA sieht es, was nicht ganz neu ist, mit dem Wissen über die Welt eher dunkel aus. Und dies auch dort, wo die USA Kriege führen oder militärische Konflikte drohen. Ganz oben auf der Agenda ist derzeit Nordkorea.
Man sollte meinen, dass die Amerikaner mehrheitlich eine Ahnung davon haben, wo das Land liegt, wo ihr Land schon in den 1950er Jahren an einem Krieg beteiligt war, der schließlich zur Teilung des Landes führte, was weiterhin für Unruhe in der Region bis hin zum Risiko des Ausbruch eines Atomkriegs sorgt. Die USA haben seitdem militärische Stützpunkte in Südkorea und ein eigenes Kommando: United States Forces Korea (USFK). Gegenwärtig sind fast 30.000 US-Soldaten permanent in Südkorea stationiert, die von Donald Trump ausgeschickte "Armada" liegt vor Nordkorea, das allerdings wenig Respekt wahrt und gleich nach den Wahlen in Südkorea wieder einen provozierenden Raketentest durchführte.
Amerikaner, denen eine Asien-Karte gezeigt wurde, die vom Iran bis Japan und von Russland und der Mongolei bis Australien reichte, gezeigt wurde, tippten in der Mehrzahl daneben. Befragt wurden dazu 1.978 erwachsene US-Bürger. 36 Prozent identifizierten Nordkorea korrekt, darunter sicher auch einige, die zufällig das Land erwählten. Ansonsten wähnten Amerikaner wahlweise, Nordkorea liege im Iran, in der Mongolei, gerne auch in Afghanistan, viele sahen Myanmar, Bangladesch, Vietnam, Kambodscha oder Laos als Ziel, selbst Indonesien, Malaysia oder Japan wurden gewählt. Ein paar verwechselten auch Australien mit Nordkorea. Auf einer Weltkarte identifizierten 90 Prozent immerhin die USA korrekt.
Eine Umfrage im Jahr 2006 macht die geografische Weltfremdheit der jungen Amerikaner im Alter von 18-24 Jahren klar, von denen viele trotz der weltweiten militärischen Präsenz der USA in einer Blase zu leben scheinen. Auf dem Höhepunkt des Irak-Kriegs konnten damals auch nur 37 Prozent lokalisieren, wo der Irak liegt. Nicht einmal 50 Prozent wussten, dass der Sudan in Afrika oder Sri Lanka in Asien liegt. 88 Prozent konnten Afghanistan und 77 Prozent Nordkorea nicht auf einer Karte lokalisieren. Die Hälfte konnte auf einer Karte auch nicht New York ausmachen.
Spielt die geografische Konfusion überhaupt eine Rolle?
Würden sich Menschen anders verhalten, wenn sie wissen, wo ein Land ist, also auch, welche Nachbarn es hat und wie weit es vom eigenen Land entfernt ist?
Nach dieser Umfrage schon. Abgelehnt wurde von den geografisch Kundigen am stärksten die Einstellung, dass die USA sich nicht um Nordkorea kümmern sollte. Die Unterschiede sind allerdings nicht überaus groß. Wer Nordkorea geografisch lokalisieren konnte, fand etwa diplomatische und nicht-militärische Strategien (Wirtschaftssanktionen, Druck auf China, Cyberangriffe) häufiger besser als diejenigen, die Nordkorea nicht situieren konnten, sich dafür aber eher für militärische Lösungen aussprachen, inklusive der Entsendung von Truppen.
Das hatte sich schon mal in einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2014 gezeigt, als Amerikaner gefragt wurden, wo sich die Ukraine befindet und ob sie eine militärische Intervention befürworten würden. Je weiter nach Osten die Ukraine verlegt wurde, desto höher stieg damals die Befürwortung einer militärischen Intervention. Das könnte daraufhin hindeuten, dass die mutmaßliche Entfernung eine Rolle spielt. Je näher etwas rückt, desto ungemütlicher erscheinen militärische Aktionen.
Klar ist, dass die Menschen mit hoher Bildung besser abschnitten, am besten die Menschen mit Hochschulabschluss. Auch diejenigen, die schon mal ins Ausland gefahren sind, schnitten besser ab. Menschen über 65 Jahre konnten Nordkorea besser als die Jüngeren lokalisieren, da mag die Kenntnis über den Koreakrieg mitspielen. Erstaunlicher ist für einen Außenstehenden, dass die männlichen Anhänger der Republikaner nicht nur besser Nordkorea lokalisieren konnten, sondern auch eher für die diplomatischen Lösungen stimmten. Bei den Frauen waren keine Unterschiede nach Parteiorientierung zu erkennen.
Was sind die Folgen eines geografischen Analphabetismus? Die New York Times zitiert den Geografieprofessor Alec Murphy, der meint, mangelnde geografische Kenntnisse würden dazu führen, "irreführende Darstellungen über internationale Angelegenheiten nicht beurteilen zu können". Das ist sicher zum Teil wahr, vor allem dürfte aber die eigene Verortung auf der Welt fehlen, was auch auf Gleichgültigkeit hinweist. Trumps America-First-Politik dürfte den Einschluss in die Blase weiter fördern, was keineswegs beruhigend wäre.