Wolkenloser heißer Exo-Neptun mit Biomarker

Seite 2: Exoplanetarer Transit und Sternlicht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Um überhaupt Absorptionslinien nachzuweisen, müssen Astronomen mit leistungsstarken Teleskopen wie Hubble oder Kepler zunächst einmal Transits beobachten, den Transit des Zielplaneten vor seinem Muttergestirn verfolgen. Schon die Detektion eines Exoplaneten und der Nachweis seines Vorhandenseins gestalten sich schwierig. Lokalisiert das Weltraumteleskop etwa einen unbekannten Himmelskörper, der gerade vor seinem Heimatstern vorbei zieht und dabei dessen Licht geringfügig abschwächt, reicht ein einmaliger Transit bei weitem nicht aus, um teure Folgebeobachtungen zu rechtfertigen. Vielmehr muss das Fernrohr bei einem Planetenkandidaten zunächst drei Transits aufzeichnen. Auch bei HAT-P-11b war dies der Fall.

Hubble-Weltraumteleskop. Seit 24 Jahren im All .…Bild: ESA

Nicht minder kompliziert ist es, während des Transits Daten von der Atmosphäre eines Exoplaneten zu sammeln. Denn wenn aus der Perspektive des Beobachters der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne steht und die Planetenbahn nahezu senkrecht zur Himmelsebene liegt, schimmert das Sternenlicht für einen kurzen Zeitraum durch die Planetenatmosphäre. In dieser kurzen Zeitspanne muss das jeweilige Teleskop das gefilterte schwache Licht des Sterns ziel- und punktgenau sammeln und bündeln, bevor der Spektrograf überhaupt nach Biosignaturen suchen kann.

Kristallklare Absorptionslinie

Trotz aller Schwierigkeiten waren Jonathan Fraine und sein Team erfolgreich und erzielten ein eindeutiges Ergebnis. Als sie den 2009 entdeckten Kepler-Planeten HAT-P-11b mit dem Hubble-Teleskop ins Visier nahmen und dabei die "Wide Field Camera 3" (WFC3) in Aktion trat, zeigte sich während der Observation eine kristallklare Absorptionslinie. Deutlich trat die Absorption durch Wasserdampf bei einer Wellenlänge von 1,4 Mikrometern zutage.

Der Zielstern HAT-P-11 wurde zweimal mit HST-WFC3 (hier im Bild) anvisiert. Jede Observation dauerte drei bis vier Stunden. Bild: ESA

Sie lieferte den entscheidenden Hinweis für die Anwesenheit von Wasserdampf in der Atmosphäre von HAT-P-11b, der damit der nunmehr kleinste und kälteste Planet mit nachweisbaren Wassermolekülen ist.

"Wir haben die erste klare Atmosphäre auf einem kleinen, Neptun großen Exoplaneten entdeckt. Dabei konnten wir mit dem HST-WFC3-Instrument Wasser ausmachen, als wir nach der spezifischen Absorptionslinien für Wasser suchten", so Jonathan Fraine gegenüber Telepolis.

Aber die eigentliche Entdeckung ist das Fehlen von Wolken und die Anwesenheit einer von Wasserstoff dominierten Atmosphäre.

Kombinierte Suche

Um auf Nummer sicher zu gehen und zu garantieren, dass in der Atmosphäre von HAT-P-11b tatsächlich Wasserdampf ist, gingen Fraine und seine Kollegen auch der Frage nach, ob die registrierte Signatur wirklich von dem Exoplaneten stammt und nicht etwa einen anderen Ursprung hat. Hierzu bedienten sie sich aus dem umfangreichen Datenarchiv des NASA-Planetenjägers Kepler, der die Himmelsregion um HAT-P-11b viele Monate lang observiert hatte.

Die Forscher griffen auch in den Datenpool des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer. Die miteinander kombinierten Daten bestätigten, dass HAT-P-11b von Wasserdampf, Wasserstoffgas und bislang noch nicht identifizierten Molekülen umgeben ist. "Wenn Astronomen den Nachthimmel mit Teleskopen observieren, wünschen sie mit den Worten 'Clear Skies' Glück ('klarer Himmel')", sagt Jonathan Fraine. "In unserem Fall haben wir einen klaren Himmel auf einem fernen Planeten gefunden."

Bild: NASA

Zu heiß für biologisches Leben

Auch wenn die Forscher mit dem Nachweis von gasförmigen Wasser in der Atmosphäre zugleich einen klassischen Biomarker fanden, ist gewiss, dass auf HAT-P-11b keine biologische Aktivität vorhanden ist. Hierzu der deutsche Planetenforscher Björn Benneke vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena (USA) und Co-Autor des Nature-Artikels gegenüber Telepolis:

Ja, wir haben gasförmigen Wasserdampf in einer von Wasserstoff- und Heliumgas dominierten Atmosphäre entdeckt. Die Temperatur in der Atmosphäre des Planeten ist jedoch zu hoch, um flüssiges Wasser zu ermöglichen.

Tatsächlich sind die Lebensbedingungen auf HAT-P-11b alles andere als freundlich. Da der im Sternbild Schwan gelegene Exoplanet sein Muttergestirn, einen Zwergstern vom Spektraltyp K4, in einem exzentrischen Orbit in einem Abstand von nur 0,05 Astronomischen Einheiten (7,5 Millionen Kilometer) umkreist, herrschen auf ihm Temperaturen von 600 Grad Celsius.

Auch der restliche Steckbrief spricht nicht unbedingt für einen lebensfreundlichen Planeten. So benötigt die erdnahe Welt für einen Umlauf um ihr Gestirn nur fünf Tage. Und in puncto Masse und Größe ist HAT-P-11b weit davon entfernt, erdähnlich zu sein, hat er doch die 26-fache Masse der Erde, ist er doch viermal so groß wie unser Planet.

Viermal observierten Fraine und seine Kollegen das Zielobjekt im Infrarotlicht mit dem Spitzer Weltraumteleskop. Jede Spitzer-Observation dauerte 7,5 Stunden. Bild: NASA

Derweil erlauben die Messungen den Astronomen eine bessere Einschätzung der atmosphärischen Eigenschaften von Exoplaneten. Ihre Daten vermitteln zugleich einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte von Neptun-großen Planeten.

Die aktuelle Studie stützt auch die dominierende Theorie von der Entstehung und Entwicklung der Planeten, der zufolge schwerere Moleküle und Elemente umso häufiger vorkommen, je kleiner ein Planet ist. "Unsere Entdeckung ist einen Meilenstein auf dem Weg für das Verständnis über die Verschiedenheit und Vielfalt der Planetenbildung", erklärt Fraine.

Um die Zusammensetzung von Exoplaneten und deren Entstehung zu verstehen, müssen wir in der Lage sein, die molekulare Häufigkeit in der Atmosphäre zu charakterisieren.

JWST könnte helfen

Wie viele Astronomen setzen auch Fraine und Benneke (et al.) ihre Hoffnungen in das James Webb Space Telescope (JWST), das voraussichtlich in vier Jahren ins All starten und mit seinem 6,5-Meter-Durchmesser großen Primärspiegel das schwache Licht erdnaher Exoplaneten einfangen soll.

JWST. Bild: NASA

Das Gemeinschaftsprodukt der NASA, ESA und der kanadischen Weltraumagentur CSA soll vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana mit einer Ariane 5 ins All starten und in einen Orbit um den Lagrange-Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems positioniert werden. Obwohl nur halb so groß wie Hubble und zehn Tonnen leichter, blickt das neue Superauge tiefer ins All.

Da es das Licht durch seinen größeren Spiegel stärker bündelt und speziell für das Infrarotlicht außergewöhnlich empfindliche Geräte besitzt, kann es kosmische Objekte ausspähen, die nur ein Hundertstel so hell sind wie jene, die Hubble bislang untersucht. Dass das JWST sensibel genug ist, um Wasserdampf in den Atmosphären erdgroßer Exoplaneten zu entdecken, hält Benneke für denkbar:

Ja, meinen Berechnungen nach, könnte dies bei sehr günstig gelegenen Planeten möglich sein. Der Planet müsste jedoch einen kleinen M-Stern umkreisen, aber hierfür haben wir noch nicht den perfekten Planeten gefunden. Die TESS-Mission wird nach einem solchen suchen, so dass wir hoffentlich den richtigen Kandidaten gefunden haben, wenn das JWST ins All startet.

Zoom-Reise zum Mutterstern vom HAT-P-11b (ESA-Animation)