Workation, Vier-Tage-Woche und KI – ist das die neue Arbeitswelt?

Begriffe wie "Workation" und "Arbeitsurlaub" trenden im Netz. Home- und Mobileoffice versprechen neue Freiheit. Droht die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zu verwischen?

Die jüngsten Meldungen über KI scheinen deutlich zu machen: Neue Technik verändert die Arbeitswelt. Dies zeigen auch neue Begriffe – etwa Workation. Die Kombination aus Arbeit (Work) und Urlaub (Vacation) ist ein aktuelles Thema in vielen Foren und Fachzeitschriften der Personaler, wird aber durchaus in einzelnen Firmen vorgelebt.

"Adiós Hamburg und hola Workation!", meldet die Otto-Group auf ihrer Homepage:

Dank unserer neu eingeführten Regelung zu Workation können unsere Kolleg:innen heute problemlos Arbeit und Urlaub miteinander verbinden.

Mitarbeiter der Deka Bank dürfen künftig einen Teil des Jahres mobil aus dem Ausland arbeiten. Bis zu 20 Workation-Tage pro Jahr seien ab dem 31. Juli möglich, sagt Kalliopi Minga, Leiterin Strategie und Personal bei der Deka.

Unternehmen versprechen sich von Workation eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Darüber hinaus kann mit dieser Offenheit Nachwuchs gewonnen werden, so die Hoffnung. Der Tui-Reisekonzern will mit einem "Workation-Index" aufzeigen, wie verbreitet das Thema ist.

Die Google-Suche nach den Begriffen "Workation" und "Arbeitsurlaub" stieg zwischen 2017 und 2022 um 1.529 Prozent, meldet der Reisekonzern werbewirksam "Die Möglichkeit, den Urlaub zu verlängern und an einem Urlaubsort zu arbeiten, scheint für viele Beschäftigte eine neue Freiheit zu sein."

Das dies bei Angestellten mit mobiler Arbeit auf großes Interesse stößt, zeigt eine aktuelle Untersuchung. YouGov hat im Auftrag von Cisco unter 1.050 Arbeitenden, die im Homeoffice tätig sein können, eine Umfrage durchgeführt. Bei den 18- bis 34-Jährigen planen 33 Prozent eine Workation in den kommenden zwölf Monaten. Es fallen jedoch die Unterschiede beim Alter auf: Nur elf Prozent der über 45-Jährigen planen dies, bei den 35- bis 44-Jährigen sind es schon 21 Prozent. Für 42 Prozent der Jüngeren ist Workation wichtiger Grund bei der Auswahl des nächsten Arbeitgebers.

Nachteile werden dabei leicht übersehen – dies verdeutlicht auch Rechtsanwalt Ansgar Dittmar:

Das Verschmelzen von Arbeit und Freizeit kann ein Problem darstellen. Es besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer, die Workation nutzen, in der Kritik von Arbeitskollegen stehen, die diese Möglichkeit nicht nutzen wollen oder aus verschieden Gründen nicht nutzen können. Nicht außer Acht lassen sollte man auch, dass Workation einen großen Kommunikations- und Koordinationsaufwand benötigt aufgrund der fehlenden Möglichkeit, kurz in ein anderes Büro zu gehen oder auf dem Gang ein Gespräch zu führen.

Vermischung von Arbeit und Privatleben

Die Risiken, dass die Arbeit immer mehr in den Privatleben eingreift, sind inzwischen wissenschaftlich untersucht. Bereits vor Jahren wies die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) auf die Folgen der Ausweitung der Arbeitszeiten in die Freizeit hin. Iga ist eine gemeinsame Initiative von gesetzlicher Unfallversicherung und einigen Krankenkassen (siehe iga-Report 23 – Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten, Teil I).

Die Untersuchung zeigt, in einigen Unternehmen besteht ein indirekter Zwang zur ständigen Verfügbarkeit. Arbeitende gingen davon aus, dass es "dazu gehöre", auch am Wochenende für den Unternehmer erreichbar zu sein.

Neben Druck durch Vorgesetzte als Ursache unterschätzen durchaus auch Beschäftigte die Wirkungen, betont iga. So wird im Rahmen von Beschäftigtenbefragungen durchaus angegeben: "Ja, es ist schon okay, wenn ich da erreichbar bin. Das macht mir eigentlich nichts aus. Ich komme schon zurecht". Ob diese dabei die mittelfristigen Gefahren für Erholung und Wohlbefinden im Blick haben, ist jedoch häufig fraglich. iga sieht bei Erreichbarkeit im Privaten folgende Problemfaktoren:

• Erkenntnisse der Sozialforschung zeigen, dass eine klare Tagesstruktur für Menschen wichtig ist. Durch ständige Erreichbarkeit geht eine solche Struktur tendenziell verloren.

• Häufig ist mit ständiger Erreichbarkeit ein Gefühl der Unkontrollierbarkeit verbunden. Viele betroffene Beschäftigte haben die Erwartung, jederzeit kontaktiert werden zu können. Damit geht eine hohe psychische Beanspruchung einher.

Die Zunahme des mobilen Arbeitens während der Corona-Pandemie hat bestehende Trends nur verschärft. Eine Sonderauswertung des DGB-Index "Gute Arbeit" verdeutlicht: Die Folge ist eine stärkere Entgrenzung der Arbeitszeit, mit erhöhtem Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz. Eine Verschmelzung von Arbeiten und Urlaub durch Workation würde diesen Trend noch verstärken.