Wunderbare Jahre auf der PSP
Die Sony PSP als Retromaschine? Für Freunde des antiken Gamings gibt es ein neues Eldorado
Ausgerechnet der Sony Hi-Tech Handheld PSP ist inzwischen zu einem wahren Fest des Retro-Gamings geworden. Besonders vier Spiele zeigen eindrucksvoll, dass das Früher auch heute noch einen Heidenspaß bereiten kann und das alt nicht gleich „veraltet“ ist. Fernab von Retro-Zusammenstellungen und uralten Versionen werden auf UMD alte Genossen im neuen Gewand gespeichert, um ihnen (und den Spielern) einen zweiten Frühling zu ermöglichen. So feiern auf dem leistungsstarken Energiefresser von Sony die Klassiker Outrun, After Burner, Ghosts’n Goblins und Pirates! ihr Comeback – und das ohne Staub angesetzt zu haben.
Den Anfang machte bereits letztes Jahr die Sega-Sause Outrun 2006: Coast to Coast. Einst einer der Hitautomaten der 80er, wurde hier das ultimative Feeling von Cars’n’Chicks zelebriert: Im offenen Cabrio sitzt neben dem Fahrer eine Blondine, deren Haare wild im Wind wehen – der Pubertätstraum eines sonnigen, kalifornischen Tages spornt den Fahrer an, Höchstleistungen zu bringen. Zwar wartet die Version aus dem Jahre 2006 auf der PSP nicht mit einem Lenkrad auf – das einstige Highlight des Arcade-Flitzers –, dafür kann man aber nach erfolgreichem Absolvieren der Strecken diverse Karossen freispielen und sogar die dekorative Beifahrerin kann gewählt werden – Schnickschnack, der besonders Fein-Tuning-Maniacs erfreuen dürfte. Geblieben ist die gelungene Fahrphysik, der es zwar an Realismus mangelt, die aber dafür effektiv umgesetzt wurde. Und wie früher muss der Fahrer innerhalb eines bestimmten Zeitlimits Checkpoints erreichen. Läuft die Zeit ab, geht dem Wagen der Sprit aus. Zu sehen gibt es dabei schön gestaltete Landschaften, sonnendurchtränkte Naturromantik mit Strand-Feeling.
Ebenfalls Adrenalin im Tank hat After Burner: Black Falcon. Was bei Outrun das Lenkrad am Automaten, war bei After Burner das Ganzkörpererlebnis: Hier durfte man sich in der Automatenversion im Jahre 1987 in ein virtuelles Cockpit setzten und im Top-Gun-Style alle gegnerischen Flieger mit Raketen und Maschinengewehr vom Himmel holen. Das klappt auch auf der PSP wieder hervorragend, wenn auch die Finger manchmal mehr gegen die Steuerung statt gegen feindliche Flugkörper kämpfen: Unterschieden wird neben Maschinengewehr und Raketen noch zwischen Boden und Luftzielen, die jeweils ihre eigene Art Medizin, sprich Raketenart, brauchen – und auch unterschiedlich ausgelöst werden. Schnelles Reagieren ist also gefragt. Mittels eines gelungenen Log-On-Systems markiert man die Gegner, für Combo-Abschüsse gibt es einen Bonus. Das erinnert ein wenig an den abstrakten Shooter REZ, minus des Rhythmus’ und der elektronischen Musik. After Burner: Black Falcon setzt dafür auf Poser-Rock, wie er in den 80er an jeder Ecke zu hören war. Überhaupt wirkt die effektvolle Fliegerei wie eine 80er Parodie, die überzogenen Stereotypen sind zumindest heute nicht mehr ernst zu nehmen – ebenso wie Outrun eine kurzweilige Angelegenheit.
Die Essenz blieb auch bei Ghosts’n Goblins erhalten. Der Hit aus dem Jahre 1988 wurde inzwischen für fast jede Konsole umgesetzt und findet sich auf so ziemlich jeder Retro-Zusammenstellung. Was lag näher, als dem alten Ritter einen neuen Lack zu verpassen? Ultimate Ghosts’n Goblins ist ein Fest für Fans des actionreichen Jump’n’Run. Wieder muss der tapfere Recke Arthur gegen allerlei Monster und Untote antreten. Doch wo man früher nur mit eine Lanze und lediglich fünf weiteren Waffen dem Gegner Paroli bieten konnte, hat sich das Waffenarsenal stark erweitert: Zaubersprüche und Spezialangriffe gibt es zu Hauf. Der Spieler wird schnell damit ausgerüstet und muss überblicken, welche Kombination sich gegen welche Gegner am effektivsten einsetzen lässt. Die Masse an Vernichtungsutensilien ist auch bitter nötig, denn seinen Ruf als harte Prüfung für geschickte Finger fühlt sich auch Ghosts’n Goblins in der neuesten Inkarnation verpflichtet – schnell sind die sechs Leben verraucht, das Game Over ein ständiger Gast auf dem Bildschirm. Der wahre Gamer freut sich aber über die Herausforderung und über die schrägen Gags.
Einen Krug voll Seemannsgarn gab es schon immer bei Sid Meier’s Pirates!, welches dieses Jahr, genau wie After Burner, seinen 20. Geburtstag feiert – ein Spiel, dass den Ruf seines Erschaffers weit in die Spielewelt hinausgetragen hat und den Namen Sid Meier zu einem Qualitätsmerkmal werden ließ. Auf der PSP sieht Pirates! schmuck aus, ist durch die aufpolierte Grafik, wie die drei vorher genannten Spiele, an die heutigen Maßstäbe angepasst, auch wenn sie hie und da doch etwas statisch, leblos wirkt. Das gilt leider auch für die früher heiß geliebten, heute stark repetitiven Action-Elemente: Das ständige Fechten und Tanzen ist auf die Dauer ermüdend und nicht sonderlich herausfordernd, das Schätzesuchen hätte man besser ganz weggelassen oder zumindest so verändert, dass es nicht wie ein verunglücktes Handy-Spiel wirkt. Dafür macht es nach wie vor richtig Spaß Schiffe zu entern, zu plündern und die See zu befahren – außerdem braucht es etwas diplomatisches Geschick, um in der Karibik sein Glück zu machen, schließlich muss man zum Beispiel den Engländern irgendwie erklären, warum man ihre Handelsschiffe versenkt hat und trotz zum Admiral befördert werden will.
Wer also gerne wieder ein paar Klassiker spielen möchte, braucht nun nicht mehr seinen Amiga aus dem Keller zu holen – eine Sony PSP und die hier genannten Spiele reichen, um Jugenderinnerungen wiederaufleben zu lassen und für ein paar Stunden in einer glückseligen Wolke des „Gestern“ zu verschwinden.