Wundermittel oder Scheingeschäft?
Bürger gegen Cross Border Leasing mit US-Investoren
Einmal mehr hat sich die Bevölkerung einer Gemeinde gegen Cross Border Leasing als scheinbares Wundermittel gegen kommunale Finanznot ausgesprochen. In Bergisch-Gladbach, einer Kleinstadt bei Köln, lehnten am vergangenen Sonntag bei einem Bürgerentscheid 96,5 Prozent der Abstimmenden (22.338 Bürger) das von der CDU-Mehrheit geplante Verleasen ihrer Abwasseranlage ab. An der Abstimmung beteiligten sich 26,9 Prozent der Wahlberechtigten.
Maria Theresia Opladen, CDU-Bürgermeisterin von Bergisch-Gladbach reagierte verschnupft und bestrafte ihre Bürger mit der Verhängung einer sofort wirksamen Haushaltssperre. Die 7 Mio. € aus dem Leasing-Geschäft waren schließlich fest eingeplant. Die Abstimmung in Bergisch Gladbach war der erste Bürgerentscheid über ein Cross Border Leasing-Projekt in Nordrhein-Westfalen und der zweite in der Bundesrepublik. Im letzten Jahr hatten bei einem Bürgerentscheid im bayerischen Kulmbach fast 88 Prozent der Bürger gegen das Verleasen des städtischen Kanalsystems an einen US-Investor gestimmt. In mehreren anderen Städten wurden CBL-Planungen nach der Ankündigung oder dem Start von Bürgerbegehren gestoppt. So etwa in Frankfurt am Main, wo die Stadtverwaltung in der vergangenen Woche auf das geplante Verleasen des städtischen U-Bahn-Netzes verzichtete, nachdem eine Bürgerinitiative die für ein Bürgerbegehren notwendige Unterschriftenzahl erreicht hatte
Behinderung durch Stadtverwaltung
In Bergisch Gladbach hatte die Stadtverwaltung zuvor einiges unternommen, um den Bürgerentscheid nach Kräften zu behindern. Statt der bei Wahlen üblichen 26 Wahllokale hatte die Stadt nur neun Abstimmungslokale geöffnet. Die Stimmabgabe per Brief war nicht möglich. Lange Anfahrtswege und halbstündige Wartezeiten vor den wenigen Abstimmungslokalen waren die Folge. Zuvor hatte sich die Stadt "aus Kostengründen" geweigert, wie vor Wahlen, Benachrichtigungskarten an alle Haushalte zu verschicken. Diese Information der Bürger musste von der Bürgerinitiative übernommen werden.
Über 150 Cross Border Geschäfte
Wie eine Seuche hat sich "Cross Border Leasing" in Deutschland und in Österreich verbreitet. Seit Städte und Gemeinden im wesentlichen Schulden statt Einnahmen verwalten, betrachten ihre Verwaltungen das Verleasen kommunaler Einrichtungen als modernen Goldesel. Bisher haben etwa 150 Städte in Deutschland ein solches "Cross Border Leasing" mit US-Investoren abgeschlossen. US-Konzerne versprechen sich durch Kauf und gleichzeitigem Rückvermieten Steuervorteile. Das bringt Geld in die amerikanischen Konzernkassen. Ein Teil dieser - erst einmal halblegalen - Gewinne werden den deutschen Kommunen zugeschanzt. Neben Kanalisationen ging und geht es um Messehallen, wie zum Beispiel in Köln, um Schulen, oder um Klär- und Heizkraftwerke, in einigen Städten auch um Schienennetze und Straßenbahnen. Die oberste US-Steuerbehörde, der Internal Revenue Service, hat zwar die Verträge als "Scheingeschäfte" qualifiziert, die keine wirtschaftliche Substanz hätten und deshalb auch nicht zu Steuervorteilen führen dürften. Aber einige steuerfreundliche US-Bundesstaaten gewähren den Steuervorteil trotzdem. Doch wer garantiert, dass die US-Steuerbehörden diesem Treiben zu Ungunsten ihres eigenen Säckels auch auf Jahrzehnte hin tatenlos zusehen?
Die Verträge werden meist auf eine Dauer von einhundert Jahren abgeschlossen. Doch wer garantiert, dass sich in dieser Zeit nicht die US-Gesetze ändern bzw. die oberste US-Steuerbehörde ihrer Einschätzung des Cross-Border Leasings als Scheingeschäft auch praktische Maßnahmen folgen läßt?
Der genaue Wortlaut der oft tausend Seiten umfassenden Vertragswerke wird von den Stadtverwaltungen gegenüber der Bevölkerung geheimgehalten. In den meisten Städten erhielten die Kommunalpolitiker lediglich eine rechtlich unverbindliche deutschsprachige Kurzfassung als Grundlage ihrer Entscheidung. Auch wenn Ratsmitglieder sich Einblick in die Vertragswerke verschaffen, können sie mit dem "Juristen-Amerikanisch" meist nichts anfangen.
Inge Pütz von den "Bürgern gegen CBL" in Bergisch-Gladbach sieht unabwägbare Risiken auf die Kommunen zukommen.
Die Verträge sind sehr umfangreich und in Juristenenglisch abgefasst, für Normalbürger unverständlich, sie werden nicht übersetzt, es gilt US-Recht, der Gerichtsstand ist New York . Hinzu kommen die Risiken aus der langen Laufzeit. Die Verwaltungen retten sich mit dem angeblich sicheren Geschäft nur über das nächste Haushaltsloch und die Politiker bis zur nächsten Wahl.
In Bayern überlegt Innenminister Günther Beckstein, Cross-Border-Leasing für die Kommunen des Freistaates endgültig zu verbieten. In der Öffentlichkeit entstehe "ein verheerendes Bild", schimpfte Beckstein, "wenn Kommunen auf Steuertricks hart an der Grenze der Legalität zurückgreifen.