YouTube sperrt Sputniknews
Seite 2: Ist Einseitigkeit Desinformation?
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Hier ist die Motivation der einseitigen Berichterstattung entscheidend und ob es sich um wissentliche Falschnachrichten handelt. Es sind generell auch andere Motivationen denkbar, warum das Thema auf die genannte Weise angepackt wird. Darunter allgemeine Verhaltensmaßregeln, die auch andere YouTuber befolgen.
Die gesamte Videoblogger-Szene ist auf der Jagd nach Aufrufen und Abonnenten. Themen und Meinungen, die viel Aufmerksamkeit erregen, führt man auf dem eigenen Channel fort, so oft es geht.
Kaum ein anderes Video von RT brachte dem Sender 2020 dermaßen viel Klicks und Aufmerksamkeit wie die viel kritisierten, aber auch geklickten Clips zu Coronakritik. Über eine Million bei besagtem Dr. Köhnlein, eine weitere bei seinem Kollegen Dr. Bhakti ebenso bei Dr. Wodarg. Hier stellt sich die Frage - berichten RT und Sputnik so, weil es so viele Zuschauer wollen oder denken so viele Zuschauer so, weil sie von RT und Sputnik beeinflusst werden?
Einseitigkeit mit dieser Motivation ist noch keine Desinformation. Es wäre eine, mit eigener Kenntnis bewusst Falschnachrichten für politische Ziele zu verbreiten. Eine Voraussetzung der Definition von Desinformation ist es demzufolge, dass der Verbreiter weiß, dass seine News falsch sind. Hier ist es fraglich, ob insbesondere die deutschen Redakteure der russischen Staatsmedien die von ihnen präsentierten Informationen nicht ebenso für "wahr" halten, wie ihre Kritiker das Gegenteil davon - denn Coronakritiker sind ja Überzeugte, manche von fast missionarischem Eifer, auch wenn sie bei RT arbeiten sollten.
Auch beim russischen Staat fragt sich, mit welchem Ziel er Coronakritik auf deutsch verbreiten sollte. Ist doch die russische Regierung selbst ein Initiator von Coronaregeln, die den deutschen Maßnahmen in vieler Hinsicht ähnlich sind. Anders als Trump war Putin nie ein Leugner der Gefährlichkeit der Pandemie und seine Gesundheitsexperten, mit denen er sich zu Corona häufig öffentlich bespricht, ebenfalls nicht.
Auch der konkrete Anlass der Sperre von Sputnik durch YouTube ist in der Tat zweifelhaft. Es wurde von einer Demonstration von Coronagegnern aus London umkommentiert berichtet. Dabei können durchaus Statements von den Teilnehmern der Demo aufgenommen worden sein, die man als Fake-News klassifizieren muss. Wird der Bericht dadurch zur Desinformation? Statements von Coronakritikern finden sich auch - und nicht immer mit widerlegendem Kommentar - im Programm von ARD und ZDF. Ist das dann keine Desinformation, weil der Zuschauer weiß, im Sender denken die Mitarbeiter anders?
Hier zeigt sind, dass der inflationär gebrauchte Begriff der Desinformation gar nicht so einfach auf Einzelfälle oder einzelne Sendern zweifelsfrei herunterzubrechen ist. YouTube stört das wenig, denn gegen Strikes und Sperrungen kann man zwar "Einspruch einlegen", aber in der Regel fegt der Konzern Einwendungen sehr schnell weg und die Sperre bleibt bestehen, selbst wenn wie im Falle der drei russischen Sender das dortige Außenministerium selbst protestiert.
Denn auch wenn man sich vielfältig gibt, YouTube ist Privatbesitz eines US-Großkonzerns und es passiert dort, was im Interesse des Konzerns ist. Tatsächlich gibt es Kritik aus einflussreichen Kreisen an YouTube, nicht konsequent genug gegen Fake-News vorzugehen - so ist eine solche Sperre wegen eines Corona-Beitrags für den Ruf der Firma wo es zählt auf jeden Fall von Vorteil - ob nun der Tatbestand der Desinformation im konkreten Fall wirklich eindeutig erfüllt wird oder nicht. Wenn er nicht erfüllt ist, wird der Kampf gegen Desinformation aber zur mittelbaren Zensur.
Meinungsfreiheit -Mahner werden zu Angeklagten
Die aktuelle Online-Meinungswelt hat ein Problem: Private US-Großkonzerne haben die Meinungsbildung in der Hand. Diskussionen mit Reichweite finden nicht mehr auf der Straße oder in öffentlichen Räumen, sondern in Netzen im Privatbesitz statt, aus denen der Hausherr alle entfernen kann, deren Meinung nicht zu den Konzernzielen passt. Der Konzern wiederum möchte ein gutes Verhältnis zur eigenen Regierungspolitik.
Problematisch wird es hier, wenn die USA und der Westen dann wiederum gegenüber Russland als Mahner auftritt, wenn die dortigen, sehr großen Defizite bei der Meinungsfreiheit zutage treten. Denn auch in Russland gibt es ja die beherrschende Stellung eines Meinungs-Mainstreams, der regierungsnah vor allem das immer noch wichtigste Informationsmedium, das Fernsehen, dominiert. Dort gibt es massive Gefahren für Journalisten, die oppositionell tätig sind und dabei in Ungnade wichtiger Leute fallen.
Eingriffe wie die gegen Sputnik News geben den dortigen Mächtigen eine einfache Möglichkeit, ihre eigenen Defizite durch den Verweis auf die des westlichen Gegners zu relativieren. So gibt es aktuell in der Staatsduma sogar einen Gesetzesentwurf gegen die Verletzung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten russischer Bürger.
Ziel des Gesetzes sind aber ausländische Soziale Netze, die russische Unternehmen auf dieselbe Art behindern wie YouTube aktuell Sputnik News. Jede solche Behinderung gibt dem russischen Establishment zusätzliche Möglichkeiten, von eigenen desolaten Verhältnissen bei der Meinungsfreiheit abzulenken. Und neue, eigene Netzsperren, eben gegen unliebsame westliche Homepages zu begründen.