ZDF Neo Royale: Gericht könnte Fake-News-Vorwurf gegen das ZDF bestätigen

Böhmermann am 7. Oktober 2022. Bild: ZDF

Falsche Anschuldigungen gegen Ex-BSI-Chef Schönbohm? Münchner Gericht stellt sich gegen ZDF. Es geht um brisante Fragen.

Das ZDF und Moderator Jan Böhmermann stehen vor einer juristischen Niederlage. Im Zentrum der Kontroverse: Die Berichterstattung über Arne Schönbohm, den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), und dessen angebliche Verbindungen zu russischen Geheimdiensten.

Wie das Münchner Landgericht in einer vorläufigen Einschätzung mitteilte, scheinen die erhobenen Vorwürfe in der Sendung "ZDF Neo Royale" aus Oktober 2022 nicht haltbar.

Streitpunkt: Nähe zu russischen Geheimdiensten

Der Vorwurf lag schwer im Raum: Jan Böhmermann hatte in seiner Sendung eine Nähe Schönbohms zu russischen Geheimdiensten suggeriert. Diese Behauptung, so das Landgericht München, entsprach jedoch nicht der Wahrheit.

Die Richter folgten in ihrer vorläufigen Beurteilung den Unterlassungsanträgen Schönbohms und kritisierten insbesondere Böhmermanns Kommentar, wonach Schönbohm ein Sicherheitsrisiko für Deutschland darstelle.

Folgen der Sendung: Suspendierung und Untersuchung

Die Ausstrahlung der Neo-Royal-Sendung hatte weitreichende Konsequenzen für Schönbohm: Er wurde von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) suspendiert, da das Vertrauen zu ihm zerstört sei – eine direkte Folge der TV-Beiträge.

Eine Hexenjagd, die nach disziplinarischen Untersuchungen endete, welche keine Beweise für eine Nähe zu Russland fanden. Schönbohm wurde zwischenzeitlich sogar strafversetzt.

Schönbohms Klage: Unterlassung und Schadenersatz

Schönbohm reichte Klage gegen das ZDF ein und forderte 100.000 Euro Schadenersatz wegen der Falschberichterstattung. Erst nach Abschluss der Untersuchungen und mit dem negativen Ergebnis konnte er juristische Schritte einleiten, darunter auch eine Klage gegen Bundesinnenministerin Faeser wegen Verletzung der Fürsorgepflicht.

Gerichtsverhandlung: Richter kritisieren ZDF

In der Verhandlung am Münchner Justizpalast bestritten die Anwälte des ZDF die Anschuldigungen und behaupteten, korrekt recherchiert zu haben. Schönbohms Anwälte konterten die Verteidigung und betonten, dass eine Nähe zu russischen Geheimdiensten klar suggeriert worden sei.

Die Richter schlossen sich dieser Ansicht an und setzten den Streitwert auf 205.000 Euro fest. Ein Urteil wird für den 28. November erwartet.

Kritik aus Parteien: ZDF warnt vor Gefahr für Pressefreiheit

Die Anwälte des ZDF warnten, dass die Zahlung der Schadenersatzforderung die Pressefreiheit gefährden könnte. Schönbohms Anwälte sahen dies anders und verwiesen auf die erlittenen negativen Folgen für ihren Mandanten.

Nach dem Gerichtstermin zeigte sich Schönbohms Rechtsbeistand zufrieden mit der vorläufigen Einschätzung, während Schönbohm selbst sich zurückhaltend äußerte und auf das endgültige Urteil wartet.

Reaktionen und Ausblick

ZDF-Intendant Norbert Himmler hatte zuvor – aller Kritik entgegen – die Korrektheit der Sendung verteidigt. Das Münchner Gericht sieht die Sache anders und nun steht das ZDF vor der Herausforderung, auf die vorläufige Einschätzung zu reagieren. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Es bleibt abzuwarten, ob sich Böhmermann und seine Redaktion direkt vor Gericht verantworten müssen.

Auch Telepolis hatte den Fall behandelt und den Verlauf nachgezeichnet: Auslöser der Affäre war ein Beitrag in Böhmermanns Sendung am 7. Oktober 2022 mit dem Titel "Wie eine russische Firma ungestört Deutschland hackt", der Schönbohm in Verbindung mit einer Lobbygruppe brachte, die wiederum Kontakte zu einem russlandnahen Unternehmen unterhielt.

Mit clownesker Darstellung wurde Schönbohm im ZDF als "Cyber-Clown" verhöhnt – ein satirisches Bild, das offenbar politische Konsequenzen nach sich zog.

Der Fall Schönbohm

Elf Tage nach dieser Sendung fiel das Urteil im Innenministerium: Schönbohm wurde seiner Funktion enthoben. Wie Telepolis berichtet, bezog sich das Ministerium unter der Führung von Nancy Faeser in einem Schreiben an Schönbohm explizit auf die in der Sendung und nachfolgenden Medienberichten erhobenen Vorwürfe.

Diese, unabhängig von ihrer Stichhaltigkeit, hätten zu einem Vertrauensverlust in der öffentlichen Meinung geführt, der Schönbohms weitere Amtsführung unmöglich mache.

Verwobene Pfade zwischen Satire und Politik

Was die Sache noch pikanter macht: Böhmermanns Kontakt zum Innenministerium vor der Ausstrahlung seiner Sendung, wie aus Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. Dies nährt den Verdacht, dass der Satiriker als Marionette in einem politischen Schachspiel gedient haben könnte. Telepolis schrieb dazu:

Böhmermann reagierte zwar auf die gewohnte Weise schnoddrig wie aggressiv, wird aber offenbar selbst etwas nervös. Und das zu Recht: Denn der Verdacht steht im Raum, dass der 42-jährige Moderator mit hochgezogener Augenbraue sich und seine Sendung vom Innenministerium hat instrumentalisieren lassen.

Aus: "Jan Böhmermann und der BSI-Skandal: Halt mal Distanz zum Staat, Digga!", Telepolis, 11.09.2023