"Zeitlos gültige soldatische Tugenden" gesucht

Seite 2: Wehrmachtssoldaten in der Einzelfallprüfung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Deshalb gelte: "Für die Streitkräfte eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht sinnstiftend." Das gilt analog auch für die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR: "Auch die NVA begründet als Institution keine Tradition der Bundeswehr." Prinzipiell sei aber die Aufnahme einzelner Angehöriger der Wehrmacht wie der NVA ins Traditionsgut der Bundeswehr schon möglich. Hier müsse im Einzelfall entschieden werden.

Man darf auf solche Einzelfälle und ihre Prüfung gespannt sein. Denn grundsätzlich mahnt der Traditionserlass auch, militärische Leistungen dürften nicht getrennt gesehen werden von den jeweiligen historischen Situationen und den politischen Zielen, denen sie dienten. Das soldatische Selbstverständnis dürfe "nicht allein auf rein handwerkliches Können im Gefecht reduziert" werden, so der Traditionserlass

Zeichen und Kasernennamen

Deutlich konkreter wird die Entwurfsfassung, wenn es um "nationalsozialistische Symbole und Zeichen, insbesondere das Hakenkreuz" geht: Sie sind, außer im Rahmen der politischen Bildung, ebenso verboten wie Kontakte mit "Nachfolgeorganisationen der ehemaligen Waffen-SS oder der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger". Tabu sind auch "Fahnen und Standarten früherer deutscher Streitkräfte". Diensträume dürfen nicht mit "Exponaten und Darstellungen der Wehrmacht und der NVA oder ihrer Angehörigen" ausgeschmückt werden, es sei denn, es handelt sich um eine Person, die die erwähnte Einzelfallprüfung bestanden hat.

Was die umstrittenen Kasernennamen anbelangt, ist der Erlass wiederum erstaunlich unkonkret und formal. Die Entscheidung könnten die "Inspekteure und Leiter- / Leiterinnen des betroffenen Organisationsbereiches" treffen. "Bestehende Benennungen müssen diesem Traditionserlass entsprechen", heißt es knapp unter Verweis auf die Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-2650/2, wo das Verfahren geregelt ist. Dabei hatte Ursula von der Leyen selbst eingeräumt, es sei widersprüchlich, Wehrmachtshelme aus den Kasernen zu verbannen, wenn am Tor Namen wie Hans-Joachim Marseille oder Helmut Lent stehen. Beide waren Kriegshelden der Nazi-Propaganda, bis heute sind die Marseille-Kaserne in Appen und die Lent-Kaserne bei Rotenburg nach ihnen benannt.

Militaria: Nur noch von der Bundeswehr

Dennoch: Der neue Traditionserlass liest sich in weiten Teilen ganz anders als der, den 1982 der sozialdemokratische Verteidigungsminister Hans Apel unterzeichnet hatte. Es war eine andere Zeit als heute: Damals gingen viele alte Wehrmachtssoldaten, die die Bundeswehr nach dem Krieg mit aufgebaut hatten, gerade erst nach und nach in Pension. "Ein Unrechtsregime, wie das Dritte Reich, kann Tradition nicht begründen", hieß es dort zwar auch. Ansonsten wurde aber ziemlich herumgeschwurbelt über die "Geschichte deutscher Streitkräfte", die "sich nicht ohne tiefe Einbrüche entwickelt" habe. Zur Wehrmacht nahm der damalige Erlass eine Sowohl-als-auch-Haltung ein: "In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos mißbraucht."

Auch 1982 wurden schon NS-Zeichen verboten und Kontakte etwa zu Nachfolgeorganisationen der Waffen-SS. Ausdrücklich erlaubt wurde dagegen das "Sammeln von Waffen, Modellen, Urkunden, Fahnen, Bildern, Orden und Ausrüstungsgegenständen": "Es dient der Kenntnis und dem Interesse an der Geschichte und belegt, was gewesen ist." Beim Ausstellen müsse aber der geschichtliche Zusammenhang erkennbar sein, hieß es lapidar, während im neuen Entwurf das Sammeln und Ausstellen von Militaria dagegen ausdrücklich auf die Bundeswehr und ihre Geschichte beschränkt wird.