Zerschlagt den parlamentarisch-kommerziellen Komplex!
- Zerschlagt den parlamentarisch-kommerziellen Komplex!
- Von der Politik in die Wirtschaft, nach wie vor kein Problem
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Die Geschäfte von zwei Unionsabgeordneten sind nicht das Problem, sondern die strukturelle Nähe von Parlament und Wirtschaft. Ein Zwischenruf
Der Eiertanz von Unionspolitikern in der Maskenaffäre ist beachtlich. Abgeordnete der Christdemokraten und -sozialen versuchen derzeit mit allen Regeln der Rhetorik, Konsequenzen aus der Geschäftemacherei zweier inzwischen ehemaliger Fraktionskollegen zu versprechen, ohne die Regeln des Spiels ändern zu müssen.
Dabei wäre die Lösung einfach: Die Annahme eines Mandats für den Deutschen Bundestag müsste an die Bedingung geknüpft sein, sich nur dieser Aufgabe zu widmen. Diese eine Aufgabe genügt ja auch, nimmt man sie denn ernst.
Dass bei 10.000 Euro Abgeordnetendiäten monatlich überhaupt darüber diskutiert wird, ist absurd genug. Ebenso der Einwand, bei einem Verbot von Nebentätigkeiten sei kein fähiges Personal mehr zu finden. Ohne polemisieren zu wollen: Für die Gesundheitspolitik zumindest mag man das nach einem Jahr Pandemiepolitik nicht mehr gelten lassen.
Oder das Bedenken, eine grundsätzliche Sperre von Nebentätigkeiten käme einem Berufsverbot gleich und sei nicht grundgesetzkonform. Denn im Grundgesetz könnten – den politischen Willen vorausgesetzt – die Artikel 38 (Freiheit des Mandats) und 48 (Behinderungsverbot) entsprechend novelliert werden, ebenso wie der Paragraph 48a des Abgeordnetengesetzes.
Es ist aber äußerst zweifelhaft, ob sich die für eine Grundgesetzänderung notwendigen zwei Drittel der Mitglieder von Bundestag und Bundesrat freiwillig der Möglichkeit lukrativer Nebenjobs berauben. Wie wenig effektiv die Selbstkontrolle der Legislative ist, hat sich zuletzt ja schon in Debatte und Entscheidung zur Änderung des Wahlrechtes gezeigt.
Zwang muss her, und Gesetze
Doch eben darauf zielen die Reaktionen aus der CDU/CSU ab: Freiwilligkeit. "Wir werden uns als Fraktion einen Verhaltenskodex geben, der über das, was rein rechtlich von Mitgliedern des Deutschen Bundestags erwartet wird, deutlich hinausgeht", heißt es in einem Schreiben von Fraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an die Abgeordneten der Union im Bundestag. CDU-Chef Armin Laschet kündigte an, "reinen Tisch" zu machen.
Übersetzt heißt das: Es wird vielleicht ein paar Bauernopfer geben. Ändern wird sich für den parlamentarisch-kommerziellen Komplex aber nichts. Es geht nur darum, den Schaden vor den bevorstehenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl zu begrenzen.Wie sinnfrei Forderungen nach einer Selbstkontrolle von Parlamentsfraktionen ist, zeigt auch schon das Unvermögen bei alltäglicheren Herausforderungen. Im Arbeitsrecht etwa.
Die SPD-Abgeordnete Petra Hinz stürzte 2016, nachdem publik wurde, dass sie ihren Lebenslauf durch ein angebliches Jurastudium geschönt hatte. Massive Mobbingvorwürfe mehrerer Mitarbeiter von Hinz aber hatten die parlamentarische Geschäftsführung und Fraktionschef Thomas Oppermann bis dahin geflissentlich übergangen.
Selbst als ehemalige Mitarbeiter der Abgeordneten sich in einem offenen Brief zu Wort meldeten, hieß es aus der Fraktion, es gebe "keine formale Zuständigkeit bei eventuellem Regelungsbedarf".
Das Beispiel zeigt, dass einfachste Kontrollmechanismen, die in Unternehmen, Organisationen oder anderen Strukturen gemeinhin greifen, im Bundestag wirkungslos sind. Und da soll dem mächtigen Lobbyismus mit einem "Verhaltenskodex" Einhalt geboten werden?
Der Maskenskandal der Union macht deutlich, dass massive Änderungen notwendig sind, zu denen sich Parteien und Fraktionen nie haben durchringen können. Mit gutem Grund stieß vor gut fünf Jahren auch ein Gesetz zu Karenzzeiten bei Wechseln von Ministern und Staatssekretären in die Wirtschaft – ein Thema, das in der aktuellen Debatte weitgehend ausgeklammert wird – auf Kritik von Antikorruptionsorganisationen.
Damals zog sich eine entsprechende Regelung zunächst ewig hin, ein parlamentarisches Kontrollgremium zur Prüfung von Interessenkonflikten wurde erst nach einem Jahr eingerichtet, eine gesetzliche Regelung wurde nie geschaffen.
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