Zieht Vernunft in den Nahen Osten ein?

Israel und Hamas vereinbaren einen Waffenstillstand, Israel will die Restriktionen für die Menschen im Gazastreifen beenden

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Es ging dann doch ziemlich schnell und wohl auf diesmal massivem Druck der US-Regierung in Gestalt von Außenministerin Clinton und durch die Vermittlung der ägyptischen Regierung, dass Israel und Hamas ein Waffenstillstandsabkommen abgeschlossen haben, das es in sich hat und ab 21 Uhr am Mittwoch begann. Besonders für den Hardliner Netanjahu dürften manche der Vereinbarungen schwer verdaubar gewesen sein, aber sollte das Abkommen eingehalten werden, dann könnte auf beiden Seiten ein wenig mehr Vernunft einkehren. Ob die Hamas tatsächlich verhindern können, dass militante Gruppen weiter Raketen abfeuern, ist fraglich. Zumindest wurden auch nach Beginn des Waffenstillstands vereinzelt Raketen abgefeuert. Immerhin hat neben Hamas auch der Islamische Dschihad versprochen, den Waffenstillstand einzuhalten.

Auch in der israelischen Regierung hatte Uneinigkeit darüber geherrscht, ob der begonnene Krieg, der zwangsläufig zu einer neuen Bodenoffensive und einem Einmarsch großer Militärverbände in den Gazastreifen führen musste, ein für Israel gutes Ende nehmen könnte. Selbst wenn man die Waffenarsenale und viele der Militanten unschädlich hätte machen können, hätte man den Hass auf beiden Seiten mit Opfern bei des israelischen Soldaten und bei den Palästinensern weiter gesteigert und bestenfalls für einige Jahre Ruhe eingekauft. Die Zerstörungen im Gazastreifen-Gefängnis und die Leiden der gedemütigten Palästinenser wären aber erneut wieder in Gewalt aufgeflammt. Israel hätte nicht nur die Hamas gestärkt, sondern auch die Ablehnung Israels in der gesamten Region. Eine Lösung des Nahostkonflikts, durch den Arabischen Frühling sowieso schon schwerer geworden, wäre in noch größere Ferne gerückt.

Nach Clinton verbessert das Abkommen die Bedingungen der Menschen im Gazastreifen, die seit Jahren dort mehr wie in einem Gefängnis leben und der Willkür von israelischen Restriktionen unterworfen sind, während zugleich die Sicherheit der Menschen in Israel gestärkt werde. Es sein ein erster Schritt für einen umfassendes Friedenskonzept. Clinton trat zusammen mit dem ägyptischen Außenminister Mohammed Kamel Amr vor die Presse. Vor allem für die ägyptische Regierung ist das Abkommen ein großer Erfolg, mit dem auch verhindert werden kann, dass die eigene Gefolgschaft der Muslimbrüder sich gegen Israel radikalisiert. Auch die US-Regierung kann endlich einmal demonstrieren, dass sie noch Einfluss ausüben und nicht nur zuschauen kann. Der israelische Regierungschef Netanjahu hatte erst nach einem Gespräch mit US-Präsident Obama, der vermutlich nun deutlichere Worte gefunden hat, dem Abkommen zugestimmt.

Israel und Palästinenser hatten das übliche blutige und die Bevölkerung terrorisierende Tit-for-Tat-Spiel betrieben. Mehr als tausend Raketen waren nach Israel abgeschossen worden, Israel hatte nach dem israelischen Militär mehr als 1500 Luftangriffe mitsamt gezielten Tötungen ausgeführt. 5 Israelis starben, mehr als 140 Palästinenser. Auch ein Bombenanschlag auf einen Bus in Tel Aviv, der 20 Menschen verletzte, machte die Verwundbarkeit Israels wieder präsent, selbst wenn das Raketenabwehrsystem Iron Dome sehr effektiv war. Das war seit Jahren nicht mehr geschehen. Die Zerstörungen im Gazastreifen waren ungleich größer in diesem wie üblich asymmetrischen Krieg, auch wenn die militanten Gruppen im Gazastreifen nun über Raketen mit einer größeren Reichweite verfügten, um selbst Jerusalem und Tel Aviv erreichen zu können.

Nach dem Abkommen sollen beide Seiten die Angriffe einstellen. Dazu soll Israel die Grenzen in den Gazastreifen öffnen und die freie Bewegung der Menschen und von Gütern ermöglichen. Einzelheiten werden aber erst 24 Stunden nach dem Beginn des Waffenstillstands verhandelt. Es wird vor allem darauf ankommen, ob hier Einigkeit erzielt werden kann. Nur wenn Israel direkt mit Hamas verhandelt, können die Islamisten auch unter Druck gesetzt werden, rational zu handeln. Voraussetzung ist sicherlich, dass die Menschen im Gazastreifen nicht mehr in einem von Israel und Ägypten kontrollierten Gefängnis leben, sondern normal wie in einem anderen Staat leben, ein- und ausreisen und Güter im- und exportieren können.

Um Mitternacht scheint der Waffenstillstand tatsächlich befolgt worden zu sein. Allerdings kritisieren rechte israelische Politiker das Ende des Angriffs. Der Jubel im Gazastreifen belegt etwa für Aryeh Eldad (National Union), dass Israels Moral und Abschreckung beeinträchtigt worden seien. Wenn sich die anderen freuen und Hamas den Erfolg feiert, so die Moral offenbar, hat man selbst den Kürzeren gezogen. Hamas und die israelische Regierung versuchen das Abkommen als Erfolg für sich darzustellen. Das erinnert allerdings schon an Kleinkinder im Sandkasten.