Zielbild Marine 2035+: Aufrüstung nach Nato-Vorgaben

Fregatte der Sachsen-Klasse. Bild: JPortugall / Public Domain / Grafik TP

Materialbedarf der Marine wird konsequent auf einen möglichen Krieg mit Russland ausgerichtet. Auffällig ist hohe Zahl KI-gesteuerter unbemannter Systeme.

Im Juni 2022 wurde beim Nato-Gipfel in Madrid unter anderem ein neues Streitkräftemodell verabschiedet, das die gegen Russland mobilisierbaren Truppen um ein Vielfaches erhöht. Davon ist auch die Bundeswehr betroffen, weshalb die Landstreitkräfte ihre Pläne in einem neuen "Zielbild Heer" angepasst haben.

Nun zog auch eine weitere Teilstreitkraft nach: Am 5. März landete kurzfristig das "Zielbild Marine 2035+" (ZBM2035+) angeblich aus "Versehen" auf der Homepage der Bundeswehr, wurde aber kurz darauf unter Verweis, es befinde sich noch in Arbeit, wieder entfernt (eine Kopie findet sich bei web.archive.org).

Auf Basis des neuen Nato-Streitkräftemodells wird der Materialbedarf der Marine ebenfalls konsequent auf einen möglichen Krieg mit Russland ausgerichtet. Auffällig ist dabei die hohe Zahl KI-gesteuerter unbemannter Systeme, die neu eingeführt werden sollen, was auf die neue Einsatzdoktrin teilstreitkräfteübergreifender Kriegsführung zurückzuführen ist.

Doch auch die noch gar nicht bewilligte milliardenschwere neue Fregattengeneration F-127 darf sich in dem Papier präsentieren. Nahezu zeitgleich und womöglich nicht zufällig mit dem Leak des Zielbilds präsentierte ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) diversen Abgeordneten seine Entwürfe.

Apropos Milliarden: Wie die ambitionierten Pläne der Marine finanziert werden sollen, ist völlig unklar, allerdings ist es ja gerade auch ein Zweck solcher Wunschlisten, noch mehr Gelder loszueisen.

Neues Streitkräftemodell

Die ebenfalls im Juni 2022 verabschiedete neue Nato-Strategie identifiziert die "Russische Föderation" als die "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten". Aus diesem Grund müsse die Allianz eine "substanzielle und durchgängige Präsenz auf dem Land, zur See und in der Luft sicherstellen".

Vor diesem Hintergrund zählte der Ausbau der permanenten Nato-Präsenz an Russlands Westgrenze – neben der Aufnahme Schwedens und Finnlands und der damit einhergehenden Verdopplung der Nato-Grenze mit Russland – zu einem der wichtigsten Beschlüsse des Gipfels. Konkret werden die bisher in den drei baltischen Staaten und in Polen befindlichen Nato-Bataillone (etwa 1.000-1.500 Soldat:innen) auf Brigadestärke (ungefähr 5.000 Soldat:innen) aufgestockt.

Außerdem wurde beschlossen, solche nun unter dem Begriff "Intensified Forward Presence" firmierende Vorposten auch in vier weiteren Ländern (Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien) zu errichten.

Bereits kurz vor Gipfelbeginn drang darüber hinaus an die Öffentlichkeit, die Nato beabsichtige, ihr Streitkräftemodell grundsätzlich neu aufzustellen (siehe Nato will Schnelle Eingreiftruppe auf über 300.000 aufstocken).

Konkret geht es um ein neues dreistufiges Nato-Streitkräftemodell (Nato Force Model, NFM), wobei die bisherigen Zahlen der schnell mobilisierbaren Truppen von bislang 40.000 Soldat:innen und von 30.000 Soldat:innen mit etwas geringerer Bereitschaft massiv aufgestockt werden sollen:

Der Anspruch des NFM ist, etwa 800.000 Soldaten zu organisieren. Es teilt die Streitkräfte und Fähigkeiten der Alliierten verschiedenen potentiellen Konfliktregionen innerhalb des euroatlantischen Raums zu, etwa dem Ostseeraum, und organisiert sie in drei Stufen, sogenannten Tiers, mit wachsender Bereitschaftszeit.

Tier 1 und Tier 2 bilden mit 100.000 bzw. 200.000 Soldaten den Kern und weisen mit 10 bzw. 30 Tagen eine hohe Reaktionsbereitschaft auf. Tier-3-Truppen, weitere 500.000 Soldaten, sollen graduell in bis zu 180 Tagen einsatzbereit sein.

Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell 2022/A49

Insgesamt bedeutet das rund eine "Verzehnfachung der für die Mobilisierung unter Nato-Kommando eingeplanten Truppen", was natürlich auch an der Bundeswehr nicht spurlos vorbeigehen konnte. Die hatte bereits 2018 im Fähigkeitsprofil zugesagt, bis 2027 eine schwere Division (ungefähr 15.000-20.000 Soldat:innen) und bis 2031 drei Divisionen in die Nato einzuspeisen (siehe Deutschland auf (Führungs-)Kurs).

Schon im Vorfeld des Gipfels drang durch, das Fähigkeitsprofil müsse aufgrund des neuen Nato-Streitkräftemodells früher umgesetzt werden. Im August 2022 wurden dann weitere Details des auf dieser Grundlage entworfenen "Zielbild Heer" bekannt, das zwar unter Verschluss ist, über das aber im Reservistenmagazin loyal ausführlich berichtet wurde.

Demzufolge solle die erste Division nun bereits 2025 zur Verfügung stehen, eine zweite dann 2027 folgen und die letzte noch vor 2030 aufgestellt sein.

Somit stellt das Nato-Streitkräftemodell vor allem das Heer personell wie materiell vor immense Herausforderungen, doch auch bei der Marine wurde nun auf dieser Grundlage ein neues Zielbild entwickelt.