"Zu viele Schusswaffen zwischen Bobby und dem Weißen Haus"

Seite 4: Ein mandschurischer Kandidat?

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Dass Sirhan Sirhan, der sich bis heute an seine Tat nicht erinnern kann, diese Entlassung verwehrt wird, deutet auf eine weitere dunkle Seite dieses Verbrechens, die außer der Tatsache von mehreren Schützen und einer Verschwörung verborgen bleiben muss: Die Frage, ob es sich bei diesem Täter um einen "mandschurischen Kandidaten" handelt, einen Täter, der durch Hypnose und mentale Programmierung zu seiner Tat gebracht wurde.

In dem 1959 veröffentlichten Politthriller "The Manchurian Candidat" von Richard Condon wird ein Gefangener US-Soldat vom KGB einer Gehirnwäsche und hypnotischen Programmierung unterzogen, die ihn, als "Schläfer" in die USA zurückgekehrt, auf ein bestimmtes Zeichen hin, Morde begehen lassen, an die er sich nicht erinnern kann. Der Roman wurde 1962 mit Frank Sinatra in der Hauptrolle verfilmt - von John Frankenheimer, einem guten Freund Robert Kennedys, der mit seinem Wagen vor dem Ambassador-Hotel auf ihn wartete, bis er von dem Mord erfuhr.

Die CIA führte in den 50er und 60er Jahren das millionenschwere Geheimprogramm MK Ultra durch, in dem Methoden der Gehirnwäsche und mentalen Programmierung mithilfe von Drogen und/oder Hypnose entwickelt wurden. Vor dem Prozess gegen Sirhan wurde dieser von zwei Psychiatern - der eine von der Anklage, der andere von der Verteidigung bestellt - untersucht, die beide feststellten, dass sein Gedächtnisverlust über die Tat echt und nicht vorgetäuscht war. Beiden Ärzten fiel dabei auch auf, das Sirhan sehr leicht auf Hypnose ansprach; schon den Polizisten, die ihn festnahmen, waren sein sehr entspannter Gesichtsausdruck, völlig ruhige Augen und sein freundliches Lächeln aufgefallen.

Bei seinem ersten Verhör nannte Sirhan seinen Namen nicht, schwieg auch auf alle Fragen zu der Tat und antwortete nur auf Smalltalk. Er wirkte auf alle Beteiligten wie in Trance, war aber nicht betrunken.

Deshalb glauben nicht nur seine heutigen Anwälte und glaubte nicht nur Herbert Spiegel, einer der damals führenden Experten für Hypnose und Psychiatrieprofessor an der Columbia-Universität, der Sirhan in den 90er Jahren untersuchte, dass dieser zur Tatzeit hypno-programmiert war - und die Frau in dem blau gepunkteten Kleid seine Kontrolleurin, die den Hypnosebefehl auslöste. Tatsächlich ist das Letzte, an das sich Sirhan bei allen seinen Aussagen über den Tag des Mordes erinnern konnte, dass er eine Frau fragte, ob sie mit ihm einen Kaffee trinken wolle.

Ein weiterer renommierter Psychologe, Daniel Brown von der Harvard-Universität, der Sirhan in den letzten Jahren mehr als 70 Stunden interviewte, kommt zu einem ähnlichen Schluss: Sirhan sei nicht schizophren - wie sein (Nicht-) Verteidiger Grant Cooper in dem Prozess behauptet hatte -, sondern extrem empfänglich für Hypnose, sogar dann, wenn diese nicht durch einen menschlichen Hypnotiseur, sondern über Radio induziert wird. Konkrete Beweise, ob und wie Sirhan Sirhan vor der Tat zum Opfer des MK-ULTRA-Projekts der CIA geworden sein könnte, existieren selbstverständlich nicht und werden auch nie auftauchen.

Gestützt auf die Gutachten von Professor Brown und seines Kollegen Alan Scheflin von der Georgetown Universität sowie auf die Zeugenaussage von Nina Rhodes-Hughes und die akustische Analyse der Tonbandaufnahmen von Stanislaw Pruszynski haben die Anwälte Sirhan Sirhans, William Pepper und Laurie Dusek, im März 2013 eine Petition zur Wiederaufnahme des Verfahrens eingereicht.

Doch wie im Falle seines Bruders John muss man auch im Fall Robert F. Kennedy skeptisch bleiben, ob eine Justiz, die sich über Jahrzehnte nicht als Förderer, sondern als Verhinderer einer Verbrechensaufklärung erwiesen hat, tatsächlich noch dafür sorgen wird, diese politischen Morde endlich aufzuklären.

Ja, Sirhan Sirhan hat in der Nacht des 5. Juni im Ambassador-Hotel auf Bobby Kennedy geschossen, das steht fest. Dass es aber die von ihm abgefeuerten Schüsse waren, die den so gut wie sicheren Präsidentschaftskandidaten töteten, dass er das Attentat alleine plante und durchführte, ist indessen ebenso unwahrscheinlich wie die Behauptung, dass der amtierende Präsident John Kennedy fünf Jahre zuvor dem Einzeltäter Lee Harvey Oswald zum Opfer fiel.

Auch RFKs Sohn, Robert Kennendy jun. glaubt nicht, dass Sirhan Sirhan für den Mord verantwortlich war. Und wie im Falle JFK konnte auch bei RFK diese offensichtliche Unwahrheit als historische Tatsache nur durchgesetzt werden, weil die Spitzen des Staats - der Regierung, der Polizei, der Geheimdienste und der Justiz - mit Hilfe willfähriger Massenmedien die Aufklärung dieser Verbrechen verhinderten.

Mit dem Tod John F. Kennedys wurde die von ihm initiierte Wende der amerikanischen Politik schlagartig gestoppt. Zwei Tage nach dem Mord verkündete sein Nachfolger Johnson seinem Stab im Weißen Haus: "Ich werde Vietnam nicht aufgeben!", einen Monat später sagte er den Joint Chiefs of Staff: "Lasst mich erst wiedergewählt werden, dann bekommt ihr euren Krieg." Fünf Jahre später kämpften über 500.000 US-Soldaten in Südostasien, und Robert F. Kennedy hatte in seiner letzten Rede im Ambassador-Hotel (wie im Wahlkampf zuvor) seine Entschlossenheit klar gemacht, diesen Krieg zu beenden: "Ich will einen Richtungswechsel. Ich will Frieden in Vietnam." Wenige Minuten später bezahlte er diese Entschlossenheit mit seinem Leben.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch von Mathias Bröckers "JFK – Staatsstreich in Amerika", das 2017 im Westend-Verlag erschienen ist.

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