"Zu viele Schusswaffen zwischen Bobby und dem Weißen Haus"
Seite 2: "RFK must die"
Vom Tatort konnten acht Projektile geborgen werden konnten. Fünf wurden aus den Verletzten herausoperiert, die neben Kennedy gestanden hatten, er selbst war von drei Schüssen getroffen worden, ein vierter hatte nur sein Jackett durchschlagen. In der Decke und in einem Türrahmen befanden sich weitere Einschusslöcher, die von der Polizei fotografiert wurden.
Sirhans Revolver aber hatte nur acht Schüsse. Und die Kugel, die Bobby Kennedys Leben ein Ende setzte, hatte ihn hinter dem rechten Ohr getroffen - Sirhan aber stand einen Meter vor ihm. Der amtliche Leichenbeschauer Thomas Noguchi kam in seinem Autopsiebericht zu dem Schluss, dass der tödliche Schuss aufgrund der reichlichen Pulverrückstände aus drei bis fünf Zentimetern Entfernung und aufgrund des Einschusswinkels von unten abgegeben worden sein musste. Als der Distriktstaatsanwalt daraufhin den Arzt aufforderte, die in seinem Gutachten angegebene Entfernung von "Inches" in "Feet" zu vergrößern, und dieser sich weigerte, wurde er einer Mobbingkampagne ausgesetzt und als Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts von Los Angeles suspendiert - musste nach einer Klage aber wieder eingestellt werden.
In der Gerichtsverhandlung wurden diese Unstimmigkeiten und die überzähligen Kugeln, die für mindestens einen zweiten Schützen sprechen, ignoriert. Sirhans Anwalt war Grant Cooper, der ansonsten satte Honorare einstrich, bereits als Rechtsbeistand des Mafioso und CIA-Kontaktmanns Johnny Roselli in Erscheinung getreten war und sich jetzt erstaunlicherweise bereiterklärt hatte, den mittellosen Angeklagten zu verteidigen. Cooper ließ die überzähligen Kugeln ebenso durchgehen wie die Nicht-Anhörung von Zeugen, die von einem "Feuerwerk" von Schüssen in der Küche sprachen, das nicht von einem Einzelschützen stammen konnte. Auf die Einführung der Autopsiefotos in das Verfahren, die den Einschuss von hinten hätten zeigen können, verzichtete Cooper mit dem merkwürdigen Argument, diese würden die Sympathien für Kennedy und die Wut auf seinen Klienten erhöhen.
Sirhan selbst leugnete vor Gericht die Tat und behauptete, keinerlei Erinnerung an die Mordtat und die Zeit davor und danach zu haben, erst nach seiner Festnahme sei er wieder zu Bewusstsein gekommen. Gleichzeitig allerdings forderte er vom Gericht die Todesstrafe für sich selbst, weil er seit 20 Jahren nichts anderes im Sinn gehabt hätte, als Robert Kennedy zu töten. In seinem Zimmer wurde ein Tagebuch gefunden, in das er unter dem Datum des 18. Mai und unter der Überschrift "Meine Bestimmung, RFK zu eliminieren, wird mehr und mehr zur Obsession" seitenlang den Satz "RFK must die" (RFK muss sterben) geschrieben hatte.
Zusammen mit einem aktuellen Zeitungsartikel in seiner Jackentasche, in dem es darum ging, dass sich Kennedy wenige Tage vor dem Mord positiv über Waffenlieferungen an Israel ausgesprochen hatte - was zum Zeitpunkt der Niederschrift der "RFK must die"-Litanei allerdings noch nicht bekannt war -, wurden diese Belege angeführt, den Täter im Prozess als "geistesgestörten religiösen Fanatiker" zu bezeichnen. Dazu trug auch bei, dass er dem Gericht erzählte, er habe seit 20 Jahren nichts anderes im Sinn gehabt, als Kennedy zu töten.
Nach dem Prozess widerrief er seine Aussagen vor Gericht und gilt seit nunmehr fast 50 Jahren als mustergültiger Gefangener. Das hat seinen Begnadigungsgesuchen bisher nicht zum Erfolg verholfen. In neuerer Zeit aber sind dank Sirhans neuer und engagierter Rechtsbeistände Zeugen und Beweise an die Öffentlichkeit gekommen, die Bewegung in den Fall bringen könnten.
Da ist zum einen Nina Rhodes-Hughes, die damals zum Wahlkampfteam RFKs gehörte und darauf besteht, dass ihre Aussage, zwölf bis 14 Schüsse in der Küche gehört zu haben, im Protokoll des FBI auf acht reduziert wurde. Des Weiteren ist 2008 eine wieder aufgetauchte Tonbandaufzeichnung des Journalisten Stanislaw Pruszynski aus dem Ambassador-Hotel akustisch analysiert worden, mit dem Ergebnis, dass darauf nicht weniger als 14 Schüsse zu hören sind.
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