Zu wenig Klimaschutz
Seite 2: Keine Ambitionen: Das 1,5 Grad-Ziel und die Lage
- Zu wenig Klimaschutz
- Keine Ambitionen: Das 1,5 Grad-Ziel und die Lage
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Die Staaten unternehmen zu wenig für den Klimaschutz. Das ist nicht neu, aber eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass auch ein leichtes Nachbessern ihrer bisherigen Pläne kaum reichen wird. Gefordert wären vielmehr mutige Schritte, drastische Einschnitte und ein rasches Umsteuern.
In der Pariser Klimaübereinkunft hat sich die internationale Staatengemeinschaft - die tatsächliche und nicht nur die gerne von der westlichen Welt imaginierte - darauf verständigt, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei und nach Möglichkeit auf nicht mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken.
Dafür sind die Staaten jeweils individuell zugeschnittene Selbstverpflichtungen zunächst für die Entwicklung bis 2030 eingegangen. Eigentlich sollten diese auf einer UN-Konferenz im Herbst diesen Jahres im schottischen Edinburgh verschärft werden, doch wurde die Konferenz wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben. Außerdem, so die Autoren der erwähnten Studie, wird es nicht reichen, diese Selbstverpflichtungen einfach schrittweise zu verbessern.
Was müsste geschehen, um die Pariser Klimaschutzziele noch zu erreichen?
In den Klimawissenschaften ist es seit mehreren Jahrzehnten üblich, dass Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und andere Emissionsszenarien entwickeln, mit denen dann Klima- oder besser Erdsystemmodelle gefüttert werden. So kann beurteilt werden, welche Emissionen mit verschiedenen gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Entwicklungspfaden verbunden sind und zu welchen Klimaveränderungen diese führen.
Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen), der im Auftrag der Regierungen alle paar Jahre den Kenntnisstand der internationalen wissenschaftlichen Gemeinde zusammenfasst, koordiniert diesen Prozess im gewissen Umfang. Er veranstaltet Konferenzen und Arbeitsgruppensitzungen, die sich auf Standards einigen, damit die Szenarien und die berechneten Ergebnisse miteinander verglichen werden können.
Ein solcher Prozess wurde auch für den 2018 veröffentlichten Sonderbericht angestoßen, der untersuchen sollte, wie eine um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau wärmere Welt aussehen und wie sich diese von einer um zwei Grad wärmeren Welt unterscheiden würde.
Heraus kam, dass vieles dafür spricht, tatsächlich die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius - derzeit liegen wir bei +1,1 Grad Celsius - zu beschränken. Andernfalls würden wir unter anderem alle tropischen Korallenriffe verlieren.
Auch steigen jenseits von 1,5 Grad Celsius die Risiken für die Welternährung, für den großflächigen Verlust tropischer Regenwälder und für die Lebensqualität in vielen Regionen deutlich mit jedem Zehntel Grad. Unter anderem steigt die Zahl der Hitzewellen und einige Regionen auf der arabischen Halbinsel und am persischen Golf werden temporär so heiß werden, dass sich Menschen dort zeitweise nicht mehr außerhalb von gekühlten Räumen aufhalten können.
Alle durchgerechneten Szenarien, in denen die Erwärmung noch auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden konnte, gehen erstens von einem hohen Maß an sozialer Gerechtigkeit aus, das heißt, die jeweiligen Entwicklungspfade werden von einem gesellschaftlichen Konsens getragen und nutzen auch den ärmeren Menschen. Zweitens setzen sie voraus, dass schon in den nächsten Jahren die Emissionen rasch zurückgehen und die Treibhausgasemissionen insgesamt niedriger ausfallen, als in den bisher geltenden Selbstverpflichtungen festgehalten.
Deutschland müsste demnach seine Emissionen bereits bis etwa 2035 auf Null herunter gefahren haben. Doch davon sind wir nicht zuletzt aufgrund des späten Kohleausstiegs Lichtjahre entfernt. Derzeit werden jährlich etwa 40 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente emittiert. (Andere Treibhausgase wie etwa Methan werden entsprechend ihrer Wirksamkeit in CO2-Äquivalente umgerechnet.) In Deutschland dürften es in diesem Jahr mit der starken Wirtschaftskrise und den Corona bedingten Ausfällen irgendwas zwischen 800 und 900 Millionen Tonnen werden.
Würden die Selbstverpflichtungen in der gegenwärtigen Form umgesetzt, so die Autoren der oben genannten Studie, werden die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 auf 52 bis 58 Milliarden Tonnen im Jahr ansteigen.
Notwendig zum Erreichen des Pariser 1,5-Grad-Zieles wäre hingegen, dass die Emissionen bis 2030 auf jährlich 25 bis 30 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente reduziert wären und danach schnell weiter zurückgehen.
Enteignung ist nicht gleich Enteignung
Wenn in Berlin demnächst die zweite Stufe des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co. enteignen anläuft, werden die bürgerlichen Parteien von AfD über die CDU bis zur FDP wahrscheinlich wieder freidrehen.
Was ganz anderes ist es hingegen, wenn Menschen ihre Häuser und Gärten für einen nicht benötigten und die Pariser Klimaschutzziele torpedierenden Tagebau weichen müssen.
Oder wenn der Weg für neue Straßen und Autobahnen freigemacht werden soll. Dann sind Enteignungen kein Problem, sondern sogar etwas sehr Gewöhnliches. Der Berliner Tagesspiegel berichtet, dass seit 2009 bundesweit 1647 Enteignungsverfahren durchgeführt wurden, um den Weg für eine Bundesfernstraße frei zu machen. 448 dieser Verfahren seien bisher abgeschlossen.