Zu wenig Klimaschutz

Im Tal des Todes wurden am 16. August dieses Jahres 54,4 Grad Celsius Lufttemperatur gemessen. Symbolbild: moonietunes/Pixabay.

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom schwindenden Eis, Ernteausfällen in Großbritannien und China, Methanleckagen in der Nordsee und den unzureichenden Klimaschutzzielen der Industrie- und Schwellenländer

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Während weite Teile des arktischen Ozeans derzeit eisfrei sind und die Nordostpassage zwischen Atlantik und Pazifik entlang der russischen Küste seit Wochen frei ist, es um das Grönlandeis schlecht steht, wenn auch nicht so schlecht, wie einige Magazine meinen, verliert Kanada gerade seinen letzten vollständig erhaltenen Eisschelf, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Ein Eisschelf ist eine große etliche Dutzend oder auch mehrere hundert Meter dicke Eismasse, die durch nachfließendes Eis vom Land aufs Meer hinaus gedrückt wird. Nun sind innerhalb von nur zwei Tagen 40 Prozent des Milne-Eis-Schelfs im äußersten Nordosten Kanadas abgebrochen. Nach Angaben des kanadischen Senders CTV hatte sich der Schelf vor mehr als 5.000 Jahren gebildet. Zwei gigantische Eisberge, 80 Meter dick und mit einer Fläche von zusammen 80 Quadratkilometer driften nun aufs arktische Meer hinaus.

Je nach Wind- und Strömungsverhältnissen werden sie vermutlich einige Jahrzehnte dort bleiben, bis die verbliebenen Bruchstücke irgendwann durch die Framstraße östlich von Grönland auf den Atlantik hinausgetrieben werden. Die von CTV interviewten kanadischen Wissenschaftler verweisen darauf, dass sich die Arktis in den letzten Jahrzehnten mehr als doppelt so schnell wie der Rest des Planeten erwärmt hat und dass der Vorfall untrüglich ein Vorbote des Klimawandels ist.

Derweil berichtet die britische Zeitung Guardian, was das Wechselspiel von Extremereignissen, die der Klimawandel mit sich bringt, für die Landwirtschaft bedeuten kann. Großbritanniens Bauern fahren diesen Sommer die seit 30 Jahren schlechteste Weizenernte ein.

Ein überaus feuchter und in manchen Regionen mit Überschwemmungen verbundener Februar - Telepolis berichtete - verzögerte zunächst die Aussaat. Es folgte einer der sonnigsten je registrierten Frühlinge, in dessen Trockenheit die Saat erst verspätet keimen konnte. In der Erntezeit machte den Landwirten dann Gewitter das Leben schwer, die auf eine heftige Hitzewelle folgten.

Überschwemmungen in China

Doch die Ausfälle der britischen Bauern sind natürlich nichts gegen die Zerstörungen, die schwere Regenfälle und nachfolgende Hochwasser in den vergangenen Wochen in China angerichtet haben. Der US-Sender CNN berichtet am 9. August, das vor allem am Yangtse und einigen weiter südlich gelegenen Regionen die Ernte bisher auf 5,2 Millionen Hektar zerstört sei.

Das ist eine Fläche etwas größer als das Bundesland Niedersachsen. 55 Millionen Menschen seien betroffen und an Infrastruktur und Ernten sei ein ökonomischer Schaden von umgerechnet rund 20 Milliarden Euro entstanden. Die Ernteausfälle seien seit Jahren die schlimmsten.

Die Defizite werden durch vermehrte Importe und durch Verkauf aus den strategischen Reserven ausgeglichen, die die Regierung für Notzeiten angelegt hat. Die Verkäufe aus der Reserve haben auch die Funktion, den Reispreis zu stabilisieren. Sojabohnen hätten sich hingegen bisher um 30% und Mais um 20 Prozent verteuert. Bisher, denn die Regen-Saison wird sich noch bis Ende August hinziehen und die Behörden befürchten, auch die Ernten im Norden könnten noch gefährdet werden.

Während Lily Pike auf der Platform Inside Climate News von historischen Fluten spricht und in "Chinas Hochwasser-Sommer" ein Beispiel für die Gefahren sieht, die der Klimawandel für die Menschheit mit sich bringen könnte, wird im Augenblick vor allem der äußerste Süden von schweren Niederschlägen heimgesucht.

In den nächsten Tagen wird dort Taifun "Higos" sein Unwesen treiben, der derzeit etwas westlich von Hongkong im spitzen Winkel auf die Küste zusteuert und extreme Wassermengen in seinem Gepäck hat.

Taifun "Higos" zwischen den Philippinen und der chinesischen Südküste. Aufnahme im sichtbaren Wellenlängenbereich, erstellt an Bord des von NASA und NOAA betriebenen Suomi NPP Satelliten. Bild: NASA

Öl vor Mauritius

Vor der Küste Mauritius kann man derzeit mal wieder beobachten, welche Gefahren unsere Abhängigkeit von Erdöl und seinen Derivaten mit sich bringt. Dort ist am 25. Juli der japanische Frachter "Wakashio" auf Grund gelaufen und inzwischen auseinandergebrochen. Etwa 1.000 Tonnen Schweröl liefen dabei aus, wie der britische Sender BBC berichtet. Diese verschmutzen jetzt Strände und Korallenriffe.

Der Sender berichtet, dass sich Menschen trotz Verbots spontan organisiert hätten, um die Ölbekämpfung mit selbstgebastelten Barrieren in die eigenen Hände zu nehmen. Eine Umweltaktivistin berichtet im Interview mit der in Berlin erscheinenden Tageszeitung junge Welt, dass die Regierung es versäumt habe, frühzeitig den Treibstoff aus dem Wrack zu pumpen.

Die Regierung versuche die Selbsthilfe der Einheimischen zu schwächen. Wer sich unerlaubt in der Sperrzone aufhalte, könne mit empfindlichen Geldbußen belegt werden. Hotelbesitzer würden die Selbsthilfe hingegen unterstützen. Die Aktivistin spricht von einer ökosozialistischen Bewegung auf der Insel, die sich unter anderem für den freien Zugang an die Strände stark mache. Dieser werde von der Tourismusindustrie zum Teil eingeschränkt.

Leckende Bohrlöcher

Ölverschmutzung ist auch in europäischen Gewässern ein häufiges Problem. Greenpeace hat gerade in der Nordsee einen größeren Ölteppich ausgemacht, offensichtlich Ergebnis eines Lecks im Zuge der dortigen Erdölförderung.

9.200 Tonnen Öl würden jährlich in der Nordsee und vor der norwegischen Küste von Bohrplattformen in die Umwelt gelangen, stellt die Umweltorganisation fest und fordert ein Ende der Förderung.

Austretendes Methan am Grunde der Nordesse. Bild: Geomar

Neben dem Öl gibt es auch erhebliche Probleme mit austretendem Erdgas, wie man am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel herausgefunden hat. Auf zwei Expeditionen wurden 2017 und 2019 43 aufgegebene Bohrlöcher direkt untersucht. An 28 von ihnen wurden Leckagen festgestellt.

Die Wahrscheinlichkeit für derartige Leckagen steigt, je näher die Bohrlöcher an flachen Gastaschen liegen, die für die kommerzielle Förderung normalerweise uninteressant sind. Offenbar sorgt die Störung des Untergrundes durch das Bohren aber dafür, dass das Gas entlang des Bohrlochs zum Meeresboden aufsteigen kann.

Matthias Haeckel, GEOMAR, Studienleiter

Also wurden für einen Teil der Nordsee auf einer Fläche ungefähr so groß wie Sachsen-Anhalt die entsprechenden Daten über Lage der Bohrlöcher und der Gastaschen herangezogen, um den Gasaustritt in diesem Gebiet abzuschätzen. Das Ergebnis: Aus den dortigen 1.792 alten Bohrlöchern treten jährlich etwa 900 bis 3.700 Tonnen Methan aus.

Dies gelangt allerdings nicht vollständig in die Atmosphäre, wo es als potentes Treibhausgas wirken würde, sondern wird je nach Wassertiefe vollständig oder zumindest zum Teil noch im Wasser von Mikroben zersetzt. Wie groß der letztlich in die Atmosphäre gelangende Anteil ist, bleibt unklar, allerdings ist auch die Zersetzung im Wasser nicht ganz unproblematisch, weil dies dort zur Versauerung führt.

Ebenso unklar ist, inwiefern sich die Ergebnisse auf die restlichen der rund 15.000 Bohrlöcher in der Nordsee übertragen lassen. Zum Vergleich: Die jährlichen Methanemissionen aufgrund anthropogener, das heißt, menschlicher Aktivitäten betragen in etwa 330 Millionen Tonnen.